Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die Ablösung von Erbbaurechten als Herstellungskosten
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines erbbauverpflichteten Grundstückseigentümers zur Ablösung des Erbbaurechts zählen zu den Herstellungskosten des anschließend auf dem Grundstück nach dem Abriss der vorhandenen Bebauung neu errichteten Gebäudes.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1; HGB § 255
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Jahre 1997 Zahlungen zur Ablösung von Erbbaurechten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen kann.
Der Kläger wurde im Streitjahr mit seiner ―im Jahr 2001 verstorbenen― Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehefrau war Eigentümerin von Grundstücken in der L-Str. 22, 24 und 33. Auf dem Grundstück L-Str. 22 befand sich ein Gebäude mit 15 Wohnungen und gewerblich genutzten Räumen. Die daran angrenzenden Grundstücke (L-Str. 24, 33) waren seit dem Jahre 1920 mit Erbbaurechten belastet, die bis zum Jahre 2010 laufen sollten und aus denen die Ehefrau im Streitjahr Erbbauzinsen bezog.
Mit notariellem Vertrag vom März 1997 erwarb die Ehefrau des Klägers die Erbbaurechte mitsamt den aufstehenden Gebäuden für insgesamt 853 706 DM. Die Erbbaurechtsbelastungen wurden im Grundbuch gelöscht. Nach Abriss der auf den Erbbaurechts-Grundstücken stehenden Gebäude und Garagen errichtete die Ehefrau des Klägers einen Neubau. Dieser wurde mit dem gewerblich genutzten Teil des Nachbargebäudes (L-Str. 22) bautechnisch verbunden und nach seiner Fertigstellung zusammen mit diesem ab 1998 vermietet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute diese Aufwendungen für den Erwerb der Erbbaurechte als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks L-Str. 22 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) versagte diesen Werbungskostenabzug.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―, § 255 des Handelsgesetzbuches ―HGB―), insbesondere die steuerrechtliche Ungleichbehandlung von Ablösezahlungen für dingliche und für obligatorische Rechte. Die der Einkunftserzielung dienende entgeltliche Ablösung eines Erbbaurechts müsse zu Werbungskosten führen. Selbst wenn man aber den Vorgang als Erwerb des Wirtschaftsguts "Erbbaurecht" einordne, sei der dafür gezahlte Ablösebetrag im Wege der Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) wegen verkürzter Nutzungsdauer des Erbbaurechts als Werbungskosten absetzbar; denn vorliegend sei ―angesichts des Abrisses der aufstehenden Gebäude― der wirtschaftliche Nutzen des Erbbaurechts mit seinem Erwerb verbraucht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1997 insofern zu ändern, als geleistete Ablösezahlungen für Erbbaurechte in Höhe von 853 706 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus den Grundstücken L-Str. 24 und 33 für 1997 zu berücksichtigen sind.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht den Abzug der Aufwendungen für den Erwerb der Erbbaurechte als Werbungskosten im Streitjahr versagt.
1. a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Dezember 1994 IX R 122/92, BFHE 177, 50, BStBl II 1995, 534; vom 18. Dezember 2001 IX R 24/98, BFH/NV 2002, 904, m.w.N.).
b) Solche Aufwendungen sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 HGB (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, und IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574).
c) Aufwendungen für den Abriss eines vorhandenen Gebäudes auf einem zum Zwecke der Neubebauung erworbenen Grundstück rechnen zu den Herstellungskosten des Neubaus, wenn das neue Gebäude an der Stelle des abgerissenen Gebäudes errichtet und damit der Abriss des alten Gebäudes Voraussetzung für die Errichtung des neuen Wirtschaftsguts ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1970 I 130/65, BFHE 100, 32, BStBl II 1970, 810; BFH-Beschlüsse vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; in BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, m.w.N.).
Entsprechend gehören die Aufwendungen für die Ablösung eines dinglichen Nutzungsrechts im Jahr der Fertigstellung zu den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes, wenn sie im erforderlichen Veranlassungszusammenhang mit dem Abbruch eines Altgebäudes und der Errichtung des neuen Gebäudes geleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1975 I R 243/73, BFHE 117, 153, BStBl II 1976, 184).
Zu Unrecht wendet der Kläger hiergegen ein, dingliche und obligatorische Nutzungsrechte würden insoweit ungleich behandelt. Auch Abfindungen an Mieter hat die Rechtsprechung als Herstellungskosten beurteilt, wenn sie dazu dienen, die bis dahin vermieteten Gebäude abbrechen und ohne entgegenstehende Rechte Dritter ein neues Gebäude errichten zu können (BFH-Urteil vom 9. Februar 1983 I R 29/79, BFHE 138, 63, BStBl II 1983, 451).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Revision keinen Erfolg. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Aufwendungen zur Ablösung der Erbbaurechte nicht steuermindernd berücksichtigt.
a) Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat die Ehefrau des Klägers als vormals erbbauverpflichtete Grundstückseigentümerin nach Erwerb und Löschung der Erbbaurechte im Grundbuch die auf den (vormaligen Erbbau-)Grundstücken stehenden Gebäude und Garagen "sogleich abgerissen" und einen Neubau errichtet. Danach konnte das FG ohne Rechtsverstoß annehmen, dass die Ablösung der Erbbaurechte und der Abriss der Gebäude mit Blick auf den noch im Streitjahr errichteten Neubau erfolgten. Mithin kann es sich bei den strittigen Aufwendungen nur um Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes handeln. Ein sofortiger Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten scheidet damit im Streitjahr aus.
b) Auch wenn man mit der Revision den Sachverhalt als Kauf des Wirtschaftsguts "Erbbaurecht" einordnet, liegen die Voraussetzungen für eine AfaA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG) nicht vor, weil ―ebenso wie bei einem Erwerb mit Abbruchabsicht (vgl. Blümich/Brandis, § 7 EStG Rz. 533; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 7 Rn. 101; Claßen in Lademann, EStG, § 7 EStG Anm. 286)― die Aufwendungen zu den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes gehören (s. oben II. 1. c).
Fundstellen
Haufe-Index 1493501 |
BFH/NV 2006, 1002 |
BStBl II 2006, 461 |
BB 2006, 874 |
BB 2006, 979 |
DB 2006, 815 |
DStR 2006, 647 |
DStRE 2006, 570 |
DStZ 2006, 281 |
HFR 2006, 564 |
WPg 2006, 622 |
FR 2006, 547 |
Inf 2006, 324 |
SteuerBriefe 2006, 828 |
GStB 2006, 22 |
NWB 2006, 1091 |
BBK 2006, 393 |
StuB 2006, 320 |
ZfIR 2006, 347 |
BTR 2006, 138 |
NJW-Spezial 2006, 294 |
NWB direkt 2006, 4 |
RdW 2006, 520 |
SJ 2006, 6 |