Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken inländischer GmbHs an US-amerikanische Muttergesellschaft. Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 14.12.2022 II R 40/20
Leitsatz (NV)
Grundstücke inländischer Untergesellschaften sind auch einer ausländischen Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die ausländische Obergesellschaft selbst sie aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 01.12.2021 - II R 44/18, BFHE 275, 373).
Normenkette
GrEStG 1997 § 1 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1-2, 2a, 2b, 3a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 30.09.2020 - 5 K 2390/17 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer des Beklagten vom 28.11.2017 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Gesellschaft. Sie ist aufgrund einer Verschmelzung aus der ursprünglichen Klägerin, der A, diese wiederum aufgrund eines Formwechsels aus der C hervorgegangen. Die C war über verschiedene Konzerngesellschaften mittelbar --auf jeder Beteiligungsstufe zu mindestens 97 %-- an mehreren deutschen GmbHs beteiligt. In deren Vermögen befanden sich Grundstücke im Inland in verschiedenen Finanzamtsbezirken.
Rz. 2
Im April 2014 wurde durch Umstrukturierungen unter Anwendung von § 251 (g) des Delaware General Corporation Law (DGCL) im Konzern eine Holdinggesellschaftsstruktur geschaffen. Dazu wurde u.a. --von einer ausländischen Tochtergesellschaft der C-- die D gegründet, welche somit zunächst die Enkelgesellschaft der C darstellte. Nach dem am 14.04.2014 unterzeichneten Umstrukturierungsvertrag sollte die D mit Wirkung zum 15.04.2014 alleinige Aktionärin der C werden, während jeder bisherige Aktionär der C im Umfang seiner Beteiligung an der C Aktien der D erhalten sollte. Am Ende der Umstrukturierung waren alle Anteile der C in der Hand der D vereinigt, sodass nun C die Tochtergesellschaft der D war.
Rz. 3
Am 13.02.2017 wurde die C in die A umgewandelt. Am 14.02.2017 wurde die D aufgrund eines Formwechsels zur B. Am 29.03.2017 wurde die B auf die A --die ursprüngliche Klägerin-- verschmolzen.
Rz. 4
Das damals zuständige Finanzamt erließ am 28.11.2017 gegenüber der A (vormals C) als Rechtsnachfolgerin der B (vormals D) einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (Feststellungsbescheid) für eine Anteilsvereinigung ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Geschäft vom 15.04.2014. Es seien unmittelbar Anteile der A (vormals C) vereinigt worden. Erwerber sei A (vormals C) als Rechtsnachfolger der B (vormals D). Die den deutschen GmbHs gehörenden Grundstücke waren in einer Anlage zum Bescheid aufgeführt.
Rz. 5
Eine unter Zustimmung des nach einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel nunmehr zuständigen Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, der Vorgang sei nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung (GrEStG) steuerbar. Insbesondere seien aufgrund der Beteiligungsverhältnisse die Grundstücke der grundbesitzenden GmbHs der C zuzurechnen gewesen. Dass sich im damaligen Vermögen der C selbst kein inländisches Grundvermögen befunden habe, das zuvor unter Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestands durch C erworben worden sei, sei unerheblich. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 303 veröffentlicht.
Rz. 6
Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen eine Verletzung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 und § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GrEStG geltend. Zur Begründung führt sie aus, die Grundstücke der GmbHs "gehörten" nicht i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG der C. Die C habe keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand verwirklicht, aufgrund dessen ihr die Grundstücke der GmbHs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen wären. Zudem sei die vorgenommene Umstrukturierung nach § 251 (g) DGCL dem Grunde nach nicht grunderwerbsteuerbar.
Rz. 7
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und den Feststellungsbescheid vom 28.11.2017 aufzuheben.
Rz. 8
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 9
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung und der Feststellungsbescheid vom 28.11.2017 werden aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfüllt ist. Denn die Grundstücke der GmbHs "gehörten" am 15.04.2014 im Sinne dieser Vorschrift nicht der C.
Rz. 10
1. Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG nicht in Betracht kommt, die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Der Tatbestand knüpft zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfasst aber die infolge der Vereinigung der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken. Derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, wird so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 04.03.2020 - II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514, Rz 13, m.w.N.).
Rz. 11
a) § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist gleichermaßen auf Personen- und Kapitalgesellschaften anwendbar. Der Wortlaut der Vorschrift, der von "Vermögen" und "Anteile der Gesellschaft" spricht, differenziert insoweit nicht (vgl. BFH-Urteil vom 27.05.2020 - II R 45/17, BFHE 270, 247, BStBl II 2021, 315, Rz 12, zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
Rz. 12
b) Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 der Abgabenordnung. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung (vgl. BFH-Urteile vom 11.12.2014 - II R 26/12, BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402, Rz 18, und vom 01.12.2021 - II R 44/18, BFHE 275, 373, Rz 22).
Rz. 13
aa) Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
Rz. 14
bb) Ein (nach den Grundsätzen unter aa) einer anderen Gesellschaft zuzurechnendes inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser Gesellschaft) zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht. Dasselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 95 % (heute 90 %) sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft nach den unter aa) genannten Grundsätzen das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist.
Rz. 15
cc) Soweit der Senat für Erwerb und Verlust der Zurechnung bisher auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis (!) 3a GrEStG abgestellt hat, läuft die Formulierung für Erwerbe nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG, die lediglich eine neue Gesellschaft fingieren und bei denen sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung nicht ändert, leer. Der Senat hält insoweit daran nicht fest.
Rz. 16
dd) Entsprechendes gilt für die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke des § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) und Abs. 3a GrEStG, denn auch diese Tatbestände betreffen Gesellschaften, denen ein Grundstück "gehört".
Rz. 17
Die Verwirklichung von anderen Erwerbstatbeständen nach § 1 GrEStG bleibt hiervon ausdrücklich unberührt.
Rz. 18
c) Die vorstehenden Grundsätze finden auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar (BFH-Urteil in BFHE 275, 373, Rz 25).
Rz. 19
2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Feststellungsbescheid vom 28.11.2017 wird aufgehoben.
Rz. 20
a) Die Grundstücke der GmbHs "gehörten" am 15.04.2014 der C nicht i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG. Das FG hat unter 3.c der Entscheidungsgründe seines Urteils für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass C selbst hinsichtlich dieser Grundstücke keinen grunderwerbsteuerrechtlichen Tatbestand nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG verwirklicht hatte.
Rz. 21
b) Dahingestellt bleiben kann deshalb, ob die Umstrukturierungen nach dem Recht von Delaware im Übrigen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfüllt hätten, d.h., ob dadurch erstmals mindestens 95 % der Anteile der C bei der D vereinigt worden sind. Nicht zu entscheiden ist außerdem, ob der Vorgang --seine Grunderwerbsteuerbarkeit vorausgesetzt-- nach § 6a GrEStG steuerbefreit gewesen wäre. Da der angegriffene Feststellungsbescheid ausdrücklich nur die unmittelbare Vereinigung der Anteile der A (vormals C) als steuerbaren Erwerbsvorgang benennt, kommt es zuletzt auch nicht darauf an, ob eine eventuelle mittelbare Vereinigung der Anteile der GmbHs den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfüllt hätte.
Rz. 22
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 15640680 |
BFH/NV 2023, 555 |