Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Rückstellungen für aufgestauten Reparaturbedarf können grundsätzlich nicht anerkannt werden. Dies gilt auch für die Bildung derartiger Rückstellungen in der DM-Eröffnungsbilanz.
Nur in den besonderen Fällen, in denen der Vermieter wegen Nichterfüllung oder sonstiger Verletzung seiner Pflichten zur Instandhaltung bzw. Instandsetzung der vermieteten Sache mit einer Inanspruchnahme durch den Mieter ernstlich rechnen muß, kann gegebenenfalls insoweit eine Rückstellung wegen aufgestauten Reparaturbedarfs gebildet werden.
Für den Währungsstichtag war in der Regel mit einer derartigen Inanspruchnahme des Vermieters nicht zu rechnen, weil bei den damaligen wirtschaftlichen Verhältnissen und den bestehenden Bewirtschaftungsvorschriften die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten meist nicht möglich war.
Normenkette
VermBewG § 8; DMBG § 16; DMBG § 74; DMBG § 75; AktG § 131; HGB §§ 38-39; BGB § 536
Tatbestand
I. Urteil
Streitig ist die Anerkennung einer Rückstellung für aufgestauten Reparaturbedarf, die die Beschwerdeführerin (Bfin.) in ihrer DM-Eröffnungsbilanz gebildet hat.
Die Bfin., die mit Wirkung vom 3. Februar 1949 als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt worden ist, hat für diesen Reparaturbedarf unter die Passiven der DM-Eröffnungsbilanz einen Betrag in Höhe von 410.000 DM eingestellt und unter Berücksichtigung dieses Schuldpostens einen negativen Vermögensbestand im Betrage von 254.900 DM ermittelt. Vom Finanzamt, das der Rückstellung die Anerkennung versagt hat, ist der Einheitswert des Betriebsvermögens der Bfin. auf 155.000 DM festgestellt.
Einspruch und Berufung, die die Bfin. gegen diese Feststellung erhoben hat, sind erfolglos geblieben.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird im übrigen auf den Vorbescheid vom 15. März 1957 Bezug genommen.
II. Vorbescheid ... Das Finanzgericht hat in seinem Berufungsurteil folgendes ausgeführt: Nach § 8 VBewG seien bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte gewerblicher Betriebe auf den 21. Juni 1948 Rückstellung in der Höhe zu berücksichtigen, in der sie in die DM-Eröffnungsbilanz auf Grund der Vorschriften des DMBG eingestellt seien. Die Vorschrift des § 8 VBewG stehe im Einklang mit den §§ 74, 75 DMBG, auf Grund deren die für die einzelnen Vermögensgegenstände nach den Vorschriften dieses Gesetzes in die Eröffnungsbilanz eingestellten Werte sowohl für die Steuern vom Einkommen und Ertrag als auch für diejenigen vom Vermögen maßgebend seien, die unter Zugrundelegung des Stichtags vom 21. Juni 1948 veranlagt würden. Aus dieser Koppelung folge, daß Rückstellungen auch im Bewertungsverfahren nur insoweit anzuerkennen seien, als sie den Bestimmungen des DMBG gemäß gebildet seien. Da das DMBG in erster Linie handelsrechtlichen Charakter trage, bestimme sich auch die Zulässigkeit der Rückstellungen nach den Vorschriften des Handelsrechts, insbesondere nach § 131 des Aktiengesetzes (AktG). Von dieser Vorschrift abgesehen, richte sich die Zulässigkeit einer Rückstellung auch nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die von der Bfin. gemäß § 129 AktG in Verbindung mit § 38 HGB zu beachten seien. Im Zusammenhang mit der hier anhängigen Streitfrage sei daher die von diesen Grundsätzen ausgehende Rechtsprechung des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs zur Frage der Zulässigkeit von Rückstellungen für aufgestauten Reparaturbedarf zu beachten, auch wenn deren Entscheidungen auf ertragsteuerlichem Gebiet ergangen seien. Nach dieser Rechtsprechung, der sich im wesentlichen das Finanzgericht auch für den Streitfall angeschlossen habe, seien Rückstellungen nur für Schuldverpflichtungen zulässig. Solche Schuldverpflichtungen setzten aber, wie das Finanzgericht weiter ausführt, Rechtsbeziehungen zu dritten Personen voraus, während die Nachholung unterlassener Reparaturen in Wirklichkeit die Erfüllung einer Verpflichtung des Unternehmens gegen sich selbst darstelle. Unterlassene Reparaturen könnten daher nur durch erhöhte Absetzungen für Abnutzung berücksichtigt werden mit der Folge, daß die später nachgeholten Reparaturen gegebenenfalls aktivierungspflichtigen Aufwand darstellen würden. Nur dort, wo es sich bei der Nachholung von Reparaturen um eine echte Verpflichtung gegenüber Dritten wie etwa des Pächters gegen den Verpächter handele, sei diese im Wege der Rückstellung zu berücksichtigen. Das Finanzgericht kommt auf Grund dieser Rechtsprechung zu dem Ergebnis, daß auch im Streitfall die Rückstellung für aufgestauten Reparaturbedarf nur dann anzuerkennen wäre, wenn der Reparaturaufwand selbst als Erfüllung einer Schuldverpflichtung gegenüber Dritten angesehen werden könnte. ähnlich wie es bei Schadensersatz- und Garantieverpflichtungen bereits vom Reichsfinanzhof ausgesprochen sei, werde man aber die Ansprüche der Mieter aus den §§ 536 ff. BGB erst dann als passivierungsfähig anerkennen können, wenn der Vermieter am Stichtag ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse. Die Bfin. habe bei der Begründung ihrer Rückstellung von solchen Forderungen der Mieter auf Instandsetzung ihrer Wohnung nichts erwähnt. Sie habe offenbar am Stichtag mit derartigen Ansprüchen nicht gerechnet und auch nicht damit zu rechnen brauchen. Die Rückstellung könne daher im Hinblick auf Verpflichtungen der Bfin. gegenüber ihren Mietern nicht anerkannt werden. Das gleiche gelte für die von der Bfin. erwähnten Ansprüche der Realgläubiger. Im übrigen könne, wie auch das Urteil I 54/54 U vom 15. Februar 1955 (Slg. Bd. 60 S. 448, Bundessteuerblatt 1955 III S. 172) wieder ausgeführt habe, der unterlassene Instandhaltungsaufwand zwar grundsätzlich bei dem Wert der Grundstücke durch Ansatz eines geringeren Betrages auf der Aktivseite oder durch Bildung eines Wertberichtigungsposten auf der Passivseite der Bilanz Berücksichtigung finden; doch komme dies im Streitfall nicht in Frage, weil die Grundstücke in der DM-Eröffnungsbilanz bereits mit dem zuletzt festgestellten, unter Berücksichtigung der Kriegsschäden auf den 21. Juni 1948 fortgeschriebenen Einheitswert angesetzt seien. Es sei nicht anzunehmen, daß die Ergebnisse dieser Einheitswertfeststellungen den Wert überstiegen, den die Grundstücke auch unter Berücksichtigung der unterlassenen Instandhaltung darstellten. Der strittige Passivposten sei daher als Rücklage für spätere Aufwendungen der Bfin. anzusehen und wie Eigenkapital zu behandeln.
Die Bfin. hat Rb. erhoben. Sie rügt unter Vorlage eines eingehenden Gutachtens unrichtige Anwendung des geltenden Rechts sowie Verstöße gegen den klaren Inhalt der Akten.
Entscheidungsgründe
Die Bfin. hat außerdem mündliche Verhandlung vor dem Senat beantragt. Es erschien dem Senat jedoch angezeigt, zunächst ohne eine solche durch Vorbescheid gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) über die Rb. zu entscheiden.
Die Rb. ist unbegründet. Die Frage der Zulässigkeit von Rückstellungen für aufgestauten Reparaturaufwand ist schon mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung der Steuergerichte gewesen, bisher allerdings im wesentlichen nur im Zusammenhang mit Fragen der steuerlichen Gewinnermittlung. Die Vorinstanz hat für die hier streitige Einheitswertfeststellung an die von den Erkenntnissen des Reichsfinanzhofs ausgehende Rechtsprechung des Obersten Finanzgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs angeknüpft und die zunächst für die einkommensteuerliche Gewinnermittlung entwickelten Grundsätze auf das Gebiet der Vermögensbewertung übertragen. Diese Grundsätze, die besonders deutlich im Vorbescheid und Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 10/47 U vom 28. Februar 1948 - Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen 1949/1950 S. 329, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Rechtsspruch 4 zu § 4 des Einkommensteuergesetzes - zum Ausdruck gekommen sind, besagen, daß ein Passivposten "nachzuholender Instandhaltungsaufwand" grundsätzlich zusammen mit dem Aktivposten für das Wirtschaftsgut, dessen ordnungsmäßige Instandhaltung unterblieben ist, betrachtet werden muß. Nur dort, wo es sich nicht um eine sogenannte innerbetriebliche Verpflichtung, sondern um eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten auf Nachholung unterlassener Instandhaltung handelt, kann nach dieser Auffassung eine steuerlich zulässige Rückstellung vorliegen.
Nach diesen das Einkommensteuerrecht beherrschenden Grundsätzen wäre somit der Ansatz eines Passivpostens für nachzuholenden Instandhaltungsaufwand in erster Linie unter dem Gesichtspunkt eines Korrektivs für das entsprechende auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesene Wirtschaftsgut einer Nachprüfung zu unterziehen. Gerade in diesem Punkte kann jedoch die vermögensteuerliche Betrachtungsweise der einkommensteuerlichen zum mindesten insoweit nicht angepaßt werden, als es sich um den Ansatz von Wirtschaftsgütern handelt, für die nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) ein Einheitswert festzustellen ist. Denn wo ein solcher Einheitswert besteht, ist er für den Wertansatz in der Vermögensaufstellung zu übernehmen und, soweit er rechtskräftig festgestellt ist, einer nachträglichen Korrektur durch Ansatz eines Ausgleichspostens nicht zugänglich. Diese Ausführungen müssen auch für den Wertansatz von Grundstücken in der DM-Eröffnungsbilanz gelten, soweit nicht die Vorschriften des DMBG ausdrücklich vom Einheitswert abweichende Wertansätze in der DM-Eröffnungsbilanz zulassen und gestatten. Die in dieser Hinsicht maßgebliche Bestimmung des § 16 DMBG schreibt insoweit vor, daß Grundstücke höchstens mit den zuletzt festgestellten Einheitswerten anzusetzen sind, daß aber ein Grundstück, welches in der steuerlichen RM-Schlußbilanz mit einem höheren Wert als dem zuletzt festgestellten Einheitswert angesetzt worden ist, auch in der DM-Eröffnungsbilanz bis zu diesem höheren Wert, höchstens aber mit dem Stichtagswert vom Zeitpunkt der DM-Eröffnungsbilanz in Ansatz gebracht werden darf. Im Streitfall sind die Grundstücke und Gebäude der Bfin., die ursprünglich mit 1.968.800 RM bewertet waren, nur noch mit den unter Berücksichtigung der Kriegsschäden auf 21. Juni 1948 fortgeschriebenen Einheitswerten im Gesamtbetrage von 966.400 DM in der DM-Eröffnungsbilanz ausgewiesen worden. Da somit die Kriegsschäden am Grundbesitz der Bfin. am 21. Juni 1948 bereits durch Wertfortschreibung berücksichtigt waren und da überdies nicht anzunehmen ist, daß der diesen fortgeschriebenen Einheitswerten entsprechende Wertansatz in der DM-Eröffnungsbilanz den Stichtagswert der zum Betriebsvermögen der Bfin. gehörigen Grundstücke und Gebäude übersteigt, kann auch unter Berücksichtigung der Vorschriften des DMBG ein niedrigerer Wertansatz der Grundstücke und Gebäude als mit den auf den 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswerten nicht in Betracht kommen. Eine Wertkorrektur dieses Bilanzansatzes ist daher weder durch Bildung einer Rückstellung noch sonst in irgend einer Form für zulässig zu erachten.
Das Finanzgericht hat der von der Bfin. gebildeten Rückstellung aber auch deshalb die Anerkennung versagt, weil die Bfin. nach Ansicht des Finanzgerichts am Währungsstichtag nicht mit irgendwelchen Ansprüchen Dritter, insbesondere nicht mit Ansprüchen ihrer Mieter, auf Instandsetzung der Wohnungen gerechnet habe und weil sie mit solchen Ansprüchen auch gar nicht ernsthaft habe rechnen müssen.
Die Bfin. hält die Ansicht des Finanzgerichts insofern für zu eng, als nach den Grundsätzen des Handelsrechts der zu erwartenden Aufwand nicht nur dann in Form einer Rückstellung zu berücksichtigen sei, wenn die Unterlassung des Aufwands zu einer Inanspruchnahme durch Dritte führe, sondern auch dann, wenn dies nicht unmittelbar der Fall sei. Die Bfin. sei nach den von ihr abgeschlossenen Mietverträgen und dem Inhalt des bürgerlichen Rechts verpflichtet, die den Mietern überlassenen Wohnungen in gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten. Diese Verpflichtung bleibe bestehen, auch wenn den Mietern für eine vorübergehende Zeit zugemutet worden sei, ihren Wohnlichkeitsanspruch einzuschränken. Die Bfin. habe deshalb am Währungsstichtag mit Schadensersatzansprüchen und mit Ansprüchen ihrer Mieter auf Ersatz notwendiger Aufwendungen rechnen müssen, mit den letzteren sogar dann, wenn sie am Bilanzstichtag noch nicht in Verzug geraten sei. Da somit eine rechtsverbindliche Verpflichtung gegenüber Dritten dem Grunde nach bestehe, ohne daß ihre zahlenmäßige Höhe schon feststehe, sei die Bildung einer Rückstellung handelsrechtlich zulässig.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß für die Bildung von Rückstellungen in der DM-Eröffnungsbilanz auch im Hinblick auf ihre steuerliche Auswirkung die Vorschriften und Grundsätze des Handelsrechts in erster Linie maßgebend sind. Das ergibt sich für das Gebiet der Vermögensbesteuerung aus § 8 VBewG, der ausdrücklich auf die Vorschriften des DMBG verweist. Unter den handelsrechtlichen Vorschriften, die demnach im Streitfall zu berücksichtigen sind, ist insbesondere der § 131 AktG von richtungweisender Bedeutung.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kommen Rückstellungen ebenfalls nur für (ungewisse) Schulden, das heißt für echte Verbindlichkeiten gegenüber dritten Personen in Betracht. Dagegen müssen die sogenannten Verbindlichkeiten gegen sich selbst, die nicht als Schulden in diesem Sinne angesprochen werden können, in diesem Zusammenhang ausscheiden. Dazu gehören aber im Gegensatz zu der Ansicht, die in dem von der Bfin. vorgelegten Gutachten vertreten wird, insbesondere die sogenannten Verpflichtungen des Vermieters auf künftige Durchführung periodisch entstandener größerer Gebäudeinstandsetzungen, für die nach Auffassung dieses Gutachtens Rückstellungen unter dem Titel "Bauerneuerungsrücklagen" gebildet werden könne. Wie schon der Name sagt, handelt es sich dabei in Wirklichkeit um Rücklagen, die schon deshalb nicht mit echten Rückstellungen gleichgestellt werden dürfen, weil es rechtliche Ansprüche der Mieter auf Durchführung solcher Erneuerungs- oder Instandhaltungsarbeiten, die nicht unmittelbar der Erfüllung des dem Mieter zustehenden Wohnungsüberlassungsanspruchs dienen, nicht gibt. Tatsächlich kann der Mieter nur die Ausführung solcher Arbeiten verlangen, die der Herstellung und Instandhaltung seiner eigenen Wohnräume bzw. der auch ihm vertraglich zur Verfügung gestellten Gemeinschaftsräume wie Waschküche, Trockenböden etc. dienen. Ein Anspruch des Mieters, der sich auf die allgemeine Instandhaltung des dem Vermieter gehörenden Gebäudes richtet, besteht jedoch nicht.
Die späteren Kosten einer solchen Gebäudeinstandhaltung unter dem Gesichtspunkt des Bestehens einer wirtschaftlichen Last durch Bildung einer Rückstellung in Ansatz zu bringen, erscheint ebenfalls nicht angängig. Der Bildung einer solchen Rückstellung kann insbesondere bei Gebäuden schon deshalb nicht nähergetreten werden, weil beispielsweise der unter Anwendung der vervielfältigten Jahresrohmieten gebildete Wert bereits auf den allgemeinen Gebäudereparaturbedarf Rücksicht nimmt.
Anders könnten die Dinge liegen, soweit es sich um die Verpflichtung der Bfin. zur Instandhaltung der ihren Mietern überlassenen Mieträume handelt. Denn insoweit liegt in der Tat eine vertragliche Rechtspflicht der Bfin. gegenüber ihren Mietern als Vertragspartnern vor. Das Finanzgericht hat nun diese Verpflichtung des Vermieters zur überlassung der Mietsache in einem gebrauchsfähigen Zustand zu den immerhin anders gearteten Schadensersatz- und Garantieverpflichtungen in Beziehung gesetzt. Da für letztere Rückstellungen gebildet werden dürfen, sofern dem Schuldner am Stichtag infolge Inanspruchnahme aus solchen Verpflichtungen Verluste zu erwachsen drohen, will das Finanzgericht für die nach seiner Ansicht ähnlich zu behandelnden Ansprüche der Mieter aus den §§ 536 ff. BGB Rückstellungen dann zulassen, wenn der Vermieter am Bilanzstichtag ernsthaft mit Ansprüchen seiner Mieter rechnen muß. Dabei übersieht das Finanzgericht, daß sich insbesondere die Forderungen aus Garantieverträgen insofern wesentlich von den Ansprüchen der Mieter auf Gewährung der Mietsache unterscheiden, als erstere in der Regel eine abstrakte, von der ursprünglichen Verbindlichkeit losgelöste und selbständige Verpflichtung zum Gegenstand haben, während die Ansprüche der Mieter auf überlassung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustande stets mit dem Anspruch des Vermieters auf Zahlung des Mietzinses korrespondieren. Beide Arten von Forderungen, sowohl diejenige des Vermieters als auch die des Mieters stehen sich in der Regel gleichwertig gegenüber, so daß zur Bildung von Rückstellungen in derartigen Fällen gegenseitiger Vertragsleistungen normalerweise kein Anlaß besteht. Von diesem Grundsatz wird auch dann auszugehen sein, wenn in einzelnen Mietjahren die Leistungen des Vermieters die Mietzinszahlungen des Mieters wertmäßig übersteigen. Nur wenn sich im Einzelfalle Schadensersatz- oder ähnliche Ansprüche des Mieters aus der Verletzung der Vermieterpflichten in der Vergangenheit ergeben sollten, wird man deshalb der Zulassung von Rückstellungen wegen drohender Erstattungspflicht des Vermieters nähertreten können. Die Rb. hat zwar auf die Möglichkeit solcher Schadensersatzansprüche hingewiesen; sie hat aber gleichwohl einräumen müssen, daß für eine vorübergehende Zeit - das heißt zum mindensten für die Zeit vom Kriegsende bis zum Währungsstichtag - dem Mieter im Rahmen der Grenzen von Treu und Glauben zugemutet werden konnte, seinen Wohnlichkeitsanspruch einzuschränken. Da dieser Auffassung auch die allgemeine Praxis der Gerichte bis zur Währungsumstellung entsprochen hat, brauchte die Bfin. für die zurückliegende Zeit mit vertraglichen Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüchen nicht ernsthaft zu rechnen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß die Bfin. selbst in ihrer RM-Schlußbilanz keine Rückstellung wegen derartiger Ansprüche der Mieter gebildet hat, obwohl derartige Ansprüche, wenn überhaupt bestanden haben sollten, auch bereits im Zeitpunkt der RM-Schlußbilanz die Bfin. zum Ansatz einer entsprechenden Rückstellung berechtigt hätten. Im übrigen hat die Bfin. solche Forderungen ihrer Mieter niemals im einzelnen bezeichnet, obwohl dazu zum mindesten nach den Ausführungen des Finanzgerichts in dem angefochtenen Berufungsurteil durchaus Anlaß bestanden hätte. Es ist deshalb für den Stichtag der DM-Eröffnungsbilanz davon auszugehen, daß die Bfin. zum mindesten zur damaligen Zeit mit Ansprüchen ihrer Mieter nicht zu rechnen brauchte. Wie sich die Rechtslage hinsichtlich derartiger Ansprüche ihrer Mieter in der Folgezeit gestaltet hat, braucht aber für die hier zu entscheidende Frage des Ansatzes von Rückstellungen am Währungsstichtag nicht näher erörtert zu werden.
An diesem Ergebnis vermag der Hinweis in dem von der Bfin. eingereichten Gutachten darauf, daß in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs eine Rückstellung des Pächters für notwendige, aber unterbliebene Instandsetzungen, zu denen er sich dem Verpächter gegenüber verpflichtet hat, als zulässig anerkannt worden sei, nichts zu ändern. Auch wenn man an dieser Rechtsprechung festhält und beispielsweise Rückstellungen des Mieters für Schönheitsreparaturen, deren Ausführung er dem Vermieter gegenüber übernommen hat, anerkennen will, besagt dies für die vorliegende Streitfrage nichts. Denn die Bfin. übersieht, daß diese Verpflichtung des Mieters bzw. Pächters mit der Verpflichtung des Mieters oder Pächters zur Rückgabe der Miet- oder Pachtsache in Verbindung steht, die erst bei Vertragsablauf zu erfüllen ist. Da aber diese Verpflichtung nur erfüllt werden kann, wenn die notwendigen Instandsetzungen durchgeführt werden, so ergibt sich, daß für unterlassene Instandsetzungen des Mieters eine Rückstellung gebildet werden darf, die dem nachzuholenden Aufwand entspricht. Bei der Verpflichtung des Vermieters zur überlassung der Mietsache, aus der auch der Reparaturanspruch des Mieters fließt, handelt es sich dagegen um eine laufende, Zug um Zug gegen die Leistung des Mietzinses zu erfüllende Vertragspflicht, so daß sich - von etwaigen Gewährleistungsansprüchen abgesehen - die Leistung des Vermieters und des Mieters stets gleichwertig gegenüberstehen. Da dies bei der Rückgabepflicht des Mieters im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses nicht der Fall ist, können die Grundsätze für die Bildung von Rückstellungen des Mieters wegen unterlassenen Reparaturaufwands nicht auf die Zulässigkeit von Rückstellungen des Vermieters übertragen werden.
Im Streitfall spricht für die Unzulässigkeit der Rückstellung auch noch, daß die Bfin. im Wirtschaftsjahr II/1948 und 1949 ihren gesamten, nicht unerheblichen Reparaturaufwand zu Lasten des Geschäftserfolgs verbucht hat, ohne die Rückstellung überhaupt in Anspruch zu nehmen. Diese Behandlung der mit der DM-Eröffnungsbilanz gebildeten Rückstellung in dem anschließenden Geschäftszeitraum deutet darauf hin, daß es sich im vorliegenden Streitfall um eine echte Rücklage, nicht um eine Rückstellung handelt.
Endlich muß auch der Hinweis der Bfin. auf das vom Bundesminister der Finanzen in Verbindung mit der Veröffentlichung in der LA-Kartei Nr. 7 zu § 21 des Lastenausgleichsgesetzes an den Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen gerichtete Schreiben vom 20. Oktober 1953 versagen. Selbst wenn der Bundesminister der Finanzen darin zunächst die Meinung vertreten hat, daß tatsächlich die Bildung einer Rückstellung wegen aufgestauten Baureparaturbedarfs zum mindesten bei den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen möglich sei, war diese Meinungsäußerung doch wohl nur unter dem Vorbehalt eines gleichlautenden Ergebnisses in einer schon vorgesehenen Besprechung mit den Lastenausgleichsreferenten der Länder abgegeben worden. Sie würde im übrigen, da es sich nicht um einen auch die Rechtsprechung bindenden Milderungserlaß handelt, die Steuergerichte bei ihrer Spruchtätigkeit nicht beeinflussen können.
Da somit die Rb. schon aus rechtlichen Gründen ohne Erfolg sein muß, im übrigen ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten insoweit nicht festgestellt werden kann, war die Rb. als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 307 AO zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Bfin. den bisher eingenommenen Rechtsstandpunkt aufrechterhalten und insbesondere zur Frage der Zulässigkeit von Rückstellungen in der DM-Eröffnungsbilanz ausgeführt, daß hierfür unter Berücksichtigung des § 8 des Vermögensbewertungsgesetzes (VBewG) allein die Bestimmungen des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) und die allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätze über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblich seien und daß es auf steuerliche Bewertungsvorschriften hierfür nicht ankommen könne:
Diese Ausführungen gegen dem Senat keine Veranlassung, von der im Vorbescheid vertretenen Rechtsauffassung abzuweichen. Es trifft allerdings zu, daß für die Berücksichtigung von Rückstellungen bei der Einheitsbewertung der gewerblichen Betriebe auf den 21. Juni 1948 die Bestimmungen des DMBG und im Zusammenhang mit diesem die Vorschriften und Grundsätze des Handelsrechts bestimmend sind (ß 8 VBewG vom 16. Januar 1952, Bundesgesetzblatt 1952 I S. 22, Bundessteuerblatt 1952 I S. 35). Der Senat ist aber der Auffassung, daß auch nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten die Bildung der Rückstellung für aufgestauten Reparaturbedarf im Streitfalle weder sachlich geboten noch zulässig war. Dafür spricht jedenfalls die Tatsache, daß die Bfin. in ihrer RM-Schlußbilanz eine entsprechende Rückstellung für aufgestauten Reparaturbedarf nicht gebildet hat. Der Senat vermag nicht anzunehmen, daß die Bfin. in ihrer RM-Schlußbilanz fehlerhaft bilanziert hat. Die Vertreter der Bfin. haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat das Verhalten der Bfin. damit erklärt, daß diese von der Bildung einer solchen Rückstellung in der RM-Schlußbilanz im Hinblick auf die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse im Bundesgebiet abgesehen habe. Denn unter den damals obwaltenden Umständen sei die Durchführung von Reparaturarbeiten größeren Ausmaßes wegen des Rohstoffmangels und der bestehenden Bewirtschaftungsvorschriften praktisch unmöglich gewesen, weil die sachlichen Mittel für solche Arbeiten nicht vorhanden gewesen seien. Diese Zustände haben aber, worauf der Senat schon im Vorbescheid hingewiesen hat, auch die ordentlichen Gerichte dazu veranlaßt, vor der Währungsumstellung etwaigen Klagen der Mieter auf Instandsetzung von Wohnräumen oder auf Schadensersatz im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben nicht zu entsprechen (vgl. z. B. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 2. Juni 1951, Der Betriebs-Berater 1951 S. 772, und Roquette, Mietrecht, 4. Auflage S. 224, 225). Die Bfin. selbst hat übrigens keinen Fall genannt, in dem einer ihrer Mieter die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche vor der Währungsumstellung auch nur versucht hätte. Wenn unter diesen Umständen die Bfin. keine Veranlassung zur Bildung einer derartigen Rückstellung in ihrer RM-Schlußbilanz gesehen hat, so muß jedoch das gleich auch noch für den Zeitpunkt der DM-Eröffnungsbilanz (21. Juni 1948) gelten, in dem sich die Verhältnisse noch keineswegs geändert hatten. Denn die Bewirtschaftungsmaßnahmen der öffentlichen Hand waren nicht etwa schlagartig mit der Währungsumstellung beseitigt worden, sie wurde vielmehr erst allmählich in der Folgezeit abgebaut, dauerten aber regelmäßig noch bis in das Jahr 1949 hinein an. Die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse des Jahres 1948, insbesondere im Zeitpunkt der Währungsumstellung, rechtfertigten daher ebensowenig wie die besonderen Umstände des Streitfalles die Bildung einer Rückstellung für aufgestauten Reparaturbedarf, ganz abgesehen davon, daß die Schäden, die mit der Bildung der fraglichen Rückstellung berücksichtigt werden sollten, sich vielfach mit denjenigen überschneiden würden, die bereits in der Herabsetzung der Grundstückseinheitswerte zum 21. Juni 1948 Berücksichtigung gefunden haben.
Soweit der Bfin. in der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergänzende Angaben über Geltendmachung von Ansprüchen ihrer Mieter gemacht hat, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz vom Senat nicht berücksichtigt werden kann.
Der Rb. muß daher der Erfolg versagt bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 409045 |
BStBl III 1958, 274 |
BFHE 1959, 1 |
BFHE 67, 1 |