Leitsatz (amtlich)
Zur Frage unter welchen Voraussetzungen eine Genossenschaft den durch eine Berichtigungsveranlagung erhöhten Gewinn nach Angleichung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz durch nachträgliche Beschlußfassung als abzugsfähige Warenrückvergütung ausschütten darf.
Zum Begriff des überschusses im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 3 KStDV 1950.
Normenkette
KStDV § 36
Tatbestand
Streitig ist, ob und in welcher Höhe die von der Beschwerdeführerin (Bfin.) , einer steuerpflichtigen Molkereigenossenschaft, für das Wirtschaftsjahr 1950 ausgeschüttete Warenrückvergütung von 11.943 DM den steuerlichen Gewinn mindert. Die Bfin. wurde für 1950 ihrer Erklärung entsprechend nach einem Bilanzverlust von 4.626 DM und einem Einkommen von 230 DM vorläufig zur Körperschaftsteuer veranlagt. Bei einer Betriebsprüfung stellte sich u. a. heraus, daß die Bfin. in ihrer Bilanz vom 31. Dezember 1949 die im Inventarverzeichnis mit 25.867 DM errechnete Absetzung für Abnutzung (AfA) auf Maschinen und maschinelle Anlagen um 11.000 DM gekürzt und die auf den 31. Dezember 1950 errechnete AfA von 11.889 DM um den gleichen Betrag erhöht hatte. Für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 wurde die Körperschaftsteuer pauschaliert. Bei der Gewinnermittlung für 1950 erkannte das Finanzamt die Erhöhung der AfA um 11.000 DM nicht an und ermittelte - dem Betriebsprüfungsbericht folgend - in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1950 einen Gewinn von 12.310 DM, der unter Berücksichtigung der nicht abzugsfähigen Ausgaben und einer nicht streitigen Zuschätzung von 200 DM zu einem Einkommen von 17.366 DM führte.
Nach Durchführung der Veranlagung 1950 erklärte die Bfin. in ihrer Generalversammlung Ende 1953 u. a. auch ihre Bilanzen zum 31. Dezember 1949 und 1950 für unwirksam, glich ihre gleichzeitig genehmigten Handelsbilanzen zum 31. Dezember 1949 und 1950 den Steuerbilanzen an und beschloß für 1950 die Ausschüttung der oben bezeichneten Warenrückvergütung von 11.943 DM. Auf diese Weise ergab sich in ihrer Handelsbilanz zum 31. Dezember 1950 ein Gewinn von 12.310 DM - 11.943 DM = 367 DM.
Das Finanzamt lehnte die Abzugsfähigkeit für 1950 ab. Das Finanzgericht stimmte dem Finanzamt im wesentlichen zu und gab der Sprungberufung der Bfin. nur insoweit statt, als es die den Betrag von 11.000 DM übersteigende Warenrückvergütung von 943 DM zum Abzug zuließ. Das Finanzgericht ging davon aus, daß die Kürzung der AfA für 1949 um 11.000 DM und die entsprechende Erhöhung der AfA für 1950 willkürlich gewesen und dem Finanzamt erst durch die Betriebsprüfung bekannt geworden seien. Selbst wenn die Behauptung der Bfin. , sie habe bei der Beschlußfassung über die Bilanz zum 31. Dezember 1950 keine AfA für 1949, die auch in Höhe des gekürzten Betrages ausreichend gewesen sei, nachholen, sondern die AfA für 1950 erhöhen wollen, um den Anschluß an das Inventarverzeichnis zu erreichen, richtig wäre, so entbehre dieses Verfahren doch der Rechtsgrundlage, was die Bfin. auch nicht bestreite. Die Bfin. müsse sich nach Treu und Glauben an ihrer früheren Entscheidung hinsichtlich der Nichtausschüttung der 11.000 DM auch nach Durchführung der Betriebsprüfung und änderung ihrer Handelsbilanzen festhalten lassen. In Höhe von 11.000 DM dürfe sie deshalb über den in der berichtigten Bilanz 1950 ausgewiesenen Gewinn nicht durch Ausschüttung einer nachträglichen Warenrückvergütung verfügen. Von der im Urteil des Bundesfinanzhofs I 38/53 U vom 25. August 1953 (Slg. Bd. 58 S. 320, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 36) eingeräumten Möglichkeit, die schon genehmigte Handelsbilanz der Prüfungsbilanz anzupassen und den sich dann ergebenden Mehrgewinn nachträglich als Warenrückvergütung auszuschütten, dürfe die Bfin. insoweit, als sie ihr Recht auf Ausschüttung verwirkt habe, nicht Gebrauch machen.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) ist streitig, wie der Betrag, in dessen Höhe die Bfin. durch ihre sachlich nicht gerechtfertigte Gewinnverlagerung vom Wirtschaftsjahr 1950 in das Wirtschaftsjahr 1949 das Recht auf eine nachträgliche Ausschüttung einer Warenrückvergütung verwirkt hat, im einzelnen zu berechnen ist. Die Bfin. wendet sich dagegen, daß der Betrag von 11.000 DM, über den sie nach Ansicht des Finanzgerichts durch Ausschüttung einer Warenrückvergütung nicht mehr verfügen dürfe, von der Warenrückvergütung abgesetzt werde. Sie hätte bei Zugrundelegung ihrer ursprünglichen Bilanz zum 31. Dezember 1950 ohne die Erhöhung der AfA um 11.000 DM ein Einkommen von 11.230 DM ausweisen müssen. Da sie für 1950 nach einem Einkommen von 17.360 DM veranlagt sei, könne sie in Höhe des Unterschieds von 17.360 DM zu 11.230 DM 6.130 DM über den steuerlichen Mehrgewinn durch Ausschüttung einer nachträglichen Warenrückvergütung verfügen. Es ergebe sich dann für 1950 ein steuerpflichtiges Einkommen von 17.360 DM - 6.130 DM 11.230 DM, das der Besteuerung zugrunde gelegt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Wie der Senat im Urteil I 38/53 U ausgeführt hat, ist die durch eine Berichtigungsveranlagung veranlaßte nachträgliche Ausschüttung einer Warenrückvergütung steuerlich dann anzuerkennen, wenn die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegenstehen. Führt eine Berichtigungsveranlagung zu einer Erhöhung des Steuerbilanzgewinns und gleicht die Genossenschaft ihre Handelsbilanz der Steuerbilanz an, so ist sie an ihren früheren Beschluß über die Ausschüttung oder Nichtausschüttung einer Warenrückvergütung jedenfalls insoweit gebunden, als sie offene oder später aufgedeckte stille Rücklagen gebildet und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß sie einen bestimmten Teil des Jahresergebnisses nicht ausschütten wolle. An diese Entschließung ist sie nach Treu und Glauben gebunden. Die gleichen Grundsätze gelten auch dann, wenn die spätere Erhöhung des Steuerbilanzgewinns auf einer Beurteilung der Sach- und Rechtslage beruht, deren Richtigkeit die Genossenschaft bei sorgfältiger Prüfung schon zur Zeit der Beschlußfassung über die ursprüngliche Handelsbilanz unschwer hätte erkennen können.
Das Finanzgericht setzt den verwirkten Betrag dem Betrag gleich, in dessen Höhe die Bfin. bei der Aufstellung der ursprünglichen Bilanz zum 31. Dezember 1950 bewußt eine steuerlich nicht zulässige stille Rücklage gelegt hat. Diese Berechnung ist nicht zutreffend, weil die Bfin. durch ihre ursprüngliche Beschlußfassung über den überschuß insoweit verfügte, als sie ihn zur Bildung von offenen oder stillen Rücklagen verwandte. Wenn der Senat bei dieser Berechnung des endgültig verfügten überschusses, der im Wege einer Warenrückvergütung nicht mehr ausgeschüttet werden darf, die sonstigen Gewinnerhöhungen, die z. B. auf der änderung der Wertansätze für die bebauten Grundstücke und für die Maschinen beruhen, nicht berücksichtigt, so geht er davon aus, daß insoweit Meinungsverschiedenheiten sachlich verständlich und möglich waren. Berücksichtigt man dementsprechend nur die Gewinnverlagerung in Höhe von 11.000 DM, so muß der Betrag als überschuß i. S. des § 36 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1950 berechnet werden, der sich ergeben hätte, wenn diese Gewinnverlagerung von Anfang an nicht vorgenommen worden wäre. In Höhe dieses überschusses ist die Ausschüttung einer Warenrückvergütung verwirkt. Der verwirkte Betrag ist dann von dem sich aus der endgültigen Bilanz vom 31. Dezember 1950 ergebenden überschuß und der nicht streitigen Zusetzung von 200 DM abzusetzen. Der sich so ergebende Unterschiedsbetrag darf höchstens in Höhe von 86,2 v. H. - Anteil des Mitgliedergeschäfts am Gesamtumsatz - das von dem Finanzamt veranlagte Einkommen mindern.
Die von der Bfin. vorgenommene Berechnung des verwirkten Betrages und der abzugsfähigen Warenrückvergütung an Mitglieder geht von der unrichtigen Auffassung aus, daß der überschuß i. S. des § 36 Abs. 2 Satz 3 KStDV 1950 nicht der Steuerbilanzgewinn sondern das Einkommen sei. Sie stützt sich dabei offenbar auf Abschn. 79 Abs. 5 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1950, wonach zur Ermittlung des überschusses vom steuerlichen Gewinn, also dem Steuerbilanzgewinn einschließlich der nicht abzugsfähigen Ausgaben, ausgegangen werden soll. Diese Bestimmung war erstmals in die KStR 1950 aufgenommen worden und findet sich seitdem in allen KStR (vgl. Abschn. 65 Abs. 7 KStR 1955).
Diese Begriffsbestimmung des überschusses i. S. des § 36 Abs. 2 Satz 3 KStDV 1950 ist nicht zutreffend. Wie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 226/55 U vom 25. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 443, BStBl 1956 III S. 367) ausgeführt ist, dient § 36 Abs. 2 Satz 3 KStDV 1950 dazu, auf möglichst einfache Art und Weise den Betrag zu ermitteln, der im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden ist. Diese Vorschrift kann aber dann nicht angewendet werden, wenn die Aufteilung des überschusses im Verhältnis der Umsätze zu einem offenbar falschen Ergebnis führt. Aus der Unterordnung des § 36 Abs. 2 Satz 3 KStDV 1950 unter den beherrschenden Grundsatz des Satzes 2 folgt, daß der Begriff des überschusses so ausgelegt werden muß, daß die Aufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze dem im Mitgliedergeschäft tatsächlich erwirtschafteten Betrag möglichst nahe kommt. Das ist nicht der Fall, wenn in dem überschuß die nicht abzugsfähigen Ausgaben enthalten sind. Denn durch die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit von Ausgaben wird ihre Eigenschaft als handelsrechtliche den Gewinn mindernde Betriebsausgaben grundsätzlich nicht berührt. Ihre Hinzurechnung bei der Berechnung des überschusses führt dazu, daß der im Mitgliedergeschäft erwirtschaftete Ertrag als Teil eines Betrages errechnet wird, der um Betriebsausgaben erhöht ist und für die Ausschüttung als Warenrückvergütung nicht in Betracht kommt. Das ist nicht zutreffend. Als überschuß ist der Betrag anzusehen, der höchstens als Warenrückvergütung ausgeschüttet werden kann. Da die Warenrückvergütung eine dem Genossenschaftsrecht eigentümliche Art der Erstattung bestimmter überschüsse an die Genossen ist, muß dieser Betrag um die nicht abzugsfähigen Ausgaben vermindert sein; es müssen sich bei der Berechnung die nicht abzugsfähigen Ausgaben als Betriebsausgaben ausgewirkt haben.
Bei dieser Berechnung des überschusses ist eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen nicht abzugsfähigen Ausgaben, die handelsrechtlich Betriebsausgaben darstellen, grundsätzlich nicht möglich. Die Rückstellung für nicht abzugsfähige Ausgaben in der Jahresschlußbilanz mindert den zur Ausschüttung von Warenrückvergütungen zur Verfügung stehenden überschuß. Die Aktivierung von Forderungen, die sich aus der überzahlung nicht abzugsfähiger Ausgaben oder Abgaben ergeben können, erhöht den überschuß.
Es ist der Bfin. zuzugeben, daß Schwierigkeiten bestehen, diese Grundsätze auch auf die nicht abzugsfähigen gewinnabhängigen Steuern, insbesondere die Körperschaftsteuer, anzuwenden. Die das Wirtschaftsjahr belastende Körperschaftsteuer beruht ganz oder zum Teil auf dem im Nichtmitgliedergeschäft erwirtschafteten Ertrag und es erscheint deshalb nicht gerechtfertigt, insoweit den an Mitglieder ausgeschütteten und zu keiner Körperschaftsteuer führenden Ertragsanteil anteilig mit Körperschaftsteuer zu belasten. Es kommt noch hinzu, daß eine genaue Berechnung der das Wirtschaftsjahr belastenden Körperschaftsteuer und des entsprechenden Aktiv- und Passivpostens in der für die Berechnung des überschusses maßgebenden Bilanz deshalb nicht möglich ist, weil von diesem Passivposten wieder die Berechnung des überschusses und damit der Betrag der abzugsfähigen Warenrückvergütung an Mitglieder und die Höhe des für die Berechnung der Körperschaftsteuer maßgebenden Gewinns abhängen.
Der Senat trägt mit Rücksicht darauf, daß es sich im Ergebnis um Schätzungen handelt, keine Bedenken dagegen, daß die Genossenschaft den bezeichneten Schwierigkeiten dadurch begegnet, daß sie in allen Jahren für die Berechnung des überschusses eine Abgrenzung der das Wirtschaftsjahr belastenden Körperschaftsteuer unterläßt und jedes Wirtschaftsjahr nur mit der Körperschaftsteuer belastet, die im Laufe des Jahres tatsächlich gezahlt worden ist. Der Genossenschaft wird es allerdings nicht verwehrt werden können, die das Wirtschaftsjahr belastende Körperschaftsteuer jeweils so genau wie möglich zu schätzen und in den Jahresschlußbilanzen vor Berechnung des überschusses abzugrenzen.
Grundsätzlich ist daran festzuhalten, daß die Körperschaftsteuer wie jede andere nicht abzugsfähige oder abzugsfähige Ausgabe den überschuß vor seiner Aufteilung auf das Mitglieder- und das Nichtmitgliedergeschäft mindert und sich auf diese Weise umsatzanteilig auf die im Mitglieder- und Nichtmitgliedergeschäft erwirtschafteten Teile des überschusses auswirkt. Nur in Ausnahmefällen, in denen die gezahlte oder dem Wirtschaftsjahr zugerechnete Körperschaftsteuer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Erträge des Mitglieder- oder des Nichtmitgliedergeschäfts offenbar in einem wesentlich anderen Verhältnis als dem Umsatzverhältnis belastet, kann die Körperschaftsteuer im Schätzungswege auf die beiden Ertragsteile aufgeteilt und erst nach der Umsatzaufteilung des durch die Körperschaftsteuer noch nicht geminderten überschusses anteilig bei den auf das Mitglieder- und das Nichtmitgliedergeschäft entfallenden Teilen des überschusses abgesetzt werden.
Im übrigen muß es der Verwaltung oder dem Verordnungsgeber überlassen bleiben, die sich für die Praxis ergebenden Berechnungsschwierigkeiten durch Richtlinien zur Schätzung der das Wirtschaftsjahr belastenden Körperschaftsteuer oder durch eine Definition des Begriffs des überschusses in der KStDV auszuräumen.
Soweit Lastenausgleichsabgaben zu den nicht abzugsfähigen Ausgaben gehören, sind sie ebenso wie andere nicht abzugsfähige Ausgaben zu behandeln. Hat die Genossenschaft diese Lastenausgleichsabgaben in der Handelsbilanz nicht passiviert, so hat sie damit zum Ausdruck gebracht, daß sie sie als laufende Betriebsausgaben ansieht, die den überschuß mindern, der zur Ausschüttung von Warenrückvergütungen zur Verfügung steht.
Der Senat hält es für vertretbar, daß bei der Berechnung des überschusses zugunsten der Genossenschaft nicht von dem Gewinn der Handelsbilanz sondern von dem Gewinn der Steuerbilanz ausgegangen wird, weil es sich bei der Berechnung des überschusses um die Ermittlung einer steuerlich abzugsfähigen Betriebsausgabe handelt und der Steuerbilanzgewinn in der Regel dem tatsächlichen Jahresertrag näher kommt als der weitgehend beeinflußbare Gewinn der Handelsbilanz. Es muß aber in den einzelnen Jahren gleichmäßig verfahren werden.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zur Entscheidung in Einspruchsverfahren zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408758 |
BStBl III 1957, 219 |
BFHE 1957, 586 |
BFHE 64, 586 |
BB 1957, 636 |
DB 1957, 595 |