Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Kaffee ist das Betriebsgrundstück in der Regel eine wesentliche Grundlage des Betriebes.
Ein Teilbetrieb wird nicht veräußert und auch nicht aufgegeben, wenn seine wesentlichen Grundlagen im übrigen Betriebsvermögen verbleiben.
Entnahmen können nicht durch eine Bilanzänderung auf einen Zeitpunkt vor dem Bilanzstichtag zurückbezogen werden.
Gehören zum Gewerbebetrieb eine Bäckerei, Konditorei, Gastwirtschaft und ein Kaffee und wird das Kaffee verpachtet, so kann das dem Kaffee dienende Grundstück nicht ins Privatvermögen überführt werden, wenn nach dem Pachtvertrag weiterhin enge Beziehungen zwischen dem Kaffee und dem übrigen Betriebsvermögen bestehen, so z. B. bei der Verpflichtung des Pächters, die Backwaren nur aus dem Betrieb des Verpächters zu beziehen.
Normenkette
AO § 243 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 2, §§ 16, 34/2
Tatbestand
Die Stpfl. eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft, betreibt eine Bäckerei, Konditorei und Gastwirtschaft. Bis März 1961 hat sie auch das Kaffee betrieben, das von dem anderen Betriebsgebäude durch ein dem Gesellschafter A gehörendes Gartengrundstück getrennt ist. Die Stpfl. verpachtete das Kaffee ab 1. April 1961 und veräußerte an den Pächter den Warenbestand und das Inventar des Kaffees 20 000 DM. Der auf das Inventar entfallende Veräußerungsgewinn betrug 17 351 DM. Das dem Kaffee dienende Grundstück wurde nicht ins Privatvermögen überführt.
Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1961 lehnte das FA die Feststellung eines steuerbegünstigten Veräußerungsgewinns von 17 351 DM ab. Nach seiner Ansicht ist in dem Verkauf des Warenbestandes und Inventars keine Veräußerung eines Teilbetriebes zu erblicken, da die Stpfl. das Grundstück als wesentliche Grundlage des Kaffees im Betriebsvermögen belassen hat. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das FG führte aus: Das Kaffee sei kein Teilbetrieb gewesen. Die Stpfl. habe in ihren Bilanzen den Gewinn des Kaffees nicht gesondert ermittelt. Der Betrieb hänge eng mit der Bäckerei zusammen, da die dort hergestellten Backwaren im Kaffee verkauft würden. Es bestünden auch enge Beziehungen zwischen dem Kaffee und der Gastwirtschaft. Die Berufung sei zudem auch dann nicht begründet, wenn man das Kaffee als Teilbetrieb ansehe. Wesentliche Grundlage des Kaffees sei das für diesen Zweck besonders ausgestattete Gebäude gewesen; das Gebäude habe die Stpfl. aber nicht mitveräußert. Die Stpfl. könne das Grundstück nicht mehr rückwirkend durch eine Bilanzänderung oder Bilanzberichtigung auf den 1. April 1961 dem Betriebsvermögen entnehmen. Die Entnahme sei ein tatsächlicher Vorgang, der zeitlich nicht rückbezogen werden könne.
Die Stpfl. rügt mit der Revision Verfahrensmängel und unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Sie meint, das FG habe die Feststellung, das Kaffee sei kein Teilbetrieb gewesen, auf Vermutungen gestützt, ohne den Sachverhalt näher aufzuklären. Da die Beteiligten bisher von der Annahme eines Teilbetriebes ausgegangen seien, hätte das FG sie auf die Möglichkeit einer Verböserung hinweisen müssen; sie hätte dann dem FG die Umstände vorgetragen, die das Bestehen eines Teilbetriebs bestätigt hätten. Das FG habe nicht zu ihrem Vorbringen Stellung genommen, daß sie in mehreren Besprechungen mit dem FA über eine Herausnahme des Betriebsgrundstücks durch eine Bilanzberichtigung zum 31. Dezember 1961 einig gewesen sei unter der Voraussetzung, daß die noch vom Sachverständigen festzustellende Höhe des Entnahmewertes die von ihr angestrebte steuerlich günstigste Lösung rechtfertige. Sie habe nur Berufung eingelegt, weil das Gutachten des Sachverständigen nicht rechtzeitig vorgelegen habe. Das FA habe gegen Treu und Glauben verstoßen, da es sich nach Erhalt des Gutachtens nicht an die Zusage gehalten habe. Das FG habe den Begriff der Bilanzänderung und Entnahmen im Sinne des § 4 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) falsch ausgelegt. Der Senat möge auch prüfen, ob § 4 Abs. 2 EStG verfassungsgemäß sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Gewinn aus der Veräußerung des Inventars kann nur dann ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG sein, wenn die Stpfl. mit dem Verkauf des Warenlagers und Inventars einen Teilbetrieb veräußert oder aufgegeben hat. Diese Voraussetzung hat das FG zu Recht verneint.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Kaffee ein Teilbetrieb gewesen ist. Die Veräußerung eines Teilbetriebes setzt jedenfalls voraus, daß die wesentlichen Grundlagen des Betriebes mit veräußert wurden. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Wie das FG ohne Rechtsverstoß festgestellt hat, war wesentliche Grundlage des Kaffees nicht der Warenbestand und das Inventar, sondern das im Betriebsvermögen der Stpfl. verbliebene Grundstück, auf dem das Kaffee betrieben wurde. An diese rechtlich einwandfreie Sachverhaltswürdigung ist der Senat gebunden. Die Feststellungen des FG entsprechen der Lebenserfahrung, da Umsatz und Gewinn eines Kaffees im allgemeinen maßgeblich von seiner Lage sowie durch den Zustand des Betriebsgebäudes und seiner Räume beeinflußt werden. Bei einem Kaffee ist dies noch mehr der Fall als bei vergleichbaren Fällen, in denen die Rechtsprechung das Betriebsgrundstück ebenfalls als wesentliche Grundlage des Betriebes angesehen hat (z. B. bei einer Buchhandlung - Urteil des RFH VI A 321/32 vom 19. Mai 1932, RStBl 1932, 1021 - oder bei einem Möbeleinzelhändler - Urteil des BFH IV 411/61 U vom 4. November 1965, BFH 84, 134, BStBl III 1966, 49 -).
Sollte das Kaffee ein Teilbetrieb gewesen sein, so hat die Stpfl. den Betrieb auch nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung des Warenbestands und des Inventars nach § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben. Eine Betriebsaufgabe würde voraussetzen, daß die Stpfl. im Jahre 1961 das Grundstück in das Privatvermögen des Gesellschafters A überführt hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Nach den zutreffenden Ausführungen des FG kann eine spätere Entnahme des Grundstücks nicht auf das Jahr 1961 zurückbezogen werden; denn die Entnahme ist ein tatsächlicher betrieblicher Vorgang, der ebenso wie andere Betriebsvorfälle in der Buchführung und Bilanz des Jahres auszuweisen ist, in dem er angefallen ist. Die Entnahmehandlung kann nicht dadurch mit Rückwirkung nachgeholt werden, daß die Bilanz erhebliche Zeit nach dem Bilanzstichtag geändert wird. Die Bilanz ist nicht unrichtig. Die Stpfl. will auch nicht lediglich den Wertansatz eines Bilanzpostens in einen anderen zulässigen Wertansatz ändern (RFH-Urteile VI 565/38 vom 14. September 1938, RStBl 1938, 1063 und VI A 855/29 vom 16. April 1930, RStBl 1930, 364; BFH-Urteil I 353/61 U vom 22. Juli 1964, BFH 80, 215, BStBl III 1964, 552). Im übrigen wäre die Entnahme des Grundstücks sogar rechtlich nicht möglich, da nach dem Pachtvertrag so enge Beziehungen zwischen dem Kaffee und den übrigen gewerblichen Tätigkeiten der Stpfl. bestehen, daß das Grundstück weiterhin als notwendiges Betriebsvermögen der Stpfl. anzusehen ist. So ist der Pächter nach § 5 des Vertrags verpflichtet, alle Backwaren von der Bäckerei der Stpfl. zu beziehen, wobei er die Backwaren einen Tag vor der Lieferung bei der Stpfl. bestellen und Nachbestellungen ggf. von der Bäckerei durch eigenes Personal abholen lassen muß. Er ist ferner verpflichtet, bei einem Umsatz von mehr als 80 000 DM neben der jährlichen Pacht von 6000 DM einen Pachtzins von 4 % des Mehrumsatzes zu entrichten und auf Verlangen der Stpfl. bei Beendigung des Pachtvertrages das Inventar zum Schätzwert zurückzugeben. Diese Vertragsbedingungen zeigen deutlich, daß die Stpfl. das Kaffee weder veräußert noch aufgegeben, sondern im Rahmen ihres übrigen Gewerbebetriebes verpachtet hat.
Unbegründet ist auch die Rüge der Stpfl., das FG hätte das Verhalten des FA als Verstoß gegen Treu und Glauben würdigen müssen. Das FG brauchte zu diesem Vorbringen der Stpfl. nicht näher Stellung zu nehmen, da aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht zu ersehen ist, daß die Besprechungen der Stpfl. mit dem FA über die Möglichkeit einer Bilanzänderung über das Stadium einer Erörterung hinausgegangen sind. Sollte das FA der Stpfl. jedoch eine entsprechende Zusage gegeben haben, so würde das FA hieran nach Treu und Glauben nur gebunden sein, wenn die Stpfl. auf Grund der Zusage wirtschaftliche Dispositionen getroffen hätte (vgl. z. B. BFH-Urteil II 87/60 U vom 18. Dezember 1963, BFH 78, 256, BStBl III 1964, 102, und die dort zitierte Rechtsprechung). Daß solche Dispositionen vorgenommen wurden, hat die Stpfl. jedoch nicht vorgetragen.
Die Rüge der Stpfl. schließlich, das FG habe ohne vorherige Mitteilung die Einspruchsentscheidung des FA verbösert, weil es das Bestehen eines Teilbetriebes verneint habe, kann ebenfalls nicht durchgreifen. Das FG hätte die Stpfl. auf die Möglichkeit einer anderen rechtlichen Beurteilung hinweisen müssen, wenn es die Einspruchsentscheidung zum Nachteil der Stpfl. geändert, d. h. wenn es einen höheren Gewinn oder einen geringeren steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn festgestellt hätte (§ 243 Abs. 3 AO a. F.). Das FG hat jedoch die Einspruchsentscheidung im vollen Umfang bestätigt. Sein Urteil beruht zwar teilweise auf anderen rechtlichen Erwägungen; hierin liegt aber keine Verböserung im Sinne des § 243 Abs. 3 AO a. F.
Zu der Frage, ob § 4 Abs. 2 EStG verfassungsgemäß ist, braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen, da diese Frage im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist.
Fundstellen
Haufe-Index 412627 |
BStBl III 1967, 724 |
BFHE 1967, 515 |
BFHE 89, 515 |
BB 1967, 1277 |
DB 1967, 1968 |
DStR 1967, 746 |