Leitsatz (amtlich)
Ein Kauf kann auch dann "aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht" sein, wenn der Käufer wegen bestehender Sachmängel zunächst nur Minderung des Preises verlangt hatte und erst bei einem Vergleich mit dem Verkäufer zur Wandelung übergegangen ist.
Normenkette
GrEStG Berlin § 28 Abs. 2 Nr. 3; GrEStG 1940 § 17 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und ihr Ehemann (Erwerber) hatten am 11. November 1970 je zur unabgeteilten Hälfte ein - aufgrund der Teilungserklärung der Eigentümer (Veräußerer) vom selben Tage zu bildendes - Wohnungseigentum an einem Berliner Grundstück gekauft. Das FA (Beklagter) hatte gegen die Klägerin die Grunderwerbsteuer für ihren Erwerb festgesetzt; diese ist gezahlt.
Die Erwerber waren als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden. Sie hatten gegen die Veräußerer Klage auf Minderung des Kaufpreises erhoben, weil die Eigentumswohnung statt der vertraglich vorausgesetzten 90 qm nur 73 qm Wohnfläche habe und eine Anzahl - einzeln aufgeführter - Sachmängel aufweise. Am 22. Mai 1973 ist der Kaufvertrag zu gerichtlichem Protokoll aufgehoben und in diesem Prozeßvergleich das Wohnungseigentum an die Veräußerer aufgelassen worden.
Die Klägerin verlangt Erstattung der Grundgewerbesteuer. Das FA hat den Antrag abgelehnt. Das FG hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die vom BFH zugelassene Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt § 28 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG von Berlin.
Zu dieser Vorschrift hat das FG nur ausgeführt: "Es ergibt sich weder aus dem Vorbringen im Zivilprozeß noch aus dem Vorbringen in diesem Rechtsstreit, daß die Vertragsbedingungen des Kaufvertrags nicht erfüllt worden seien und dehalb das Rechtsgeschäft aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht worden sei". Das ist unverständlich, da das FG im Tatbestand ausdrücklich "den Zivilprozeß vor dem Landgericht Berlin" erwähnt, in dem "verschiedene Mängelrügen" erhoben waren und "Kaufpreisminderung in Höhe von mindestens 20 000 DM begehrt" worden war.
Gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG Berlin - inhaltlich übereinstimmend mit § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG 1940 - ist die Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang zu erstatten, wenn "der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurückerworben hat und die Vertragsbedingungen" - gemeint: Vertragsbestimmungen (Urteil vom 23. Februar 1956 II 286/55, BFHE 62, 356, BStBl III 1956, 131) - "des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird". Die "Vertragsbedingungen" in diesem Sinne sind nicht nur dann "nicht erfüllt", wenn der Käufer die von ihm übernommenen Hauptpflichten nicht einhält (vgl. Urteil vom 10. Juni 1969 II 41/65, BFHE 96, 76, BStBl II 1969, 559) oder dem Grundstück eine zugesicherte Eigenschaft (vgl. § 463 BGB) fehlt (vgl. Urteil vom 5. August 1969 II R 11-12/67, BFHE 96, 491 [493], BStBl II 1969, 689), sondern - wie die Regelung des § 28 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG Berlin für die Fälle der Minderung (§§ 462, 472 BGB) zeigt - auch bei Sachmängeln (§ 459 BGB), die der Verkäufer zu vertreten hat (§ 460 BGB). Sachmängel (§ 459 BGB) und Fehlen zugesicherter Eigenschaften (§§ 463, 468 BGB) können zu einem Anspruch des Käufers auf Wandelung führen (§ 462 BGB). Diese ist vollzogen, wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt (§ 465 BGB). Sie führt zu dem gegenseitigen Rechtsanspruch, sich die empfangenen Leistungen Zug um Zug zurückzugewähren (§§ 467, 346, 348 BGB).
Demnach kann die Sachmängelhaftung des Verkäufers (§ 459 BGB) i. S. des § 28 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG Berlin zu einem Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung des Kaufs führen, sofern sie den Anspruch des Käufers auf Wandelung begründet (§§ 462,467 BGB). Der "vorausgegangene Rechtsvorgang" ist i. S. dieser Vorschrift "rückgängig gemacht", wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt hat § 465 BGB) -vgl. zur Minderung Urteil vom 12. Juni 1968 II 155-156/64, BFHE 93, 121 [125], BStBl II 1968, 749) - und das in Erfüllung der Wandelung (§§ 467, 346 Satz 1 BGB) an den Verkäufer aufgelassene (§§ 925, 873 Abs. 1 BGB) Grundstück im Grundbuch auf den Namen des Verkäufers eingetragen worden ist (Urteil vom 9. Oktober 1974 II R 67/68, BFHE 114, 281 [282], BStBl II 1975, 245; vgl. Beschluß vom 31. Mai 1972 II B 30/71, BFHE 105, 287 [289] BStBl II 1972, 636).
Dabei ist unerheblich, wenn sich der Käufer zunächst auf das Verlangen der Minderung des Kaufpreises beschränkt hatte (§§ 462, 472 BGB) und erst, nachdem der Verkäufer sich mit diesem nicht einverstanden erklärte, zum Anspruch auf Wandelung übergegangen war (§§ 462, 467 BGB). Denn erst die durch die Erklärung des Einverständnisses des Verkäufers vollzogene Minderung (§ 465 BGB) schließt den Anspruch auf Wandelung wegen des Mangels aus, der zur Minderung geführt hat (§ 474 Abs. 2 BGB); sie läßt den Wandelungsanspruch wegen anderer Sachmängel unberührt (§ 475 BGB).
Wird der Anspruch auf Minderung wegen eines Mangels rechtshängig, ist auch die Verjährung des Anspruchs auf Wandelung wegen dieses Mangels unterbrochen (§ 477 Abs. 3, § 209 BGB); selbst die eingetretene Verjährung schafft nur ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 Abs. 1 BGB), bringt aber - anders als im Steuerrecht (§ 232 AO 1977) - den Anspruch nicht zum Erlöschen. Anders als im Falle des § 263 Abs. 2 BGB läßt also die zunächst durch Erhebung der Klage auf Minderung des Kaufpreises getroffene Wahl den - etwa gegebenen - Wandelungsanspruch unberührt; er hätte - sofern begründet - der Klägerin nur dann verlorengehen können, wenn sie oder ihr Ehemann den Veräußerern gegenüber auf das Recht der Wandelung verzichtet oder einer von ihnen dieses Recht verwirkt hätte (§§ 467, 356 BGB).
Ob die Klägerin die Klage auf Minderung des Kaufpreises statt auf Wandelung nur um des geringeren Prozeßkostenrisikos gewählt hat oder ob sie von dem Verlangen der Minderung zu dem der Wandelung nur deshalb übergegangen ist, weil sich die Veräußerer zwar mit dieser, aber nicht mit jener einverstanden erklärten (§ 465 BGB) und nur auf diese Weise der Zivilprozeß zu einem raschen Ende kommen konnte, muß sich demzufolge gleichbleiben. Entscheidend ist vielmehr, ob die behaupteten Sachmängel bestanden, von den Veräußerern zu vertreten waren und einen Anspruch auf Wandelung begründeten.
Diesbezüglich hat das FG keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 72752 |
BStBl II 1978, 379 |
BFHE 1978, 550 |