Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerhaftung, Verjährung des Anspruchs gegen den ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter einer KG

 

Leitsatz (NV)

Die Sonderverjährungsregelung des § 159 Abs. 1 a. F., § 161 Abs. 2 HGB für Ansprüche gegen einen ausgeschiedenen Gesellschafter wegen Verbindlichkeiten der Gesellschaft findet auf einen ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter einer KG keine Anwendung, der Kommanditist der KG geworden ist, aber als Geschäftsführer einer GmbH tätig wird, die statt seiner als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG eingetreten ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 191 Abs. 5; HGB §§ 128, 159 Abs. 1 a. F, § 161 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war persönlich haftender Gesellschafter der im Dezember 1983 gegründeten KG. Im März 1985 gründeten seine Ehefrau und er eine GmbH, die anschließend anstelle des Klägers als persönlich haftende Gesellschafterin in die nunmehr als GmbH & Co. firmierende KG eintrat. Der Kläger, der alleiniger Geschäftsführer der GmbH war, erwarb eine Kommanditbeteiligung an der KG. Die Veränderungen wurden im März 1985 in das Handelsregister eingetragen. Anfang August 1985 wurde über das Vermögen der KG und der GmbH das Konkursverfahren eröffnet, das jeweils 1993 abgeschlossen bzw. eingestellt wurde.

Mit Bescheid vom 19. September 1985 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die im Konkurs befindliche KG Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1984 in Höhe von ... DM fest und meldete die Forderung zur Konkurstabelle an. Mit Haftungsbescheid vom 7. Mai 1992 nahm das FA den Kläger für die gegen die KG festgesetzte Umsatzsteuer 1984 in Anspruch, weil er dafür als ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter der KG hafte. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) hob den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Der Kläger hafte nach § 191 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 161 Abs. 2, § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB) -- in der jeweils für das Streitjahr geltenden Fassung -- nicht mehr für die Umsatzsteuer 1984 der KG, weil der einen Monat nach Erlaß des Steuerbescheides im September 1985 fällig gewordene Umsatzsteueranspruch nach § 161 Abs. 2, § 159 Abs. 2 und 3 HGB bei Erlaß des Haftungsbescheides im Mai 1992 bereits verjährt gewesen sei. Die Verjährung sei gegenüber dem Kläger nicht durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG (Anfang August 1985) unterbrochen worden, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits (als persönlich haftender Gesellschafter) aus der KG ausgeschieden gewesen sei.

Der Kläger könne auch nicht aufgrund einer (Nach-)Haftung als ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter der KG in Anspruch genommen werden. Für Dauerschuldverhältnisse habe der Bundesgerichtshof (BGH) der Regelung des § 159 HGB a. F. entnommen, daß der ausgeschiedene Gesellschafter allenfalls für die Forderungen haften solle, die fünf Jahre nach seinem Ausscheiden entstünden; für diese Forderungen habe dann die in § 159 HGB a. F. angeordnete Verjährungsregelung gegolten, so daß der ausgeschiedene Gesellschafter längstens zehn Jahre gehaftet habe. Diese Enthaftungsgrundsätze sollten aber nach der Rechtsprechung des BGH dann nicht gelten, wenn ein bisheriger persönlich haftender Gesellschafter in die Stellung eines Kommanditisten zurücktrete und über eine zugleich in die KG eintretende, unbeschränkt haftende, Komplementär-GmbH weiterhin die Geschäfte der KG führe. Diese Rechtsprechung, die die Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters trotz gleicher Rechtsform der Gesellschaft ungleich behandele, lasse sich nicht haftungserweiternd auf das Steuerrecht übertragen, weil im Wege der Rechtsfortbildung keine Steuertatbestände ausgeweitet und keine neuen Steuerhaftungstatbestände geschaffen werden dürften.

Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe zu Unrecht angenommen, daß der Kläger nicht aufgrund einer (Nach-)Haftung als ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter der KG in Anspruch genommen werden könne. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) lasse die Ausfüllung von Gesetzeslücken in Steuergesetzen durch Analogieschluß zu, selbst wenn sich dies zu Lasten des Steuerpflichtigen, also steuerbegründend oder steuerverschärfend auswirken würde. Die Rechtsprechung des BGH und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Weiterhaftung eines ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafters, der weiterhin im Unternehmen geschäftsleitend als Kommanditist tätig ist, sei daher entsprechend auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die durch das Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von Gesellschaftern (NachhBG) vom 18. März 1994 (BGBl I 1994, 560) erfolgten Gesetzesänderungen, die eine gegenteilige Regelung enthielten, seien erst auf Sachverhalte, die nach dessen Inkrafttreten entstanden seien, anzuwenden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Die angefochtene Vorentscheidung ist aufzuheben; die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, daß der Haftungsanspruch gegen den Kläger verjährt ist.

Der persönlich haftende Gesellschafter einer KG haftet nach § 161 Abs. 2, § 128 HGB für die Steuerverbindlichkeiten der KG, die während der Zeit seiner Zugehörigkeit zu der KG entstanden sind, unbeschränkt persönlich. Im Streitfall sind die Steuerverbindlichkeiten für Umsatzsteuer 1984 der KG gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 -- in der zum maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung -- während der Zeit entstanden, in der der Kläger persönlich haftender Gesellschafter der KG war. Die danach für die Umsatzsteuer 1984 der KG bestehende Haftung des Klägers wird nicht durch die in § 161 Abs. 2 i. V. m. § 159 HGB (in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Haftung geltenden Fassung) geregelte Sonderverjährung für die Ansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter zeitlich beschränkt. Denn § 159 HGB findet keine Anwendung, wenn -- wie im Streitfall -- anstelle des ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafters (hier des Klägers) eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG eintritt, deren Geschäftsführer der ehemalige persönlich haftende Gesellschafter der KG ist, und dieser gleichzeitig Kommanditist der KG wird.

Nach § 159 Abs. 1 HGB a. F., der nach § 161 Abs. 2 HGB auch im Falle des Ausscheidens eines persönlich haftenden Gesellschafters aus einer KG anzuwenden ist, verjähren Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Gesellschafters. Voraussetzung ist danach, daß der Gesellschafter vollständig aus der Gesellschaft ausscheidet. Die Vorschrift regelt dagegen nicht den Fall, in dem der bisherige Gesellschafter seine Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter in eine Beteiligung als Kommanditist umwandelt und der Gesellschaft als solcher weiterhin angehört. Für diesen Fall stellt sich nur die Frage, ob die Sonderverjährungsregelung des § 159 HGB a. F. entsprechend anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 22. September 1980 II ZR 204/79, BGHZ 78, 114--121, Der Betrieb -- DB -- 1980, 2231). Diese Frage ist indes bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden zu verneinen.

Denn der Zweck des § 159 HGB a. F. besteht darin, den Gesellschafter zu schützen, der infolge seines Ausscheidens aus der Gesellschaft keinen unmittelbaren Einfluß mehr auf die Geschäftsführung und die Verwendung der finanziellen Mittel der Gesellschaft hat. Diesen Einfluß verliert auch derjenige, der seine Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter in eine Beteiligung als Kommanditist der KG umwandelt. Denn als Kommanditist ist er nicht mehr zur Geschäftsführung der KG befugt (§ 164 HGB). Deshalb könnte insoweit eine entsprechende Anwendung des § 159 HGB a. F. in Betracht kommen.

Sie scheidet aber dann aus, wenn der Kommanditist eine entscheidende Stellung in der KG dadurch behält, daß er als Geschäftsführer der an seiner Stelle in die KG als persönlich haftende Gesellschafterin eingetretenen GmbH die Geschäfte der KG weiterhin leitet. Denn in dieser Stellung hat der Kommanditist nach wie vor entscheidenen Einfluß auf die Verwendung der finanziellen Mittel der KG, insbesondere auch auf die Erfüllung der gegen sie gerichteten Forderungen. Es ist daher in diesem Fall nicht notwendig, den in der Gesellschaft verbliebenen Kommanditisten in entsprechender Anwendung der Sonderverjährungsregelung des § 159 HGB a. F. vor einer zeitlich unbeschränkten Inanspruchnahme für die vor der Umwandlung seiner Beteiligung entstandenen Gesellschaftsschulden besonders zu schützen (vgl. BGHZ 78, 114 unter Aufgabe seiner im Urteil vom 11. Dezember 1978 II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, 222 unter 3 vertretenen gegenteiligen Auffassung; BGH, Urteil vom 19. Mai 1983 II ZR 40/82, DB 1983, 1440; BAG, Urteile vom 3. Mai 1983 3 AZR 1263/79, BAGE 42, 312--324, und vom 28. November 1989 3 AZR 818/87, BAGE 63, 260--267; Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., § 159 Anm. 1; Feddersen in Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 159 Rz. 3).

Der Senat hat zwar die dagegen im Schrifttum geäußerten gewichtigen Bedenken (Priester/Schmidt, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1984, 1064; Schmidt in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., Bd. III Halbband 1, § 159 Rz. 20 m. w. N.) berücksichtigt, die vor allem auf den Wertungswiderspruch zu den Regelungen des Umwandlungsgesetzes (UmwG), insbesondere der §§ 45, 49 Abs. 4, §§ 56, 56 f. Abs. 2 UmwG a. F., hinweisen, die auch bei der Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft bzw. Einzelfirma in eine Kapitalgesellschaft eine Sonderverjährung entsprechend § 159 HGB a. F. vorsehen. Er folgt aber der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dazu fühlt er sich dadurch veranlaßt, daß es der Gesetzgeber in Art. 2 NachhBG für erforderlich gehalten hat, die zuvor genannten, von der Gegenmeinung zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Vorschriften des UmwG so zu ändern, daß die Sonderverjährungsregelung ausdrücklich auch für den in der umgewandelten Gesellschaft mit bestimmendem Einfluß verbleibenden -- nach der Umwandlung aber nicht mehr persönlich haftenden -- Gesellschafter eingeführt wird.

Der Gesetzgeber hat dadurch die aufgezeigte bestehende Streitfrage konstitutiv durch das NachhBG gelöst. § 160 Abs. 3 Satz 2 HGB i. d. F. des NachhBG sieht nunmehr ausdrücklich vor, daß die -- jetzt modifizierte -- zeitliche Begrenzung der Haftung ("Enthaftung") auch gilt, wenn der per sönlich haftende Gesellschafter Kommanditist wird, aber in einem der KG als persönlich haftender Gesellschafter angehörigen Unternehmen weiterhin geschäftsführend tätig wird. Die Neuregelung ist eine gesetzestechnisch neue Lösung. Sie enthält nicht lediglich eine Klarstellung der Verjährungsregelung des § 159 HGB a. F. im Sinne der Einwendungen des Schrifttums gegen die Rechtsprechung des BGH und des BAG.

Die neue Regelung in § 160 Abs. 3 Satz 2 HGB gilt nach Art. 5 NachhBG erst ab Inkrafttreten des NachhBG zum 19. März 1994 und kann daher auf den vorher begründeten Haftungsanspruch des FA gegen den Kläger nicht angewendet werden.

Für den Kläger lief demnach keine besondere Verjährungsfrist. Somit ist seine Inanspruchnahme nur durch die in § 191 Abs. 5 AO 1977 enthaltene Regelung begrenzt. Danach kann ein Haftungsbescheid dann nicht mehr ergehen, wenn die gegen die KG als Steuerschuldnerin festgesetzte Steuer verjährt ist (§ 191 Abs. 5 Nr. 2 AO 1977). Da die Verjährung der gegen die KG innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist festgesetzten Umsatzsteuer 1984 innerhalb der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist nach §§ 228, 229 AO 1977 durch die Anmeldung im Konkurs unterbrochen worden ist (§ 231 Abs. 1 und 2 AO 1977), konnte der Haftungsbescheid gegen den Kläger noch ergehen.

Auf die vom FG erörterte, aber verneinte Frage, inwieweit eine haftungserweiternde Gesetzesauslegung zulässig ist, brauchte der Senat nicht einzugehen, weil nach den vorstehenden Ausführungen im Streitfall die Schließung einer Gesetzeslücke durch eine erweiternde Auslegung des Gesetzes nicht in Rede steht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420445

BFH/NV 1995, 850

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