Entscheidungsstichwort (Thema)
Begünstige Altschulden i. S. von § 14 a Abs. 5 EStG bei Umschuldung nach Hofübernahme
Leitsatz (NV)
Auch wenn der Hoferbe am 1. Juli 1985 vorhandene betriebliche Altschulden des Nutzwalters nach der Übernahme des Hofes umgeschuldet hat und diese tilgt, kann er den Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen.
Normenkette
EStG § 14a Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Von 1978 bis 1985 wurde dieser gemäß § 14 der Höfeordnung (HöfeO) von der Mutter des Klägers bewirtschaftet. Die Mutter des Klägers hatte 1982 bei der A-Bank ein Darlehen von ... DM aufgenommen, das der Kläger bei der Übernahme der Bewirtschaftung des Hofes durch Vertrag vom 4. Juli 1985 übernahm. Zu diesem Zeitpunkt valutierte das Darlehen mit 80 000 DM. 1986 nahm der Kläger bei der X-Bank ein Darlehen in Höhe von 90 000 DM mit einem für fünf Jahre festgeschriebenen Zinssatz auf und löste das nur noch mit 78 541 DM valutierte Darlehen bei der A-Bank ab.
Mit Verträgen vom ... Juli 1991 veräußerte der Kläger Bauplätze, die zu seinem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörten. Den Veräußerungsgewinn in Höhe von 65 734 DM verwandte er zur Tilgung des von der X-Bank gewährten Darlehens. Den in der Einkommensteuererklärung in Höhe von 32 867 DM beantragten Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) nicht. Den Einspruch der Kläger wies er zurück.
Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machten u. a. geltend, der Kläger habe mit dem Erlös aus der Veräußerung der Grundstücke Schulden getilgt, die bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hätten. Die getilgte Schuld habe ihren Ursprung in der Darlehensaufnahme des Jahres 1982. Es könne keine Rolle spielen, daß die kreditgewährende Bank gewechselt habe.
Das FA hielt dem entgegen, es sei nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden, ob die getilgten Schulden bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hätten. Die tatsächlich getilgte Schuld sei eine nicht nach § 14 a Abs. 5 EStG begünstigte Neuschuld.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in EFG 1995, 1050 veröffentlichten Urteil u. a. aus, trotz der Umfinanzierung handele es sich bei den getilgten Schulden um begünstigte Altschulden. Der Kläger habe die Umschuldung unstreitig deshalb vorgenommen, weil ihm seitens der X-Bank günstigere Zinsen in Aussicht gestellt worden seien. Wirtschaftlich gesehen hätten die ursprünglich vor dem 1. Juli 1985 vorhandenen Schulden fortbestanden. Die Identität werde durch die bloße Umschuldung oder Novation nicht berührt.
Letztlich könne es keine Rolle spielen, ob bei Ablauf eines Zinsfestschreibungszeitraums ein Kreditvertrag zu neu ausgehandelten Konditionen mit dem ursprünglichen Kreditgeber fortgesetzt oder ob aus wirtschaftlichen Gründen das Darlehen mit einem neuen Kreditgeber fortgeführt werde. Im Streitfall habe sich die Altschuld in dem von der X-Bank gewährten Darlehen fortgesetzt.
Sinn und Zweck des § 14 a Abs. 5 EStG rechtfertige diese Beurteilung ebenfalls (Bezug auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 28. April 1994 XIV 562/92, Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 71). Andernfalls würde vor allem bei kleineren Betrieben eine unternehmerisch sinnvolle Maßnahme mit steuerlichen Nachteilen belastet.
Auf das Streitjahr entfalle die Hälfte des unstreitigen Veräußerungsgewinns. Die Einkommensteuer betrage danach ... DM.
Mit der vom FG -- wegen grundsätzlicher Bedeutung -- zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG).
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger den beantragten Freibetrag nach § 14 a Abs. 5 EStG anteilig in Anspruch nehmen kann. Nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 14 a Abs. 5 EStG konnte ein Steuerpflichtiger, der nach dem 31. Dezember 1985 und vor dem 1. Januar 1993 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens veräußerte und den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten innerhalb von sechs Monaten zur Tilgung von Schulden verwandte, beantragen, daß der Veräußerungsgewinn nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen wird, als er den Betrag von 90 000 DM übersteigt. Das setzte indes -- neben anderen hier unstreitig erfüllten Kriterien -- nach § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG voraus, daß die Schulden zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörten und vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatten.
2. Das Erfordernis, daß die Schulden schon vor dem 1. Juli 1985 als betriebliche Schulden bestanden haben müssen, ist durch Art. 7 Nr. 5 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735, 745 f.) eingeführt worden. Damit stellte § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG 1986 -- anders als die mit dem Jahr 1976 ausgelaufenen Vorläuferregelungen in § 14 a Abs. 4 EStG 1971 und EStG 1974 (dazu Senatsurteil vom 23. Juni 1983 IV R 77/80, BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633) -- darauf ab, daß die betrieblichen Schulden bereits zu einem bestimmten Stichtag existiert hatten (BTDrucks 10/4513 S. 21 f.). Der Gesetzgeber wollte damit Mißbräuche ausschließen und zu einem Auslaufen der Vorschrift beitragen (Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 14 a EStG, Anm. 209). Daraus folgt insbesondere, daß die Vergünstigung nicht gewährt werden kann, wenn eine ursprünglich private Schuld nach dem 30. Juni 1985 in eine betriebliche Schuld umgewandelt wurde (R 133 c Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1994). Soweit jedoch in der Literatur die Ansicht vertreten wird, bei Novation einer ursprünglich begünstigten Altschuld entstehe ein neues Schuldverhältnis und damit eine nicht von § 14 a Abs. 5 EStG begünstigte neue Schuld (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 14 a Rz. 33; Kuhlmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 60), folgt der erkennende Senat dem nicht. Entsprechendes gilt für den Wechsel des Gläubigers bei einer Umschuldung.
Entgegen der Ansicht des FA ist nicht darauf abzustellen, ob die betriebliche Schuld im Zeitpunkt der Tilgung bei zivilrechtlicher Beurteilung (vgl. auch Pape in Felsmann, Einkommenbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., D 329) noch dieselbe ist, die am Stichtag bereits bestanden hatte. Mit dem Stichtagserfordernis wollte der Gesetzgeber lediglich sicherstellen, daß die Vergünstigung nur bei Tilgung solcher Schulden gewährt wird, die betrieblich veranlaßt waren und bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatten. Dies zu regeln bestand Anlaß, weil der erkennende Senat (Urteil in BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633; vgl. Hiller in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 65) zuvor zur früheren Rechts lage (§ 14 a Abs. 4 EStG 1971 und 1974) entschieden hatte, daß die Schulden nicht bereits während gewisser Zeit bestanden haben mußten und ein Zusammenhang mit der Veräußerung der Grundstücke nicht gegeben sein mußte. Ebenso sollte der ursprüngliche betriebliche Zusammenhang für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen maßgebend bleiben, wenn eine nach Betriebsaufgabe fortbestehende betriebliche Verbindlichkeit umgeschuldet wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Dezember 1980 I R 198/78, BFHE 133, 27, BStBl II 1981, 462).
Daher stellt auch die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. Mai 1993, BStBl I 1993, 406, Tz. 13 ff., und vom 26. September 1994, BStBl I 1994, 749) für die Frage der steuerschädlichen Verwendung von Ansprüchen aus Lebensversicherungen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG) in den Fällen der Umschuldung auf die Altschuld ab. Entsprechendes muß für die Novation einer betrieblichen Altschuld und auch beim Wechsel des Gläubigers gelten. Denn die neu eingegangene Verbindlichkeit hat weiterhin ihre Ursache in der Altschuld, so daß der wirtschaftliche Zusammenhang mit der alten Schuld bestehen bleibt (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 1629; Gmach, a.a.O., § 14 a EStG Anm. 209; Pape, a.a.O., D 329 b; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 14 a EStG Rdnr. 60; Blümich/Fischer, Einkommensteuergesetz, § 14 a Rz. 57; Hiller in Lademann/Söffing, a.a.O.). Allein darauf kommt es an. Sinn und Zweck der Wiedereinführung eines Freibetrages für die Schuldentilgung war nämlich, den durch Schulden besonders belasteten kleineren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (vgl. § 14 a Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 14 a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG 1986) die Tilgung von Altschulden zu ermöglichen. Dies war damit begründet worden, daß Land- und Forstwirte vielfach im Vertrauen auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung Investitionen vorgenommen und fremdfinanziert hätten, entgegen dieser Erwartung aber der Einkommensrückgang angehalten habe, so daß der Schuldendienst vielfach nur noch durch Substanzverzehr habe getragen werden können (vgl. BTDrucks 10/4513 S. 21 f.). Es ging also darum, den betroffenen Land- und Forstwirten den Verkauf von Grundstücken steuerlich zu erleichtern, damit sie den Erlös ungeschmälert zur Tilgung von Altschulden einsetzen könnten. Zu Recht macht das FG darauf aufmerksam, daß eine reine zivilrechtliche Beurteilung der Frage, ob die Schulden bereits vor dem 1. Juli 1985 bestanden hatten, dazu führen würde, daß wirtschaftlich sinnvolle Umschuldungen sonst hinausgeschoben würden oder sogar gänzlich unterbleiben müßten.
3. Zu Recht hat das FG es auch für unerheblich gehalten, daß die getilgten Altschulden nicht im Betrieb des Klägers, sondern im Betrieb der Mutter des Klägers entstanden waren. § 14 a Abs. 5 Nr. 1 EStG 1986 stellt seinem Wortlaut nach nicht darauf ab, ob der Schuldner, der die betrieblichen Verbindlichkeiten eingegangen ist, gewechselt hat. Der Freibetrag ist vielmehr betriebsbezogen, so daß er auch bei unentgeltlichem Übergang des Betriebs (§ 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) zu gewähren ist. Nichts anderes kann gelten, wenn die Mutter des Klägers als Nutzwalter entsprechend § 14 HöfeO Verbindlichkeiten des Hofes eingegangen ist, die dem Kläger als Hoferben noch zugute gekommen sind. Denn für diese vom Nutzwalter eingegangenen Schulden muß der Hoferbe einstehen (Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 28. August 1967 7 WIw 30/67, Recht der Landwirtschaft 1968, 14).
4. Auch wenn man mit dem FA von einem Altschuldenstand von 67 740 DM ausgeht, hat der Kläger den gesamten -- der Höhe nach unstreitigen -- Veräußerungsgewinn in Höhe von 65 734 DM für deren Tilgung verwandt. Selbst wenn wegen der Tilgung der neu eingegangenen Schuld von 11 459 DM der Freibetrag möglicherweise zu kürzen wäre (vgl. § 14 a Abs. 6 EStG und Senatsurteil in BFHE 139, 45, BStBl II 1983, 633), hat das für das Streitjahr keine Bedeutung, weil der Kläger nur einen Freibetrag von 32 867 DM beantragt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 421183 |
BFH/NV 1996, 597 |