Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen für den Erwerb eines unfertigen Gebäudes sind nicht nach § 7b EStG begünstigt (Anschluß an die ständige BFH-Rechtsprechung; vgl. zuletzt das Urteil vom 21. November 1969 VI R 26/68, BFHE 97, 374, BStBl II 1970, 118).
Normenkette
EStG 1958 § 7b
Tatbestand
Streitig ist, ob eine AfA nach § 7b EStG auch von den Kosten für den Erwerb eines Rohbaues statthaft ist.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie erwarben im Jahre 1962 ein Grundstück, auf dem der Verkäufer mit einer vor dem 9. März 1960 beantragten Baugenehmigung ein Haus im Rohbau erstellt hatte. Die Anschaffungskosten der Kläger für den Rohbau betrugen 165 734,54 DM. Die Kläger ließen das Haus anschließend für 338 457 DM fertigstellen; es dient zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) gewährte für das Streitjahr 1964 die AfA nach § 7b EStG nur für die Fertigstellungskosten, die durch eine Betriebsprüfung ermittelt worden waren, während die Kläger die erhöhte AfA auch von den Erwerbskosten für den Rohbau beantragt hatten. Ihr Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als für diese Kosten die AfA nach § 7 EStG berücksichtigt wurde.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es führte im wesentlichen aus: § 7b Abs. 1 EStG lasse eine gegenüber § 7 EStG erhöhte AfA nur von den Herstellungskosten zu. Die Kosten für den Erwerb eines Rohbaues seien nach ständiger Rechtsprechung des BFH keine Herstellungskosten, sondern Anschaffungskosten (Hinweis auf Urteile vom 25. Juni 1953 IV 2/53 U, BFHE 57, 629, BStBl III 1953, 241; vom 25. Juni 1953 IV 39/53 U, BFHE 57, 631, BStBl III 1953, 242; vom 19. Mai 1961 VI 127/60 U, BFHE 73, 238, BStBl III 1961, 354; vom 27. November 1962 VI 52/62 U, BFHE 76, 321, BStBl III 1963, 117; vom 15. Januar 1965 VI 30/64, StRK, Einkommensteuergesetz, § 7 b, Rechtsspruch 102, HFR 1965, 358).
Mit der Revision machen die Kläger geltend, die bisherige BFH-Rechtsprechung sei in sich widersprüchlich, da im Bereich des § 7 EStG der Rohbaukaufpreis zu den Herstellungskosten zähle und nach der Entscheidung VI 127/60 U der Begriff der Herstellung, der § 7b EStG zugrunde liege, der gleiche sei, der für die Bemessung der AfA nach § 7 EStG gelte. Ferner falle alles, was zur Herstellung eines Gebäudes erworben werde, zunächst unter den Begriff Anschaffungskosten. Bei jeder Bauabrechnung, z. B. nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) zähle ein Rohbaukaufpreis zu den Herstellungskosten des Gebäudes.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
In der Entscheidung vom 21. November 1969 VI R 26/68 (BFHE 97, 374, BStBl II 1970, 118) hat der VI. Senat unter Anführung vorhergegangener BFH-Entscheidungen und der hiergegegen vom Schrifttum erhobenen Kritik den Standpunkt der Rechtsprechung zusammengefaßt. Danach ergebe sich aus dem Wortlaut von Abs. 1 und 3 des § 7b EStG, daß zwischen Herstellungskosten (des Bauherrn) und Anschaffungskosten (des Erwerbers) unterschieden werden müsse. Der Erwerber eines Rohbaues habe diesen nicht hergestellt, wie es die Regelung des § 7b Abs. 1 EStG bindend vorschreibe, sondern angeschafft. Gegen den Einwand, das Vorliegen von Herstellungskosten lasse sich erst aus der Sicht des fertiggestellten Gebäudes beurteilen, spreche unter anderem die Gefahr der grenzenlosen Ausweitung des § 7b EStG. Erst die Fertigstellung des Gebäudes erfülle auch den mit § 7b EStG erstrebten Zweck der Wohnungsbauförderung. Zuverlässige Anhaltspunkte dafür, daß der Wortlaut den wirklichen Willen des Gesetzgebers nicht zum Ausdruck bringe, lägen nicht vor.
Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsprechung bei. Die Argumente der Gegenmeinung vermögen ihn nicht davon zu überzeugen, daß eine Abkehr von der jahrzehntelang gefestigten Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis unabweisbar geboten wäre. Es läßt sich mit Fug bestreiten, daß der Erwerb eines Rohbaues oder Trümmergrundstücks rechtlich und wirtschaftlich ebenso wie die Anschaffung von Baumaterial für die noch folgende Gebäudeerrichtung zu beurteilen wäre (vgl. Hoffmann, FR 1963, 551; Steinhaus, DStZ A, 1963, 150, 152). Die Vorentscheidung hebt ferner zutreffend hervor, daß auch Praktikabilitätserwägungen, denen bei der Auslegung von Steuergesetzen anerkanntermaßen erhebliches Gewicht beizumessen ist (BVerfGE 13, 290, [316], BStBl I, 492 [499]; 32, 145 [155], BStBl II 1972, 48 [51]), für den Standpunkt der bisherigen BFH-Rechtsprechung anzuführen sind. Auf die Abgrenzungsschwierigkeiten, zu denen die Gegenansicht führen würde, hat bereits Hoffmann (FR 1963, 551) hingewiesen. Im übrigen folgt der Senat der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, das aus der Funktion eines obersten Bundesgerichts, eine stetige richtungsweisende einheitliche Linie der Rechtsprechung zu entwickeln, gefolgert hat, es solle von einer Rechtsprechung nicht abweichen, wenn sowohl für die eine wie die andere Ansicht gute Gründe sprächen (vgl. Urteile vom 15. Februar 1962 II AZR 322/60, BAGE 12, 278 [284], und vom 17. Oktober 1963 1 ABR 1/63, Nachschlagewerk des Bundesarbeitgerichts, Arbeitsrechtliche Praxis, Nr. 13 zu § 76 des Betriebsverfassungsgesetzes mit zustimmender Anmerkung von A. Hueck; desgleichen Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl., § 132, Anm. 14; vgl. ferner Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Einführung zur Finanzgerichtsordnung Anm. 16 S. 1546).
Fundstellen
Haufe-Index 70453 |
BStBl II 1973, 559 |
BFHE 1973, 185 |