Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Setzt das Finanzamt im Wege der änderung des Steuerbescheids den nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn um einen bestimmten Betrag herab, so darf es diesen Vorgang in der Bilanz nicht in der Weise berücksichtigen, daß es einen pauschalen, das Kapital mindernden Ausgleichsposten in Höhe des Unterschiedsbetrags einsetzt. Vielmehr sind die einzelnen Posten der Bilanz, auf deren änderung die Herabsetzung des Gewinns beruht, entsprechend zu berichtigen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 6

 

Tatbestand

Der Ehemann der Bfin. betrieb seit 1. August 1948 als Einzelunternehmer und seit 1953 gemeinsam mit der Bfin. eine Agentur und eine Großhandlung mit Vieh und Fleisch. Während des Berufungsverfahrens starb er. Die Bfin. ist seine alleinige Erbin.

Im Jahre 1950 fand bei dem Ehemann der Bfin. eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer erkannte die Ergebnisse der Buchführung wegen festgestellter Mängel nicht als richtig und vollständig an und berichtigte sie für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 durch Teilschätzungen. Die Vermögensübersicht des Betriebsprüfers, die sich daraus ergab, wies zum 31. Dezember 1949 ein Schlußvermögen von 28 331,44 DM und einen Gewinn von 33 276,41 DM aus.

Diesen Feststellungen entsprechend veranlagte das Finanzamt den Ehemann der Bfin. für 1949.

Der Ehemann der Bfin. legte Einspruch ein, führte aber gleichwohl in der Bilanz zum 31. Dezember 1950, die der Einkommensteuererklärung für 1950 beigefügt war, ein Anfangskapital von 28 331,44 DM auf. Dies führte zu einem Gewinn für 1950 von 14 687,72 DM, den das Finanzamt in den Einkommensteuerbescheid vom 25. März 1952 übernahm.

Inzwischen hatten Verhandlungen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über den Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 stattgefunden. Am 19. März 1952 hatte sich der Steuerpflichtige auf Grund einer Besprechung vom selben Tage "um die Angelegenheit zum Abschluß zu bringen" mit einem auf 27 000 DM festgesetzten Gewerbegewinn für 1949 einverstanden erklärt und seine Einsprüche zurückgezogen.

Daraufhin erließ das Finanzamt am 4. April 1952 einen Bescheid nach § 94 AO, in den es für 1949 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 27 000 DM einsetzte.

Im Dezember 1956 wurde bei dem Steuerpflichtigen eine weitere Betriebsprüfung durchgeführt, die die Jahre 1950 bis 1955 betraf.

Der Prüfer erhöhte den Gewinn für 1950 von 14 687,72 DM um 7 617,72 DM auf 22 305,44 DM, indem er

die Wertberichtigung zu Forderungen um 3 000 DM kürzte,

eine über Unkosten gebuchte Ordnungsstrafe von 112 DM nicht als Betriebsausgabe anerkannte,

die Gewerbesteuerrückstellung wegen des Mehrgewinns um 1 110 DM erhöhte,

eine Umsatzsteuerrückstellung von 32 DM bildete und

zum 31. Dezember 1949 - und damit auch in die Anfangsbilanz zum 1. Januar 1950 - einen Passivposten "steuerliche Ausgleichsreserve" in Höhe von 5 647,72 DM ansetzte, weil der Veranlagung für 1949 wegen der im Verhandlungsweg erreichten Herabsetzung des Gewinns auf 27 000 DM ein um 5 647,72 DM niedrigeres Schlußvermögen zugrunde gelegen habe.

Um diesen letzten Posten geht der Streit. Der Prüfer ermittelte die Höhe des Betrages von 5 647,72 DM, indem er von dem Unterschied zwischen dem damaligen, von der Betriebsprüfung ermittelten Gewinn von 33 276 DM und dem der Veranlagung zugrunde gelegten Gewinn von 27 000 DM = 6 276 DM die bei der Besprechung vom 30. August 1951 vom Finanzamt anerkannte Minderung der Entnahmen von 10 000 DM auf 9 371,72 DM = 628,28 DM ausschied. Dann schrieb er:

"Da aus den Verhandlungsniederschriften nicht ersichtlich ist, welche Wertansätze des Prüfers berichtigt sind, ist in der Bilanz per 31. Dezember 1949 eine steuerliche Ausgleichsreserve von 5 647,72 DM anzusetzen".

Zum 31. Dezember 1950 löste der Prüfer diese "steuerliche Ausgleichsreserve" gewinnerhöhend auf.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und berichtigte den Einkommensteuerbescheid vom 25. März 1952 für das Jahr 1950.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, durch die Betriebsprüfung vom Jahre 1956 seien dem Finanzamt neue Tatsachen von einigem Gewicht bekanntgeworden, die es rechtfertigten, den gesamten Steuerfall des Jahres 1950 wieder aufzurollen. Im Rahmen der Berichtigungsveranlagung sei es dem Finanzamt nach Treu und Glauben nicht verwehrt gewesen, die Verminderung des Betriebsvermögens am 31. Dezember 1949 zu berücksichtigen und den Bilanzzusammenhang wieder herzustellen.

Mit der Rb. wird gerügt, die Betriebsprüfung habe für 1950 nur geringfügige Beanstandungen ergeben.

Das Finanzamt habe die Möglichkeit und die Pflicht gehabt, schon bei der Veranlagung 1950 die Ergebnisse der berichtigten Veranlagung für 1949 heranzuziehen. Der Ehemann der Bfin. habe sich daher darauf verlassen, daß es bei dem Bescheid vom 25. März 1952 verbleiben werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Steuerpflichtigen ist im wesentlichen begründet.

Ohne Erfolg wendet sich die Bfin. allerdings gegen die Zulässigkeit der vom Finanzamt durchgeführten Berichtigung des Einkommensteuerbescheids vom 25. März 1952. Die Betriebsprüfung im Jahre 1956 hat, wie das Finanzgericht zutreffend dargelegt hat, auch ohne Berücksichtigung des Postens "steuerliche Ausgleichsreserve" neue Tatsachen von nicht unerheblichem Gewicht aufgedeckt. Dies führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dazu, daß der ganze Steuerfall neu aufgerollt wird (ß 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO; Urteile des Bundesfinanzhofs I 95, 110/60 S vom 5. Juni 1962, BStBl 1963 III S. 100, Slg. Bd. 76 S. 282; I 54/64 S vom 16. März 1965, BStBl 1965 III S. 388; III 143/61 U vom 21. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 437, Slg. Bd. 79 S. 562; VI 299/63 U vom 10. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 587, Slg. Bd. 80 S. 314). Das Finanzamt darf dabei auch Fehler, die ihm bei der ursprünglichen Veranlagung unterlaufen sind, berichtigen. Besondere Umstände, die einen Verstoß gegen Treu und Glauben begründen könnten, etwa eine bindende Zusage des Finanzamts, liegen nicht vor.

Die Berichtigungsveranlagung für 1950 leidet aber an sachlichen Mängeln.

Der Posten "steuerliche Ausgleichsreserve", den der Betriebsprüfer in die Schlußbilanz des Jahres 1949 und in die Anfangsbilanz des Jahres 1950 eingesetzt hat, war in dieser Form unzulässig. Er verstieß gegen den in § 6 Abs. 1 EStG enthaltenen Grundsatz der Einzelbewertung. Der Posten bezieht sich auf keinen bestimmten Gegenstand des Betriebsvermögens. Sein Inhalt ist unklar. Er konnte Wertberichtigungen zu Besitzposten oder aber zusätzliche Schuldposten enthalten. Offenbar sollte er eine pauschale Wertberichtigung zum Reinvermögen des Steuerpflichtigen darstellen. Es liegt auf der Hand, daß ein derartiger Posten mit dem Grundsatz der Einzelbewertung unvereinbar ist.

Das Finanzamt selbst hat bei der Berichtigung des Steuerbescheids für 1949 am 4. April 1952 die Vermögensübersicht des damaligen Betriebsprüfers nicht geändert, sondern der Veranlagung den ermäßigten Gewinn von 27 000 DM zugrunde gelegt, ohne im einzelnen anzugeben, ob und wieweit diese Herabsetzung des Gewinns auf einer Veränderung von Posten der Vermögensübersicht beruht. Damit hat es den Boden der Vermögensübersicht des Betriebsprüfers verlassen. Die Berichtigungsveranlagung mit dem gewerblichen Gewinn von 27 000 DM kann nicht mehr als auf der Prüferbilanz beruhend angesehen werden.

Das Finanzamt ist daher nunmehr bei der Ermittlung des Anfangsvermögens für 1950 an die Prüferbilanz vom 31. Dezember 1949 nicht gebunden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 136/60 S vom 27. März 1962, BStBl 1962 III S. 273, Slg. Bd. 75 S. 10). Es darf aber, wenn es mangels anderer Anhaltspunkte von den Zahlen dieser Bilanz ausgehen will, die Ermäßigung des Gewinns für 1949 auf 27 000 DM nicht in der Weise berücksichtigen, daß es der Betriebsprüfung im Jahre 1956 folgend eine "steuerliche Ausgleichsreserve" von 5 647,72 DM einsetzt. Denn dieser Posten ist, wie ausgeführt, unzulässig. Das Finanzamt muß vielmehr ermitteln, auf welcher Veränderung der Vermögensübersicht des damaligen Betriebsprüfers die Herabsetzung des Gewinns auf 27 000 DM beruht. Dieser Veränderung entsprechend sind die betreffenden Posten der Prüferbilanz zum 31. Dezember 1949 zu berichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411710

BStBl III 1965, 581

BFHE 1966, 222

BFHE 83, 222

BB 1965, 1100

DB 1965, 1425

DStR 1965, 665

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