Entscheidungsstichwort (Thema)

Tabaksteuerrechtlicher Tatbestand - Begriff: Steckzigaretten - Zuständigkeit für Erlaß oder Erstattung einer Steuerzeichenschuld

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG enthält eine eigenständige Bestimmung des Begriffs "Zigaretten". Sie legt den Steuergegenstand hinreichend genau fest.

2. (Steck-)Zigaretten i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG und als solche tabaksteuerbar sind mittelbar zum Rauchen geeignete Tabakstränge, andere als Zigarren oder Zigarillos, die ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt sind, durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben oder mit einem Zigarettenpapierblättchen umhüllt zu werden.

 

Orientierungssatz

Erlaß oder Erstattung der Steuerzeichenschuld wie auch einer durch Verwendung von Steuerzeichen bereits entrichteten Steuer obliegen der Zentralen Steuerzeichenstelle.

 

Normenkette

TabStG § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2; TabStDV § 24 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin brachte 1994 ein neues Feinschnittsystem "X" auf den Markt. Bei diesem handelt es sich um 20,7 cm lange, nicht unmittelbar zum Rauchen geeignete, mit luftdurchlässigem Papiervlies umgebene Tabakstränge, aus denen unter Verwendung von Zigarettenpapierhülsen und mit Hilfe eines besonderen Schneidegeräts mehrere Zigaretten hergestellt werden können. Nachdem das Finanzgericht (FG) den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zum Bezug und zur Verwendung von Feinschnittsteuerzeichen für diese Produkte abgelehnt hatte (Beschluß vom 4. Juli 1994 4 V 3811/94, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1994, 280), bestellte die Klägerin bei der Zentralen Steuerzeichenstelle B beim beklagten und revisionsbeklagten Hauptzollamt (HZA) ab Juli 1994 nur noch Steuerzeichen zum Steuersatz für Zigaretten. Für die entsprechende Bestellung vom 9. August 1994 meldete sie die Steuerzeichenschuld an und legte gegen die damit verbundene Steuerfestsetzung Einspruch ein --bei dem für sie örtlich zuständigen HZA K sowie hilfsweise bei dem beklagten HZA--, den sie damit begründete, daß ihr Produkt als Feinschnitt zu versteuern sei und somit eine um ... DM zu hohe Steuer angemeldet worden sei. Das HZA K gab den Einspruch an das beklagte HZA ab, das die Tabaksteuerzeichenschuld in Höhe des angemeldeten Betrages bestätigte (Bescheid vom 12. August 1994; Einspruchsentscheidung vom 12. September 1994).

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es entschied, für die hier streitige Erstattung von Steuern sei das beklagte HZA zuständig. Die angefochtene Steuerfestsetzung sei auch materiell nicht zu beanstanden, da es sich um (Steck-)Zigaretten i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 des Tabaksteuergesetzes (TabStG), nämlich um Erzeugnisse handele, die zwar zunächst nicht unmittelbar geraucht werden könnten, die aber ihre Rauchbarkeit dadurch erlangten, daß sie durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben würden. Auf das anschließende Kürzen (Abschneiden), das sich im übrigen ebenfalls als einfacher Vorgang darstelle, komme es nicht an. Die Auslegung könne nicht zu dem Ergebnis führen, daß ein Tabakstrang (Tabakrolle), aus dem mehrere Steckzigaretten hergestellt würden, Feinschnitt, eine gleichartige, aber kürzere, nur für eine Steckzigarette ausreichende Tabakrolle indessen bereits "Zigarette" sei.

Mit der Revision gegen dieses Urteil wendet die Klägerin sich in erster Linie gegen die tabaksteuerrechtliche Beurteilung der Erzeugnisse als Zigaretten. Auch die in § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG angesprochenen Tabakstränge müßten zum Zeitpunkt der Steuerentstehung die entsprechenden Tatbestandsmerkmale einschließlich des Merkmals der unmittelbaren Eignung zum Rauchen --§ 2 Abs. 2 Satz 1 TabStG-- erfüllen. Im Zeitpunkt der Entfernung aus dem Steuerlager seien die Erzeugnisse weder zum Rauchen geeignet noch in eine Zigarettenpapierhülse geschoben. Die Vorentscheidung lasse dieses zeitliche Moment unberücksichtigt. Für den Hersteller sei unerheblich, ob aus seinen Produkten --durch den Verbraucher-- Zigaretten nach dem maßgebenden Zeitpunkt hergestellt würden, hier zudem in relativ komplexer Weise. Schneiden und Hineinschieben in die Hülse seien als nachträgliche Teile des Herstellungsvorgangs zur Begründung der Zigarettendefinition nicht zu berücksichtigen. Die geltende Definition erfasse die Waren nicht; die gesetzliche Lücke solle erst künftig geschlossen werden, und zwar durch eine Verwendungszwecksetzung, die derzeit fehle. Im übrigen ließen sich keine Hinweise darauf finden, daß der Gesetzgeber außer den damals bekannten Steckzigaretten weitere Produkte als "Zigaretten" habe qualifizieren wollen. Im Gegenteil sei im Rahmen der Verbrauchsteuerharmonisierung gerade deutscherseits gegen eine Erweiterung der Zigarettendefinition gearbeitet worden.

Die Klägerin rügt ferner, daß das FG zu Unrecht die Zuständigkeit des beklagten HZA bejaht habe. Vorliegend gehe es um die Festsetzung der richtigen Tabaksteuerschuld, die durch das HZA K erfolgen müsse, nicht dagegen durch die nur für die Verwaltung und Abrechnung von Steuerzeichen zuständige Finanzbehörde. Ein Fall von § 127 der Abgabenordnung (AO 1977) liege nicht vor.

Das HZA trägt im wesentlichen vor, die Fassung von § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG ("sind auch") sei rein additiv. Auch wenn die Gesetzesfassung sprachlich unvollkommen sei und noch keine ausdrückliche Zwecksetzung enthalte (Tabakstrang "zum Stecken/Umhüllen"), sei der Besteuerungstatbestand eindeutig.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist, weil nicht begründet, zurückzuweisen.

Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, daß die angefochtenen Bescheide formell und materiell rechtmäßig sind.

1. Das beklagte HZA war für den Erlaß des die Steueranmeldung (§ 12 Abs. 2 Satz 1 TabStG, § 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes --TabStDV--, § 167 Abs. 1 Satz 2 und 1 AO 1977) der Klägerin bestätigenden Bescheides zuständig. Dieser Bescheid, der wegen der Rechtswirkung der Steueranmeldung (§ 168 Satz 1 AO 1977) für die Festsetzung der Steuerzeichenschuld nicht erforderlich war, enthält zugleich die Ablehnung der von der Klägerin erstrebten günstigeren Festsetzung (vgl. Kühn/Hofmann, AO/FGO, 17. Aufl. 1995, § 167 AO 1977 Bem.4), mittelbar die der begehrten Erstattung (§ 22 Abs. 3 und 2 TabStG; zu diesen Vorschriften allgemein Senatsurteil vom 20. September 1994 VII R 29/94, BFHE 175, 456, 458, BStBl II 1995, 79). Erlaß oder Erstattung der Steuerzeichenschuld wie übrigens auch einer durch Verwendung von Steuerzeichen bereits entrichteten Steuer obliegen der Zentralen Steuerzeichenstelle bei dem beklagten HZA (§ 24 Abs. 1 TabStDV). Die Frage, ob im Falle seiner örtlichen Unzuständigkeit § 127 AO 1977 anzuwenden wäre, stellt sich nicht.

2. Richtig hat die Vorinstanz auch erkannt, daß die von der Klägerin erstrebte anderweitige Festsetzung nicht in Betracht kommt, weil die Erzeugnisse, wie geschehen, als "Zigaretten" i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG (i.d.F. des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2150) zu versteuern waren. Die gegen diese rechtliche Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision vermögen nicht durchzudringen.

§ 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG enthält eine eigenständige Bestimmung des Begriffs "Zigaretten", die unabhängig von Satz 1 a.a.O. zu verstehen ist (entgegen Wewel, ZfZ 1994, 282). Der Anknüpfung an diesen Satz ("Zigaretten sind auch ...") kommt nur eine rein formale Bedeutung im Sinne einer Hinzufügung zu (wie etwa der Konjunktion "ferner"). Das ergibt sich bereits daraus, daß eine weitere Bezugnahme auf Satz 1 a.a.O. (etwa: "... sind unter den übrigen Voraussetzungen von Satz 1 auch ...") fehlt. Eine solche Bezugnahme ergäbe überdies keinen Sinn, weil unmittelbar zum Rauchen geeignete Tabakstränge --außer Zigarren und Zigarillos-- ohnehin "Zigaretten" sind und es insoweit keiner weiteren Begriffsbestimmung bedarf. Zudem bestätigen die Materialien (BTDrucks 12/3432, S.71), daß der Gesetzgeber als Zigaretten "Feinschnittrollen" erfassen wollte wie sie in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 79/32/EWG i.d.F. von Art. 2 Nr. 3 der Änderungsrichtlinie vom 19. Oktober 1992 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 316/5) aufgeführt sind, also nicht unmittelbar zum Rauchen geeignete Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben oder mit einem Zigarettenpapierblättchen umhüllt werden. Derartige Erzeugnisse --Steckzigaretten-- unterlagen bis zum 31. Januar 1993 nur dem Steuersatz für Feinschnitt und werden seitdem höher besteuert (§ 32 Abs. 3 TabStG).

Die Selbständigkeit der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG bedeutet freilich nicht, daß es den darin angesprochenen Erzeugnissen an der --mittelbaren-- Eignung zum Rauchen fehlen dürfe. Diese Eignung wird vielmehr vorausgesetzt ("Tabakstränge"). Aus diesem Grunde geht der aus § 3 Abs. 2 Satz 1 TabStG abgeleitete Einwand der Revision ins Leere, ohne den Bezug der Zigarettendefinition auf § 2 Abs. 2 Satz 1 TabStG wäre jeder beliebige Gegenstand ("Bleistift") als Zigarette anzusehen. Es kann dahinstehen, ob die Verweisung in § 3 Abs. 2 Satz 1 TabStG auf § 2 Abs. 2 auch auf dessen Satz 2 zu beziehen ist. Wäre dies anzunehmen, so müßten die genannten anderen Stoffe sich mittelbar zum Rauchen eignen (Salatblätter oder ähnliches).

Auch die Zweifel, die die Revision an der Bestimmtheit des gesetzlichen Tatbestandes (§ 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG) äußert, hält der Senat für unberechtigt. Richtig ist allerdings, daß die Steuerentstehung, hier infolge Entfernung der durch Steuerzeichenverwendung versteuerten Tabakwaren aus dem Steuerlager (§ 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 TabStG), eine gesetzliche Festlegung des Steuergegenstandes voraussetzt. Dieses Erfordernis ist jedoch erfüllt, denn der Steuergegenstand "Zigaretten" ist in § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG ausreichend bestimmt. Dies kann nicht mit dem Hinweis in Frage gestellt werden, daß die --fertigen-- Zigaretten erst nach dem maßgebenden Zeitpunkt der Entfernung aus dem Steuerlager hergestellt würden. Auf die Fertigstellung im verbrauchstechnischen Sinne kommt es nicht an. In Hinblick darauf, daß mit § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG eine besondere, wie ausgeführt, selbständige Beschreibung des Steuergegenstandes "Zigaretten" bezweckt ist, ist davon auszugehen, daß sie Tabakstränge, andere als Zigarren oder Zigarillos, betreffen soll, die bestimmt und geeignet sind, durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben ... zu werden, Produkte, die auch zolltariflich Zigaretten sind (Einreihungsverordnung (EWG) Nr. 3425/91 der Kommission vom 25. November 1991, ABlEG L 325/6). Dieser Wille des Gesetzgebers kommt durch die Fassung der Norm noch genügend klar zum Ausdruck. Die darin gebrauchte Wendung "geschoben ... werden" kann nicht als Zukunftsform des Hilfszeitworts "sein" verstanden werden, weil dann der Tatbestand sinnlos würde. Sie steht vielmehr --mit dem Wortsinn vereinbar-- als Kurzfassung für eine beschaffenheitsmäßig gegebene Eignung und Bestimmung zu der beschriebenen Behandlung. Eine genauere Ansprache wäre zwar wünschenswert, doch stellt ihr Fehlen die Bestimmtheit des Steuertatbestandes nicht in Frage. Auslegungsbedürftigkeit einer Norm nimmt dieser noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, 120, BStBl II 1989, 938, 942). Eine Auslegung des Gesetzes gegen seinen Wortlaut, die ausnahmsweise möglich ist, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (z.B. Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. August 1983 VIII R 190/80, BFHE 139, 123, 127, BStBl II 1984, 4), ist hier nicht notwendig, da sich das Auslegungsergebnis noch im Rahmen des möglichen Wortsinns hält.

Bestrebungen, die Fassung von § 2 Abs. 2 Satz 2 TabStG zu verbessern, können somit nur auf eine Klarstellung, nicht dagegen auf eine erweiternde Änderung der Zigarettendefinition gerichtet sein. Aus ihnen kann für eine gegenteilige Auslegung nichts hergeleitet werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch Senatsurteil vom 18. Februar 1992 VII R 22/90, BFHE 167, 251, 256). Gleiches gilt bezüglich der Haltung, die deutscherseits bei den Harmonisierungsverhandlungen über die Begriffsbestimmung eingenommen wurde (hierzu näher Faltlhauser, ZfZ 1993, 34, 36). Mit den einschlägigen Rechtsänderungen hat sich diese Position erledigt. ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 65644

BFH/NV 1996, 49

BFH/NV 1996, 49-50 (LT)

BFHE 178, 500

BFHE 1996, 500

BB 1996, 258

BB 1996, 258 (L)

DB 1996, 360 (L)

DStR 1996, 381-382 (KT)

DStZ 1996, 253 (KT)

HFR 1996, 206 (L)

StE 1996, 70-71 (K)

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