Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler infolge Übergehens tatsächlichen Vorbringens eines Beteiligten
Leitsatz (NV)
1. Das FG hat nach § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, ohne dabei an ein bestimmtes Vorbringen der Beteiligten gebunden zu sein. Jede Partei kann ihre tatsächlichen Behauptungen grundsätzlich bis zum Schluß der letzten Tatsachenverhandlung frei widerrufen.
2. Übergeht das FG neues tatsächliches Vorbringen, so ist sein Urteil auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin aufzuheben.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1; EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Gründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Kläger rügen mit Erfolg, daß das FG den Sachverhalt entgegen seiner Verpflichtung aus § 76 Abs. 1 FGO mangelhaft aufgeklärt habe. Das FG durfte bei seiner Entscheidung nicht unterstellen, es sei unklar, ob etwaige spätere Einkünfte der Kläger aus dem Grundstück den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder denen aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen seien. Es ließ dabei das Vorbringen der Kläger unberücksichtigt, sie hätten sich seit dem Jahre 1980 ausschließlich darum bemüht, das Grundstück an Dritte zu vermieten, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen; sie hätten zu diesem Zwecke auch konkrete Schritte unternommen. Das FG durfte diesen Vortrag der Kläger nicht mit der Begründung als unbeachtlich ansehen, er stehe in Widerspruch zu ihrem Vorbringen im Rechtsbehelfsverfahren. Das FG hat nach § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, ohne dabei an ein bestimmtes Vorbringen der Beteiligten gebunden zu sein. Jede Partei kann ihre tatsächlichen Behauptungen grundsätzlich bis zum Schluß der letzten Tatsachenverhandlung frei widerrufen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 23. November 1977 IV ZR 131/76, FamRZ 1978, 332; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., § 288 Anm. 1 B).
2. Die Sache geht an das FG zurück, damit dieses die nach den Ausführungen zu 1. erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt.
Für das weitere Verfahren verweist der erkennende Senat zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für ein unbebautes Grundstück infolge eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als vorabentstandene Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu beurteilen sind, auf die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355, und vom selben Tag VIII R 130/79, BFHE 138, 195, BStBl II 1983, 554.
Fundstellen
Haufe-Index 422823 |
BFH/NV 1991, 759 |