Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Besteuerungsgrundlagen
Leitsatz (NV)
Zu den Voraussetzungen allgemeiner tatsächlicher Schlußfolgerungen im Rahmen der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen für die Lohnsummensteuer bei einem Taxiunternehmen.
Normenkette
AO 1977 § 162; GewStG § 23
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1976 bis 1978 ein Taxiunternehmen. Anläßlich einer Lohnsteueraußenprüfung und einer Durchsuchung der Büroräume durch die Steuerfahndung im März 1979 wurde ein Oktavheft ,,Taxi 1977" sichergestellt, aus dem sich von den Lohnsteueranmeldungen erheblich abweichende Löhne ergaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) legte diese Beträge der Berechnung der Lohnsummensteuer zugrunde. Das FA ging zunächst davon aus, daß 48 v. H. der festgestellten Umsätze Nettolöhne seien und errechnete die Lohnsummensteuer mit . . . DM. Die geänderten Bescheide vom 14. August 1979 ergingen gegen die ,,Gesellschaft bürgerlichen Rechts X und Y".
Den von der Klägerin am 24. August 1979 eingelegten Einspruch wies das FA am 16. Januar 1980 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung ist ebenfalls an die Klägerin adressiert.
Nach Klageerhebung änderte das FA die angefochtenen Bescheide und setzte die Lohnsummensteuer für die streitige Zeit vom 1. Juli 1976 bis 31. Dezember 1978 auf . . . DM fest. Die geänderten BescheiBescheide wurden Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die von der Klägerin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Das finanzgerichtliche Urteil bezeichnete als Kläger 1. Herrn X und 2. Herrn Y.
Das FA sei zur Schätzung berechtigt gewesen, weil die vorhandenen Aufzeichnungen nicht nach § 158 der Abgabenordnung (AO 1977) der Besteuerung hätten zugrunde gelegt werden können. Diese seien in formeller und rechnerischer Hinsicht zu beanstanden.
Es sei von den im Oktavheft ersichtlichen und vom Gesellschafter X eingetragenen Einfahrergebnissen auszugehen.
Die sich aus dem Oktavheft ergebenden Einfahrergebnisse von . . . DM für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1976, von . . . DM für 1977 und von . . . DM für 1978 seien auch realisierbar. Die Gesellschaft habe im Jahre 1976 . . Taxen und im Jahre 1977 und 1978 . . Taxen betrieben. Das ergebe eine tägliche Einnahme von etwas unter 200 DM pro Taxe. Derartige Ergebnisse seien auch unter Berücksichtigung gelegentlicher Ausfälle von Taxen oder Fahrern angesichts des Mehrschichtenbetriebs keinesfalls überhöht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der geänderten Bescheide vom 15. November 1982 die Lohnsummensteuer für die Zeit vom 1. Juli 1976 bis 31. Dezember 1978 entsprechend den Anmeldungen festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
Die Auslegung des finanzgerichtlichen Urteils ergibt, daß es gegen die GbR X und Y ergangen ist. Die Bezeichnung der Beteiligten (§ 105 Abs. 2 Nr. 1 FGO) enthält zwar keinen ausdrücklichen Hinweis auf die GbR. Namens der GbR ist aber die Klage erhoben worden. In Angelegenheiten der Lohnsummensteuer (§§ 23 f. des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung - GewStG -) war die GbR auch rechtsfähig und damit beteiligtenfähig (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). Den Gründen des finanzgerichtlichen Urteils ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß das FG insoweit eine andere Auffassung vertritt.
Die Revision ist vom Gesellschafter X für die Gesellschaft eingelegt worden. Sie ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Ob FA und FG dem Grunde nach zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Lohnsummensteuer (§ 23 GewStG; § 162 AO 1977) berechtigt waren, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden.
Das FG führt aus, daß die vorhandenen Aufzeichnungen und Anmeldungen in formeller und rechnerischer Hinsicht zu beanstanden seien und daher nicht gemäß § 158 AO 1977 der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnten. Das FG hat aber nicht festgestellt, welcher Art die Mängel sind.
Es stützt seine Schlußfolgerungen ferner vor allem auf den Inhalt des vorgefundenen Oktavheftes, was an sich auch nicht rechtsfehlerhaft ist. Angesichts der Einwände der Klägerin stellt das FG auch zu Recht die Frage, ob die Ergebnisse, wie sie sich aus den Aufzeichnungen im Oktavheft ergeben, im Betrieb der Klägerin auch eingefahren werden konnten.
Rechtsfehlerhaft ist aber die Schlußfolgerung, eine tägliche Einnahme von etwas unter 200 DM pro Taxe im gesamten streitigen Zeitraum habe bei der festgestellten Anzahl der Wagen und Fahrer eingefahren werden können. Das Gericht hat diese Schlußfolgerung nicht weiter begründet. Der Senat vermag sie nicht nachzuvollziehen. Dem FG ist damit ein Rechtsfehler unterlaufen, den der Senat auch ohne Rüge aufgreifen muß (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rdnr. 21). Aufgrund der Lebenserfahrung konnte das FG die Schlußfolgerung nicht treffen, denn einen allgemeinen Erfahrungssatz dieser Art gibt es nicht. Die Auskunft eines Sachverständigen hat das FG nicht eingeholt. Das wäre aber hier als Voraussetzung seiner Schlußfolgerung geboten gewesen.
Der Senat kann als Revisionsgericht die Auskunft eines Sachverständigen nicht selbst einholen (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Sache geht daher an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 416342 |
BFH/NV 1990, 6 |