Leitsatz (amtlich)
1. Das bloße Erwerben und Halten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist keine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs.1 UStG 1967.
2. Der Erwerb eines Einzelunternehmens zu dem Zweck, es unmittelbar in eine Personengesellschaft einzubringen, begründet keine unternehmerische Betätigung.
Orientierungssatz
Der Vorsteuerabzug aus einem Leistungsbezug kann gemäß § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1 UStG 1967 erst für den Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden, in dem die beiden umsatzbezogenen Merkmale --Ausführung der Leistung und Abrechnung-- erfüllt sind. Die persönliche Berechtigung (Unternehmereigenschaft) des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs, nicht der Rechnungserteilung (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
UStG 1967 § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 4, § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb aufgrund des notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 16.Dezember 1970 von dem Kaufmann A (Verkäufer) dessen unter der Firma "A-Fabrik" betriebenes Unternehmen mit "allen zum ertragssteuerlichen Betriebsvermögen gehörenden Aktiven und Passiven nach Maßgabe einer zum 31.Dezember 1970 vom Käufer zu erstellenden Bilanz" (§ 1 des Kaufvertrags). Zum Betriebsvermögen gehörten eine Reihe im einzelnen bezeichneter Grundstücke, bezüglich derer der Eigentumsübergang auf die Klägerin vereinbart, und vom Verkäufer die Auflassung erklärt wurden. Außerdem veräußerte der Verkäufer noch ein in seinem Privatvermögen befindliches Grundstück an die Klägerin. Als Tag der Übergabe war der 31.Dezember 1970 vorgesehen (§ 10 des Kaufvertrages); bis zu diesem Tag sollte der Verkäufer das Unternehmen auf seine Rechnung führen (§ 1 Abs.3 und 4 des Kaufvertrages).
Der Kaufpreis war in Höhe von 1 850 000 DM "zuzüglich darauf lastender Mehrwertsteuer" bar zu entrichten; daneben hatte die Klägerin Grundschulden im Gesamtbetrag von 1 800 000 DM zu übernehmen (§ 5 Buchst.a Abs.1 und Buchst.b Abs.1 des Kaufvertrags).
Der Verkäufer übergab das Unternehmen der Klägerin am 31.Dezember 1970. Er stellte ihr im Jahre 1971 Umsatzsteuer von insgesamt 390 978,94 DM in Rechnung.
Neben dem erwähnten Kaufvertrag schloß die Klägerin ebenfalls am 16.Dezember 1970 mit ihrem Ehemann einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag zur Gründung der A-KG mit Wirkung vom 1.Januar 1971 ab (§§ 1 und 5 des Gesellschaftsvertrags). Persönlich haftender Gesellschafter (ohne Kapitaleinlage) wurde der Ehemann; Kommanditistin wurde die Klägerin mit einer Kommanditeinlage von 1 Mio DM (§ 3 Abs.1 und 2 des Gesellschaftsvertrags). Nach § 3 Abs.5 des Gesellschaftsvertrags hatte die Klägerin in Anrechnung auf ihre Einlageverpflichtung das am gleichen Tag erworbene Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven nach dem Stand der Eröffnungsbilanz vom 1.Januar 1971 in die KG einzubringen.
Schließlich schlossen die Klägerin und ihr Ehemann (dieser handelnd für die KG) am 16.Dezember 1970 einen notariell beurkundeten Einbringungsvertrag samt Auflassung. Hiernach übertrug die Klägerin gegen Gewährung einer Kommanditeinlage von 1 Mio DM das erworbene Unternehmen mit Wirkung zum 1.Januar 1971 auf die KG. Der über die Kommanditeinlage hinausgehende Betrag des Kapitalkontos in der Eröffnungsbilanz vom 1.Januar 1971 in Höhe von 875 855 DM wurde der Klägerin auf einem Sonderkonto gutgebracht (§ 3 Abs.5 des Gesellschaftsvertrags).
Als Grund für den Zwischenerwerb des Unternehmens gab die Klägerin an, nur auf diese Weise sei die Eintragung der KG in das Handelsregister und in das Grundbuch mit dem bisherigen Firmennamen A-Fabrik zu erreichen gewesen, ohne daß die KG zuvor unter einer anderen Firma hätte gegründet werden müssen. Im übrigen habe es dem Willen des Verkäufers entsprochen, mit ihr im Hinblick auf ihre gute Vermögenslage den oben genannten Kaufvertrag abzuschließen.
Die Klägerin gab für den Veranlagungszeitraum 1971 eine Umsatzsteuererklärung erstmals im Jahre 1976 ab. Darin erklärte sie als steuerbefreite Umsätze gemäß § 4 Nr.8 und Nr.12 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung vom 29.Mai 1967 --UStG 1967-- (BStBl I 1967, 224, BGBl I 1967, 545) in Höhe von 371 127 DM den Erlös aus der Einziehung ihres Geschäftsanteils an der W-GmbH und die Einnahmen aus der Vermietung eines Raumes an die KG. Als abziehbare Vorsteuern machte sie einen Betrag von 390 978,94 DM aufgrund der an sie bewirkten Lieferung des Einzelunternehmens A geltend. Der Umsatzsteuererklärung sind zwei auf die Klägerin ausgestellte Abrechnungspapiere vom 6.Februar 1971 bzw. vom 11.Juli 1971 in Ablichtung beigefügt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat mit Bescheid vom 8.April 1976 abgelehnt, die Klägerin zur Umsatzsteuer für das Jahr 1971 zu veranlagen, weil sie keine Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs.1 UStG 1967 und somit auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 sei. Unabhängig hiervon ergebe sich keine negative Umsatzsteuerschuld, da die Einbringung des Unternehmens eine Umsatzsteuerschuld in Höhe des geltend gemachten Vorsteuerbetrags hervorrufe.
Mit der mit Zustimmung des FA ohne Vorverfahren erhobenen Verpflichtungsklage hat die Klägerin beantragt, in Abänderung des Bescheids vom 8.April 1976 eine negative Umsatzsteuerschuld in Höhe von 390 978,94 DM festzusetzen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen, der Erwerb und die Veräußerung der A-Fabrik stelle eine unternehmerische Tätigkeit dar. Weiterhin sei sie auch dadurch unternehmerisch tätig geworden, daß sie Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gehalten und veräußert habe. Hierzu führte die Klägerin im wesentlichen aus:
a) Zum 31.Dezember 1968 habe sie ihren Geschäftsanteil an der Y-GmbH von nominell 240 000 DM an die P-GmbH gegen 4 750 Stück Stammaktien einer weiteren Gesellschaft des P-Konzerns verkauft. Diese Veräußerung sei im Zusammenhang mit der Abtretung aller von der früheren X-GmbH und ihren Geschwistern gehaltenen Geschäftsanteile an der W-GmbH an den P-Konzern erfolgt. Bis zur Umwandlung der X-GmbH in eine Kommanditgesellschaft im Dezember 1972 sei sie --die Klägerin-- am Stammkapital der X-GmbH von insgesamt 30 Mio DM mit 24,975 v.H. beteiligt gewesen; seit der Umwandlung sei sie bei der Kommanditgesellschaft Kommanditistin mit einer Einlage in Höhe von 7 492 500 DM.
Die Veräußerung der Geschäftsanteile an der W-GmbH an den P-Konzern sei durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung der Bürocomputerbranche veranlaßt worden. Auf diese Weise sei der W-GmbH der notwendige und unmittelbare Zugang zur Grundlagenforschung und die erforderliche Unterstützung einer weltweiten Vertriebsorganisation verschafft worden.
b) Im Rahmen der Kapitalerhöhung von 1 Mio DM der W-GmbH wegen der Errichtung eines Spanplattenwerks am 15.April 1979 habe sie --die Klägerin-- einen neuen Geschäftsanteil von 185 500 DM zum Kurs von 200 v.H. übernommen. Die W-GmbH habe das Spanplattenwerk alsbald wieder verkauft, da sich die an die Investition geknüpften wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt hätten. Im Zusammenhang mit dem Verkauf habe die Y-GmbH unter anderem auch ihre --der Klägerin-- Geschäftsanteile eingezogen und dafür eine Entschädigung in Höhe von 371 000 DM (200 v.H. der Stammeinlage) gezahlt. Diesen Erlös führte die Klägerin in der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr unter den steuerfreien Umsätzen gemäß § 4 Nr.8 UStG 1967 an.
c) Am 11.Dezember 1970 habe sie --die Klägerin-- mit ihren Geschwistern die Z-GmbH mit einem Stammkapital von 1 Mio DM gegründet und dabei eine Stammeinlage von 250 000 DM (25 v.H.) übernommen. Die Z-GmbH habe von einer Beteiligungsgesellschaft der X-GmbH die Bereiche mittlerer Maschinen- und Stahlbau übernommen, um auf diesem Gebiet wirtschaftliche Aktivität entfalten zu können. Im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Familien-Gruppe (Zusammenfassung der Beteiligungen in einer Holdinggesellschaft) hätten sie --die Klägerin-- und ihre Geschwister die Geschäftsanteile an der Z-GmbH am 22.September 1972 auf die X-GmbH übertragen.
d) Im übrigen habe sie --die Klägerin-- bereits seit 1960 eine Beteiligung von 9,7 v.H. an der K-GmbH gehalten.
Ihre Unternehmereigenschaft begründet die Klägerin weiterhin auch mit der Gewährung von zwei Darlehen an die KG. Im Rahmen der Einbringung des Einzelunternehmens A in die KG habe sie in Höhe des ihr auf einem Sonderkonto gutgeschriebenen Betrages von 875 885 DM der KG ein verzinsliches Darlehen gewährt. Später --im Laufe des Jahres 1971-- habe sie der KG noch einen Betrag über 1,9 Mio DM darlehensweise überlassen und dafür 146 167,40 DM erhalten.
Neben den dargelegten Beteiligungsveräußerungen und Darlehensgewährungen sei sie auch dadurch nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen im Sinne des § 2 Abs.1 Satz 2 UStG 1967 tätig geworden, daß sie vom Dezember 1970 bis Juni 1971 einen 37 qm großen Raum in einem ihr gehörenden Einfamilienhaus der KG gegen einen Mietzins von 187,85 DM zur Nutzung überlassen habe.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, die Klägerin sei deshalb nicht zum Abzug der Vorsteuern aus dem Erwerb des Einzelunternehmens A berechtigt, weil sie mit dem Erwerb und der anschließenden Einbringung in die KG gleichen Namens, ebenso wie mit den Beteiligungsübertragungen (siehe oben) keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet habe. Auch im Hinblick auf die Vermietung eines Raumes an die KG komme der begehrte Vorsteuerabzug nicht in Betracht, denn es bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dieser Haupttätigkeit und der Einbringung des Einzelunternehmens A in die KG gleichen Namens. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht im Hinblick auf die Überlassung der beiden Darlehen an die KG zu gewähren. Selbst wenn man im Streitfall den Erwerb des Einzelunternehmens A als Vorbereitungshandlung für ein Unternehmen "Kreditgewährung" ansehe, sei ein Vorsteuerabzug jedenfalls gemäß § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 ausgeschlossen, weil die Vorumsätze zur Ausführung steuerfreier Umsätze im Sinne des § 4 Nr.8 UStG 1967 verwendet worden seien.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung des § 15 Abs.1 Nr.1, des § 2 Abs.1 und des § 19 Abs.1 UStG 1967. Sie trägt vor, sie habe sich zur Zeit des Erwerbs unter Einbringung der A-Fabrik in vielfältiger Weise unternehmerisch betätigt, um ihre Vermögensinteressen möglichst weit zu streuen. Hiervon unabhängig müsse der Erwerb und die alsbaldige Veräußerung des Unternehmens schon für sich als ein unternehmerisches Handeln beurteilt werden. Sie habe den Betrieb für ihr Unternehmen erworben, wobei eine Aufteilung des einheitlichen Unternehmens in ein Unternehmen "Beteiligungsveräußerung bzw. Zimmervermietung" und ein Unternehmen "Kreditgewährung" nicht vorgenommen werden könne. Der begehrte Vorsteuerabzug scheitere schließlich nicht daran, daß sie Kleinunternehmerin im Sinne des § 19 Abs.1 UStG 1967 im Jahre 1970 gewesen sei.
Sie habe für das Jahr 1971 eine Option zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG § 19 Abs.4 UStG 1967 erklärt. Sie werde auch für das Jahr 1970 eine Umsatzsteuererklärung abgeben, sobald die Unternehmereigenschaften nicht mehr in Zweifel gezogen werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuerbescheid 1971 vom 8.April 1976 dahin abzuändern, daß eine negative Umsatzsteuerschuld von 390 978,94 DM festgesetzt werde;
hilfsweise, den ablehnenden Bescheid des FA aufzuheben und dieses zum Erlaß einer Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1971 mit einem negativen Betrag von 390 978,94 DM zu verurteilen;
hilfsweise, die Klage als Einspruch zu behandeln.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, falls die Sprung-Verpflichtungsklage unzulässig sein sollte, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als Einspruch zu behandeln.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. a) Der Antrag der Klägerin, in Abänderung des Bescheids vom 8.April 1976 eine negative Umsatzsteuerschuld für 1971 in Höhe von 390 978,94 DM festzusetzen, geht ins Leere. Denn das FA hat keinen Umsatzsteuerbescheid 1971 gegenüber der Klägerin erlassen. Nachdem die Klägerin für das Jahr 1971 eine Umsatzsteuererklärung mit entsprechenden Vorsteuerbeträgen abgegeben hatte, hat das FA mit Bescheid vom 8.April 1976 ihren auf Durchführung einer Umsatzsteuerveranlagung gerichteten Antrag abgelehnt, weil sie keine Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs.1 UStG 1967 und damit auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 sei.
b) Soweit die Klägerin mit der Klage und der Revision begehrt, das FA zu verpflichten, den abgelehnten Verwaltungsakt, nämlich einen Umsatzsteuerbescheid 1971 mit einem negativen Betrag von 390 978,94 DM zu erlassen, kann der Senat zur Sache entscheiden. Denn im Beschluß vom 21.Januar 1985 GrS 1/83 (BFHE 143, 112, BStBl II 1985, 303) hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) auf den Vorlagebeschluß des erkennenden Senats hin vom 21.Juni 1983 V R 3/77 (BFHE 139, 17, BStBl II 1983, 742) die ohne Vorverfahren erhobene Verpflichtungsklage auf Verurteilung des FA zum Erlaß des abgelehnten Verwaltungsakts als zulässig angesehen. Auch dieser Antrag führt nicht zum Erfolg der Revision.
2. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Vorentscheidung davon aus, daß das FA zutreffend den Antrag der Klägerin auf Veranlagung zur Umsatzsteuer 1971 --unter Ansatz des begehrten negativen Umsatzsteuerbetrags-- abgelehnt hat.
Dem Antrag der Klägerin auf Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 1971 liegt ihr Vorsteuerabzugsbegehren zugrunde, das sie aus dem Erwerb des Unternehmens A-Fabrik herleite.
Nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 kann ein Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt, als Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen.
Den begehrten Vorsteuerabzug kann die Klägerin somit nur dann durchsetzen, wenn sie als Unternehmer das oben bezeichnete Unternehmen (im Rahmen eines Umsatzes für ihr Unternehmen) erworben hat. Diese Frage ist nach den rechtlichen Verhältnissen des Jahres 1970 zu beantworten, weil die Klägerin nach den Feststellungen des FG das Geschäft in diesem Jahr erworben hat. Unerheblich ist insoweit, daß der Klägerin erst 1971 die Rechnung mit gesondertem Steuerausweis über diesen Erwerb erteilt wurde. Der Vorsteuerabzug aus einem Leistungsbezug kann zwar gemäß § 15 Abs.1, § 16 Abs.2 und § 18 Abs.1 UStG 1967 erst für den Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden, in dem die beiden umsatzbezogenen Merkmale --nämlich Ausführung der Leistung und Abrechnung-- erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 25.November 1976 V R 98/71, BFHE 121, 550, BStBl II 1977, 448). Abgesehen von der Auswirkung auf die Entstehung des (unselbständigen) Vorsteuerabzugsanspruchs hat die Rechnungserteilung aber keine Bedeutung. Die persönliche Berechtigung (Unternehmereigenschaft) des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs und nicht der Rechnungserteilung (vgl. BFH-Urteile vom 17.September 1981 V R 76/75, BFHE 134, 461, BStBl II 1982, 198, und vom 6.Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 279).
Die Annahme des FG, die Klägerin sei nicht Unternehmer gewesen, wird von seinen Feststellungen getragen.
Bei Erwerb des Unternehmens war die Klägerin --aus der Sicht zu diesem Zeitpunkt-- Unternehmer weder aufgrund der bis dahin festgestellten Betätigung, noch aufgrund einer sogenannten "Anlaufmaßnahme" in Gestalt dieses Unternehmenserwerbs als Beginn einer unternehmerischen Betätigung damit, noch aufgrund einer Gesamtbetrachtung ihrer bisherigen und anschließenden Tätigkeit, soweit sie in einem erkennbaren Zusammenhang stand.
Unternehmer ist nach § 2 Abs.1 UStG 1967, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs.1 Satz 3 UStG 1967).
a) Bis zum Erwerb des Unternehmens Ende 1970 war die Klägerin nicht aus anderen Gründen Unternehmer. Ihren Beruf als Dolmetscherin übte sie jedenfalls nicht unternehmerisch aus.
Eine Unternehmereigenschaft der Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an Kapitalgesellschaften vor dem Unternehmenserwerb (hier: an der X-GmbH und an der Y-GmbH) und der gelegentlichen Umschichtung solcher Beteiligung scheidet aus. Das bloße Erwerben und Halten solcher Beteiligung ist keine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs.1 UStG 1967. Ob sich dieses Ergebnis damit begründen läßt, es lägen keine Leistungen im "wirtschaftlichen" Sinne vor (so die BFH-Urteile vom 1.Februar 1973 V R 2/70, BFHE 107, 494, BStBl II 1973, 172, und vom 11.Oktober 1973 V R 14/73, BFHE 110, 439, BStBl II 1974, 47 --zur Unterhaltung von Giro-, Bauspar- und Sparkonten, sowie zum Eigentum an festverzinslichen Wertpapieren--), läßt der Senat hier offen. Allerdings kann nicht in Abrede gestellt werden, daß auch Betätigungen dieser Art auf die Erzielung von Einnahmen (vgl. § 2 Abs.1 UStG 1967) gerichtet sind. Der Senat sieht aber als ausschlaggebend an, daß die Einnahmeerzielung durch Zufluß von Zinsen und anderen Erträgen aus Kapitalanlagen und -beteiligungen nicht auf nachhaltiger gewerblicher oder beruflicher Betätigung beruht (vgl. auch Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 1 Anm.7). Das bloße "Einsammeln von Nutzungen" aus einem Kapitalbestand ist, wie im Urteil in BFHE 107, 494, BStBl II 1973, 172 im Ergebnis zutreffend entschieden ist, nichtunternehmerisch (private Kapitalansammlung).
Unternehmerische Betätigung in diesem Sinne könnte aber dann vorliegen, wenn jemand durch geschäftsmäßigen An- und Verkauf von Kapital- oder Gesellschaftsbeteiligungen aller Art wie ein Händler auftritt und damit eine nachhaltige, auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet (vgl. BFH-Urteil vom 13.Dezember 1984 V R 32/74, BFHE 142, 327, BStBl II 1985, 173 --Fahrzeugverkauf eines Rennfahrers--). Die Klägerin erfüllte diese Voraussetzungen aber nicht. Umsätze von Anteilen an Gesellschaften (wie in § 4 Nr.8 UStG 1967 bezeichnet) können zwar in der Umschichtung der Beteiligungen der Klägerin an der X-GmbH im Jahre 1968, an der Z-GmbH in den Jahren 1970 und 1972, und an der W-GmbH ebenfalls im Jahr 1970 gesehen werden. Diese Vorgänge fanden aber noch im nichtunternehmerischen Vermögensverwaltungsbereich der Klägerin und nicht in einem unternehmerischen Bereich "Anlagehandel" statt.
Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen und die Würdigung des FG sind nicht mit Verfahrensrügen angegriffen; sie sind in sich widerspruchsfrei, verletzen nicht die Denkgesetze und knüpfen im Ergebnis an zutreffende Rechtsgrundsätze an. Nach der Würdigung des FG erfüllt die Tätigkeit der Klägerin nicht die Anforderungen, die an einen unternehmerischen Anlagehandel zu stellen sind. Unter Berücksichtigung der Vermögenslage der Klägerin entspricht ihre Tätigkeit dem üblichen Bild einer privaten Vermögensverwaltung. Zielsetzung der Klägerin bei den gelegentlichen einzelnen Beteiligungsgeschäften war nach den Feststellungen des FG in erster Linie eine möglichst breite Streuung ihres Vermögens, um damit das wirtschaftliche Risiko der Vermögensanlage zu verringern. Diese subjektive Zielrichtung, die das Handeln der Klägerin bestimmte, ist ebenso wie ihr --nach außen hin in Erscheinung tretendes-- Verhalten für eine private Vermögensverwaltung nicht untypisch.
b) Der Erwerb und die Einbringung des Unternehmens A-Fabrik durch die Klägerin in die KG gleichen Namens gegen Gewährung der Kommanditistenstellung ergaben ebenfalls keine Unternehmereigenschaft der Klägerin.
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH ist zwar die Einbringung eines Unternehmens in eine Personengesellschaft mit Beteiligung des Einbringenden am Gesellschaftsvermögen eine entgeltliche "Geschäftsveräußerung im ganzen" (§ 10 Abs.4 UStG 1967), die jedenfalls dann steuerbar ist, wenn sie der letzte Akt der vorangegangenen unternehmerischen Tätigkeit des eingebrachten Unternehmens ist (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 13.März 1986 V R 155/75, BFH/NV 1986, 500, und vom 9.Juli 1964 V 287/61 S, BFHE 79, 633, BStBl III 1964, 464; RFH-Urteil vom 9.September 1938 V 573/37, RStBl 1938, 1165). Der Senat braucht dieser Frage der Entgeltlichkeit ebensowenig nachzugehen wie der Abgrenzung der entgeltlichen Sacheinlage des Gesellschafters in die Gesellschaft von der nichtsteuerbaren Einlage in Erfüllung einer Beitragsverpflichtung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26.Januar 1984 V R 65/76, BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231, mit Anmerkung in Höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung --HFR-- 1984, 300). Denn auch der Erwerbs- und Einlagevorgang erfüllt nicht die Voraussetzungen einer unternehmerischen (und damit steuerbaren) Tätigkeit der Klägerin. Da die Klägerin das Unternehmen nur zum Zweck der Sacheinlage in die unmittelbar nach Erwerb des Unternehmens gegründete KG, und nicht zum Zweck der eigenen Weiterführung erworben hatte, ist die Einbringung nicht letzter Akt der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit. Auch der Umstand, daß die Geschäftsveräußerung (Einbringung) ein Bündel unterschiedlicher Umsätze enthält (vgl. Klenk, Umsatzsteuer-Rundschau 1982, 114, 116) führt nicht zur Annahme einer "nachhaltigen" gewerblichen Tätigkeit dabei. Vorgänge dieser Art sind gerade nicht Gegenstand einer auf Dauer angelegten geschäftlichen Veräußerungstätigkeit. Zwar erforderte die Erfüllung der Einbringungsverpflichtung durch die Klägerin zivilrechtlich eine Reihe von Verfügungsgeschäften, da über die den Unternehmensgegenstand bildenden Sachen, Rechte und sonstigen wirtschaftlichen Werte wegen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes einzeln zwischen der Klägerin und der KG zu verfügen war (Baumbach/Duden/Roth, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 27.Aufl., 1986, Einleitung vor § 1 II 2 A). Dem entspricht es, daß umsatzsteuerrechtlich eine Vielzahl von Umsätzen vorliegt. Entscheidend für die Frage, ob die diesen Umsätzen zugrunde liegende Tätigkeit die Unternehmereigenschaft der Klägerin begründet, ist jedoch nicht in erster Linie diese Vielzahl von Umsätzen, sondern ob die Klägerin mit der Einbringung des Unternehmens in die KG als solche eine auf gewisse Dauer angelegte geschäftliche Tätigkeit entfaltet hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat sich die Betätigung der Klägerin bezüglich der Einbringung der A-Fabrik in die KG gleichen Namens, deren Gesellschafter die Klägerin und ihr Ehemann sind, im Abschluß des Einbringungsvertrags erschöpft. Revisionsangriffe dagegen liegen nicht vor.
Soweit sich die Klägerin durch die Vermietung eines Raumes ihres Einfamilienhauses an die zum 1.Januar 1971 gegründete KG und durch die Darlehensgewährung ebenfalls an die KG 1971 (in diesem Rahmen) unternehmerisch betätigt haben sollte --was hier im Hinblick auf den Revisionsantrag der Klägerin offenbleiben kann (s.u.)-- könnte der Erwerb des Einzelunternehmens (als ein Erwerb für das Unternehmen i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967) nicht erfaßt werden. Als sog. Anlaufmaßnahme für eine unternehmerische Betätigung der angesprochenen Art könnte der Unternehmenserwerb schon mangels entsprechenden Erwerbszwecks nicht angesehen werden. Die Zugehörigkeit des Erwerbsvorgangs zur Privatsphäre der Klägerin (Vermögensverwaltung) bliebe unberührt.
c) Auch das Gesamtbild der Betätigung der Klägerin im Rahmen ihrer Gesellschaftsbeteiligungen bis 1970 läßt nicht erkennen, daß sie sich im Sinne eines auf gewisse Dauer angelegten Geschäftsbetriebs --wie ein Händler auf dem Gebiet der Kapital- und Gesellschaftsbeteiligungen-- betätigt hat (vgl. zu dieser Auslegung der unternehmerischen Tätigkeit im Hinblick auf den Unternehmerbegriff des Art.4 der Zweiten Umsatzsteuer-Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 11.April 1967, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1967, 1301: Urteil in BFHE 142, 327, BStBl II 1985, 137).
d) Aufgrund des eindeutigen Verpflichtungsantrags der Klägerin auf Erlaß eines Umsatzsteuerbescheids 1971 mit dem negativen Betrag von 390 978,94 DM, an den der Senat gebunden ist (§ 96 Abs.1 Satz 2, § 121 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), war die Revision nach den dargelegten Grundsätzen zurückzuweisen. Die Klägerin hat nicht den Erlaß eines Umsatzsteuerbescheids 1971 mit einer Steuerfestsetzung von 0 DM oder einem positiven Betrag begehrt. Ein solcher Bescheid würde über ihr Klage- und Revisionsbegehren hinausgehen. Damit kann, wie bereits angedeutet, die Frage einer unternehmerischen Betätigung 1971 durch Vermietung und Darlehensgewährung offenbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 414951 |
BStBl II 1987, 512 |
BFHE 149, 272 |
BFHE 1987, 272 |
BB 1987, 1097 |
BB 1987, 1097-1099 (ST) |
DB 1987, 1400-1402 (ST) |
DStR 1987, 467-467 (ST) |
HFR 1987, 470-471 (ST) |
Information StW 1987, 280-280 (ST) |
DStZ/E 1987, 168-168 (ST) |
DVRdsch 1987, 191-191 (S) |