Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung fest, daß ein Steuerpflichtiger, der ein unfertiges Gebäude erworben und es dann fertiggestellt hat, die erhöhten AfA des § 7b EStG nur für seine eigenen Aufwendungen zur Fertigstellung des Gebäudes in Anspruch nehmen kann.
Normenkette
EStG § 7b
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten sind Eheleute. Die Ehefrau hat im Jahre 1958 ein Grundstück mit einem darauf im Bau befindlichen Einfamilienhaus zum Preis von rd. 53 000 DM erworben, wovon rd. 47 000 DM auf den Rohbau entfallen. Sie hat das im Rohbau befindliche Einfamilienhaus auf Grund der Baugenehmigung vom Januar 1959 fertiggestellt. Dafür hat sie nochmals rd. 52 000 DM aufgewandt. Das Haus ist im April 1959 bezugsfertig geworden.
Die Kläger nahmen bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1965 die Sonderabschreibung (AfA) nach § 7b EStG aus einem Betrag von rd. 100 000 DM in Anspruch, weil auch der an den Verkäufer des Rohbaus gezahlte Preis zu den Herstellungskosten rechne. Das FA ließ die AfA nach § 7b EStG jedoch nur aus dem Betrag von rd. 52 000 DM zu, weil im übrigen "Anschaffungskosten" vorlägen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Es führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1968 S. 299 (EFG 1968, 299) veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Auf das im April 1959 bezugsfertig gewordene Einfamilienhaus sei § 7b EStG 1958 anzuwenden; denn die Fertigstellung sei nach dem 31. Dezember 1952 erfolgt und der Antrag auf Baugenehmigung sei vor dem 9. März 1960 gestellt worden (§ 7b Abs. 1 EStG 1958 in Verbindung mit § 52 Abs. 5 EStG 1960 und § 7b Abs. 7 EStG 1965). Der BFH habe zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß derjenige, der ein im Rohbau befindliches Gebäude erwerbe und es fertigbaue, die AfA nach § 7b EStG nur von den zur Fertigstellung aufgewendeten Kosten in Anspruch nehmen könne. Diese Rechtsprechung sei im Schrifttum zum Teil gebilligt, überwiegend jedoch abgelehnt worden. Auch zwei andere FG hätten in Entscheidungen, die in EFG veröffentlicht worden seien, gegen die Auffassung des BFH Stellung genommen. Den Entscheidungen dieser FG sei zuzustimmen. Denn aus der Sicht des von einem Steuerpflichtigen hergestellten Wirtschaftsguts seien auch die Kosten, die für die von Dritten erworbenen Gegenstände aufgewendet worden seien und die für sich genommen Anschaffungskosten seien, Herstellungskosten. Dies müsse auch gelten, wenn der Steuerpflichtige ein Baugrundstück mit einem im Bau befindlichen Gebäude erworben habe und dieses zu Ende baue. Die Rechtsprechung des BFH führe zu dem unbefriedigenden und letztlich ungerechten Ergebnis, daß weder der Veräußerer noch der Erwerber des Rohbaus die Vergünstigung des § 7b EStG für die Kosten des Rohbaus in Anspruch nehmen könne.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
Nach § 7b Abs. 1 EStG 1958, der, wie das FG mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, auf den Streitfall anwendbar ist, können bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1952 errichtet worden sind und zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dienen, abweichend von § 7 EStG im Jahr der Herstellung und in dem darauffolgenden Jahr auf Antrag 10 v. H. der Herstellungskosten abgesetzt werden. Der BFH hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Aufwendungen für den Erwerb eines Rohbaus nicht zu den Herstellungskosten im Sinne der vorgenannten Vorschrift gehören, weil insoweit nicht begünstigt abschreibbare Anschaffungskosten vorlägen (vgl. die Urteile IV 2/53 U vom 25. Juni 1953, BFH 57, 629, BStBl III 1953, 241; IV 39/53 U vom 25. Juni 1953, BFH 57, 631, BStBl III 1953, 242; VI 52/62 U vom 27. November 1962, BFH 76, 321, BStBl III 1963, 117; VI 30/64 vom 15. Januar 1965, HFR 1965, 358; VI 147/64 vom 8. Juni 1966, BFH 86, 467, BStBl III 1966, 535). Diese Rechtsprechung hat der Senat, obwohl die vom FG im Streitfall zitierten FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 3. Juni 1960, EFG 1961, 7) und München (Urteil vom 24. November 1961, EFG 1962, 247) sich bewußt und ausdrücklich dagegen gewandt haben, aufrechterhalten und die genannten vorstehenden FG-Urteile aufgehoben. Der Senat war sich dabei durchaus der im Schrifttum erhobenen Kritik (vgl. z. B. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 7b Rdnrn. 114 f.; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7b EStG a. F., Anm. 21 a; Vangerow, StuW 1953 Spalten 718 ff., 721, und 1963 Spalten 507 ff., 510; Boettcher, StuW 1961 Spalten 631 ff., 635; Labus, BB 1963, 174) bewußt. Diese konnte es aber ebensowenig wie die Vorentscheidung und die neuerdings im Schrifttum gegen die Rechtsprechung des BFH erhobenen, inhaltlich aber nicht neuen Bedenken (vgl. z. B. Everding in Loepelmann zu BFH-Entscheidung VI 147/64 vom 8. Juni 1966 [IV] 1; Socher, BB 1967, 160; Hanraths, BB 1969, 262, DStR 1966, 576) rechtfertigen, die ständige Rechtsprechung aufzugeben.
Nach § 7b Abs. 1 EStG 1958 können die "Herstellungskosten" begünstigt abgeschrieben werden. Was Herstellungskosten sind, bestimmt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich. Durch die Gegenüberstellung der Begriffe "Herstellungskosten" und "Anschaffungskosten" in § 7b Abs. 3 EStG 1958 und in § 7 Abs. 1 EStG 1958 wird aber deutlich, daß zu den Herstellungskosten nicht die Anschaffungskosten rechnen. Die Aufwendungen der Revisionsbeklagten zum Erwerb des Rohbaus sind jedoch Anschaffungskosten; denn sie sind für die Anschaffung des Rohbaus erbracht worden.
Auch das FG verkennt nicht, daß der auf das Gebäude entfallende Teil des Kaufpreises "für sich genommen" zu den Anschaffungskosten rechnet. Es meint jedoch, in bezug auf das fertige Gebäude seien diese Anschaffungskosten Herstellungskosten, weil die Frage, zu welcher Kostenart jene Aufwendungen gehören, aus der Sicht des fertigen Gebäudes als des hergestellten Wirtschaftsgutes zu beurteilen sei (vgl. auch Littmann, a. a. O.; Herrmann-Heuer, a. a. O.; Boettcher, a. a. O.; Vangerow, a. a. O.). Dieser Betrachtung vermag der Senat nicht zu folgen. Hätte die Revisionsbeklagte den Rohbau nach dem Erwerb nicht vervollständigt, so hätten unzweifelhaft hinsichtlich des Erwerbs des Rohbaus Anschaffungskosten vorgelegen. Hätte sie z. B. den Rohbau innerhalb der Zweijahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG veräußert, so wären die entsprechenden Einkünfte, weil der Rohbau "angeschafft" wurde, als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften zu versteuern gewesen. Der Umstand, daß sie das Gebäude dann aber vervollständigt hat, kann die ursprüngliche Anschaffung des Rohbaus und Zurechnung ihrer Aufwendungen zu den Anschaffungskosten nicht verändern. Es kommt noch hinzu, daß dann, wenn die Betrachtungsweise des FG zuträfe, § 7b EStG leicht grenzenlos ausgeweitet werden könnte. Es würde fast jede Anschaffung eines Gebäudes zu begünstigt abschreibbaren Herstellungskosten führen, selbst wenn der Veräußerer - überspitzt ausgedrückt - nur das Haustürschloß noch nicht angebracht hätte. Es ist zwar zuzugeben, daß die Herstellung eines Gebäudes nahezu ausgeschlossen ist, ohne daß der Hersteller auch Baumaterialen "anschafft". Um aber hier gerade eine klare Abgrenzung von Anschaffungskosten und Herstellungskosten eines Gebäudes zu bekommen, hat die Rechtsprechung des BFH zu den Herstellungskosten nur solche Aufwendungen gerechnet, die ein Steuerpflichtiger als Bauherr "auf Grund der von ihm mit Bauhandwerkern geschlossenen Verträge zur Erstellung von neuem Wohnraum gemacht hat" (vgl. neuerdings das Urteil VI 147/64, a. a. O.).
Der Wortlaut des § 7b Abs. 1 EStG 1958 spricht also dafür nur für die reinen Herstellungskosten die begünstigte Abschreibung zuzulassen. Das der Auslegung durch den BFH entsprechende Ergebnis kann entgegen der Ansicht des FG auch nicht deswegen als unbefriedigend angesehen werden, weil weder der Veräußerer noch der Erwerber des Rohbaus § 7b EStG in Anspruch nehmen könne, obwohl dem Gesetzeszweck voll entsprochen worden sei. Mit der Schaffung des § 7b EStG sollte der dringend notwendige Wohnungsbau gefördert und die Herstellung zusätzlichen Wohnraums angeregt werden (vgl. die BFH-Urteile IV 2/53 U, a. a. O.; IV 39/53 U, a. a. O.). Erst die Fertigstellung des Gebäudes erfüllt aber die mit § 7b EStG erstrebten Zwecke. Deshalb sind nur die Fertigstellungskosten als Herstellungskosten begünstigt abschreibbar.
Selbst wenn man mit dem FG davon ausgehen wollte, § 7b EStG sei nicht eng auszulegen, so könnten die Gerichte von dem Wortlaut des Gesetzes doch allenfalls abweichen, wenn zuverlässige Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß er den wirklichen Willen des Gesetzgebers nicht zum Ausdruck bringt (vgl. das Urteil des Senats VI 319/60 U vom 6. Dezember 1961, BFH 74, 328, BStBl III 1962, 126). Im Streitfall entspricht aber die vom BFH gewählte Auslegung dem Wortlaut. Sie widerspricht auch nicht dem Zweck des Gesetzes.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da der Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zutreffend ist, war die gegen ihn gerichtete Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 68852 |
BStBl II 1970, 118 |
BFHE 1970, 374 |