Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Erschließungskosten als Entgelt für die Bestellung eines Erbbaurechts
Leitsatz (NV)
Erschließungskosten eines Grundstücks, die der Erwerber eines Erbbaurechts gegenüber dem Grundstückseigentümer für die Bestellung des Erbbaurechts übernimmt, stellen Anschaffungskosten des Erbbaurechts und kein zusätzliches Nutzungsentgelt dar.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 3; HGB § 255 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1996, 914) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, schlossen im Februar 1990 mit der Stadt M (Stadt) einen Erbbaurechtsvertrag, durch den die Stadt den Klägern das Erbbaurecht an einem im Eigentum der Stadt stehenden Baugrundstück bestellte. Die Stadt verpflichtete sich, die Erschließungs- und Anliegerbeiträge für die erstmalige Erschließung zu übernehmen. In Abschnitt IV des Vertrags wurde unter "Entgelt/Erbbauzins" folgende Regelung getroffen:
"(1) Für die Bestellung des Erbbaurechts verpflichtet sich der Erbbauberechtigte, an die Grundstückseigentümerin neben der nachfolgend aufgeführten Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses einen einmaligen Betrag von … DM … zu entrichten. … In diesem Betrag sind die … Erschließungs- und Anliegerbeiträge enthalten, die aus Anlaß der erstmaligen Herstellung anfallen. …"
Die Kläger entrichteten im Streitjahr (1990) den vereinbarten Betrag und erstellten auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit drei Wohnungen, von denen 1990 zwei fertiggestellt wurden. Die eine dieser beiden Wohnungen wurde von den Klägern seit November 1990 zu eigenen Wohnzwecken genutzt; auf diese Wohnung entfällt 35,8 v.H. der gesamten Wohnfläche. Die andere im Jahre 1990 fertiggestellte Wohnung wurde vermietet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr durch (geänderten) Einkommensteuerbescheid vom 20. Juli 1992 fest. Das FA behandelte dabei den von den Klägern gezahlten Einmalbetrag als Anschaffungskosten des Erbbaurechts, die auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen seien, wobei sich der auf die selbstgenutzte Wohnung entfallende Teil nur insoweit steuerlich auswirke, als er auf die Zeit vor der erstmaligen Selbstnutzung entfalle.
Einspruch und Klage, mit denen die Kläger begehrten, den an die Stadt gezahlten Betrag im Streitjahr in voller Höhe zum Abzug zuzulassen, hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 914 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Steuerbescheids vom 20. Juli 1992 und der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 1993 den von den Klägern gezahlten Einmalbetrag bei der Einkommensteuer 1990 zu 35,8 v.H. als Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und zu 64,2 v.H. als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zutreffend entschieden, daß der von den Klägern an die Stadt gezahlte Betrag nicht in voller Höhe im Streitjahr abgezogen werden kann.
1. Die Frage nach der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterschiedlich beurteilt worden:
Während ursprünglich ―im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung― solche Erschließungskosten zu den Anschaffungskosten des Erbbauberechtigten für das Erbbaurecht gerechnet worden sind, die im Wege der Absetzung für Abnutzung auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 1967 VI 295/65, BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417), wird in der Übernahme von Erschließungskosten bei bilanzierenden Erbbauberechtigten ein zusätzliches Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks durch den Erbbauverpflichteten gesehen, das in der Bilanz des Erbbauberechtigten als aktiver, in derjenigen des Erbbauverpflichteten als passiver Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und jeweils auf die Dauer des Erbbaurechts zu verteilen ist (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398; vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407; vom 19. Oktober 1993 VIII R 87/91, BFHE 172, 376, BStBl II 1994, 109). Nach dieser Rechtsprechung ist es gleichgültig, ob der Erbbauberechtigte die Erschließungskosten unmittelbar trägt oder sie dem Grundstückseigentümer erstattet (BFH-Urteil in BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407).
Der erkennende Senat hat es bislang ausdrücklich offengelassen, inwieweit die zu den Gewinneinkünften entwickelten Grundsätze auf die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung übertragbar sind (Senatsurteile vom 23. November 1993 IX R 84/92, BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292; vom 23. November 1993 IX R 142/89, BFH/NV 1994, 314; vom 21. November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310); die Anwendung der für die bilanzierenden Erbbauberechtigten geltenden Rechtsprechung im Bereich der Überschußeinkünfte sei deshalb zweifelhaft, weil bei den Überschußeinkünften nicht die Möglichkeit bestehe, ein Nutzungsentgelt auf die Laufzeit des Nutzungsrechts zu verteilen (Senatsurteil vom 23. April 1991 IX R 86/89, BFHE 164, 275, BStBl II 1991, 712).
Auch im Streitfall bedarf die Frage nach der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten keiner abschließenden Beurteilung; denn die strittigen Aufwendungen stellen nach der den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Würdigung des FG bereits aus anderen Gründen Anschaffungskosten des von den Klägern erworbenen Erbbaurechts dar.
a) Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Hierzu zählt insbesondere der Anschaffungspreis. Entsprechend hat der BFH eine an den bisherigen Erbbauberechtigten geleistete Zahlung für die Übertragung eines (bereits bestehenden) Erbbaurechts ―eines Vermögensgegenstands im Sinne des Handelsrechts und eines Wirtschaftsguts i.S. des §§ 4 ff. EStG (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 X R 136/87, BFHE 165, 349, BStBl II 1992, 70)― beim Erwerber als Anschaffungskosten des Erbbaurechts und nicht als zusätzliches Nutzungsentgelt beurteilt (Senatsurteil in BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292; BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 X R 126/93, BFHE 175, 120, BStBl II 1995, 109, m.w.N.). Dieselben Grundsätze haben dann zu gelten, wenn bei der erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechts der Erwerber als Entgelt für die Bestellung des Erbbaurechts gegenüber dem Grundstückseigentümer Erschließungskosten übernimmt. Denn auch hier handelt es sich bei der Zahlung nicht um ein vorweggenommenes oder zusätzliches Nutzungsentgelt, sondern um den Anschaffungspreis für die Erlangung des dinglichen Rechts, gleichviel ob das der Erbbaurechtsbestellung zugrundeliegende schuldrechtliche Geschäft einen Rechtskauf oder einen kaufähnlichen Vertrag darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1983 IV R 158/80, BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413, 416).
b) Das FG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Kläger den Betrag von … DM an die Stadt als Entgelt für die Bestellung des Erbbaurechts geleistet haben. Das FG hat insoweit den eindeutigen Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung gewürdigt, wonach sich die Kläger verpflichtet haben, neben der Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses "für die Bestellung des Erbbaurechts" einen einmaligen Betrag von … DM zu entrichten. Der Senat ist an diese Würdigung, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Danach scheidet ein Zusammenhang zwischen der Zahlung des Einmalbetrags und dem zu der Stadt als Grundstückseigentümerin begründeten Nutzungsverhältnis aus. Die übernommenen Erschließungskosten stellen kein zusätzliches Nutzungsentgelt dar, sondern wurden vom FG zu Recht als Anschaffungskosten des Erbbaurechts beurteilt.
Fundstellen
Haufe-Index 424825 |
BFH/NV 2000, 558 |
DStRE 2000, 397 |
HFR 2000, 415 |