Leitsatz (amtlich)
In Kostenerlaßsachen waren jedenfalls dann Berufung und Rechtsbeschwerde zulässig, wenn der Erlaß nicht vom Gericht (ß 319 Abs. 2 Nr. 1 AO a. F.), sondern von den Verwaltungsbehörden (ß 319 Abs. 2 Nr. 2 AO a. F.) abgelehnt worden war.
Normenkette
AO §§ 237, 230, 319, 253
Streitjahr(e)
1951, 1952, 1953, 1954, 1955
Tatbestand
Zu entscheiden ist über einen Antrag auf Erlaß der Kosten für Einspruch und Berufung gegen die Einkommensteuerveranlagungen 1951 bis 1955.
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) wurde in den nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1957 ergangenen Berichtigungsbescheiden für die Jahre 1951 bis 1955 mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Gegen diese berichtigten Einkommensteuerbescheide wandte er sich mit Einspruch und Berufung. Er begehrte getrennte Veranlagungen und trug vor, seine Ehefrau sei in der Praxis als medizinisch-technische Assistentin tätig und führe die Bücher. Sie wirke maßgeblich bei der Erzielung der Einkünfte mit. Es bestehe eine Innengesellschaft ohne Vertrag. Der Einspruch blieb ohne Erfolg, die Berufung nahm der Stpfl. zurück. Das Finanzamt - FA - setzte daraufhin die Kosten für Einspruch und Berufung auf 242,55 DM fest.
Der Stpfl. beantragte beim FA, die Kosten zu erlassen. Er begründete seinen Antrag damit, daß das Problem der Ehegattenbesteuerung noch nicht geklärt und ein Normenkontrollverfahren wegen des § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG anhängig gewesen sei, als er Einspruch und Berufung eingelegt habe. Erst das Gutachten des Bundesfinanzhofs (BFH) VI D 1/58 S vom 18. Februar 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 5 - BFH 69, 5 - BStBl III 1959 263) habe eine vorläufige Klärung gebracht und ihn zur Zurücknahme der Berufung veranlaßt. Er bitte um Kostenerlaß nach § 319 AO a. F., da ihm aus der ungeklärten Rechtslage kein finanzieller Nachteil entstehen dürfe.
Der Antrag, die Beschwerde bei der Oberfinanzdirektion (OFD) und die Berufung blieben erfolglos. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Stpfl. Verletzung des § 319 Abs. 1 AO a. F. verbunden mit § 2 StAnpG.
Entscheidungsgründe
Die am 12. Juli 1962 eingelegte Rb. war nach Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Frage der Zulässigkeit der Revision ist nach den bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Bestimmungen der AO zu beurteilen (ß 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Nach § 319 Abs. 2 Nr. 2 AO a. F. hatte - wie geschehen - über einen Kostenerlaß der Vorsteher des FA zu befinden, da die Berufung zurückgenommen worden war. Gegen den Bescheid des FA war die hier auch vom Stpfl. eingelegte Beschwerde an die OFD gegeben (ßß 237 Abs. 1, 303 AO a. F.), gegen die Beschwerdeentscheidung die Berufung an das Finanzgericht (FG), gegen dessen Entscheidung die Rb. an den BFH (ß 237 Abs. 2 AO a. F.).
Der VI. Senat des BFH nahm allerdings in dem Urteil VI 106/63 S vom 13. März 1964 (BFH 79, 233, BStBl III 1964, 316) - in Abweichung von dem Urteil des VII. Senats VII 172/58 U vom 22. März 1961 (BFH 72, 669, BStBl III 1961, 244) - an, Entscheidungen der Finanzgerichte in Kostenerlaßverfahren könnten nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Diesem Urteil lag jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde, so daß der erkennende Senat nicht an den im Rechtssatz des Urteils aufgestellten Grundsatz gebunden ist, dem er jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen vermag. In dem vom VI. Senat entschiedenen Falle war vom Gericht über die Berufung entschieden worden. Für den Kostenerlaß war daher nicht der Vorsteher des FA (ß 319 Abs. 2 Nr. 2 AO a. F.), sondern das FG (ß 319 Abs. 2 Nr. 1 AO a. F.) zuständig. Die einen Kostenerlaß betreffende Entscheidung eines FG war eine erstinstanzliche Entscheidung. Der VI. Senat konnte daher unter Hinweis auf § 4 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof, der durch § 237 Abs. 2 AO in der Fassung des Steueränderungsgesetzes von 1961 überholt war, ausführen, das FG sei nicht "im Beschwerdeverfahren" tätig geworden; Kostenerlaßentscheidungen der Finanzgerichte seien schon nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 147/22 vom 5. Juli 1922 (Steuer und Wirtschaft 1922 Nr. 927) der Nachprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz entzogen gewesen; daran habe § 237 AO nichts geändert, der nur - entsprechend dem Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - Rechtsschutz durch ein Gericht habe vorsehen, nicht aber neue Instanzen habe eröffnen wollen. Auch bei seiner - beiläufigen - Bemerkung, im Falle einer Rechtsmittelrücknahme könne nichts anderes gelten, ging der VI. Senat davon aus, daß die Erlaßentscheidung vom Gericht zu treffen war, wie es auch bei Rücknahme der Rb. (so der Fall des VII. Senats) nach § 319 Abs. 2 Nr. 2 AO a. F. der Fall war. Im vorliegenden Falle lag aber keine erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung vor, sondern hatte die Verwaltung zunächst über den Erlaß entschieden, dagegen war nach dem eindeutigen Wortlaut des § 237 Abs. 2 AO a. F. nicht nur die Berufung an das FG, sondern auch die Rechtsbeschwerde an den BFH gegeben. Über diesen eindeutigen Wortlaut kann sich der Senat nicht hinwegsetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 425758 |
BFHE 1967, 557 |
BFHE 87, 557 |