Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilamortisationsleasingvertrag
Leitsatz (NV)
1. Ein Leasingvertrag begründet keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.
2. Der Grunderwerbsteuer unterliegt erst der durch Ausübung des Ankaufsrechts herbeigeführte Kaufvertrag. Bei der Ermittlung der Gegenleistung für diesen Erwerb können neben dem vereinbarten Kaufpreis auch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingraten) als “sonstige Leistung” i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berücksichtigt werden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Industrie-GmbH hatte mit Kaufvertrag vom 14. Dezember 2000 von der Stadt … Stadt ein Ankaufsrecht für ein Grundstück erworben. Dieses Ankaufsrecht wurde mit Vertrag vom 9. Januar 2001 auf die Fa.-KG übertragen. Am 18. Januar 2001 schloss die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit der KG einen Ankaufsrechtsvertrag und einen Immobilienleasingvertrag.
Nach dem Immobilienleasingvertrag war Leasinggegenstand das Grundstück, auf das sich das Ankaufsrecht bezog, mit einem auf ihm noch zu errichtenden …zentrum. Planung und schlüsselfertige Errichtung des Leasinggegenstandes sollten durch die KG als Bauherr und Auftraggeber erfolgen. Die Klägerin war berechtigt und verpflichtet, die KG bei der Planung und der Errichtung des Leasinggegenstandes tatkräftig und ohne zeitliche Verzögerung zu unterstützen. Die Gesamtinvestitionskosten sollten voraussichtlich 28 700 000 DM betragen. Die Mietzeit sollte zunächst zehn Jahre betragen und von der Klägerin jeweils sechs Monate vor Ablauf zweimal um drei Jahre verlängert werden können. Zum Ende der ersten Mietperiode sollte der voraussichtliche Restwert 18 350 000 DM, zum Ende der ersten Mietverlängerungsperiode 15 290 000 DM und zum Ende der zweiten Mietverlängerungsperiode 12 230 000 DM betragen. Nach Ablauf der Gesamtmietzeit sollte die Klägerin das Leasingobjekt an die KG in bezugsfertigem Zustand, frei von umweltschädlichen Stoffen zurückgeben. Während der vereinbarten Leasingdauer hatte die KG der Klägerin das Leasingobjekt zur uneingeschränkten Nutzung zu überlassen. Der Leasingvertrag war, abgesehen von der Möglichkeit der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, unkündbar. Im Falle der ganzen bzw. teilweisen Zerstörung des Leasingobjektes war die Klägerin zur Wiederherstellung bzw. zum Wiederaufbau auf ihre Kosten verpflichtet, es sei denn, die ganze oder teilweise Zerstörung wäre nicht von ihr zu vertreten. Die Gefahr des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs des Leasingobjektes sollte die KG tragen. Ab Vertragsschluss sollte die Klägerin sämtliche Nebenkosten tragen. Nach Beginn der Gesamtmietzeit waren Mietzahlungen auf der Basis der endgültigen Gesamtinvestitionskosten zu leisten.
Im Ankaufsrechtsvertrag war vereinbart, dass die Klägerin oder ein von ihr zu benennender Dritter zum Ablauf der --ggf. verlängerten-- Mietzeit bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Immobilienleasingvertrags durch die Klägerin den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt verlangen konnte. Das Verlangen war sechs Monate vor dem jeweiligen Ablauf der Mietzeit durch eingeschriebenen Brief mitzuteilen. Der Kaufpreis entsprach dem im Immobilienleasingvertrag vereinbarten vertraglichen Restwert zum Ende der --ggf. verlängerten-- Mietzeit, mindestens aber dem steuerlichen Restbuchwert des Grundstücks nebst Baulichkeiten und Anlagen, wie er sich nach Abzug der linearen Abschreibungen ergeben würde. Der Kaufpreis sollte sich erhöhen um alle Aufwendungen, die die KG bis zum Ankaufszeitpunkt in Auswirkung der Übernahme der Gefahr des zufälligen ganzen oder teilweisen Untergangs des Leasinggegenstandes oder der Übernahme der Pflicht zur Wiederherstellung bzw. zum Wiederaufbau des Leasinggegenstandes bei ganzer oder teilweiser Zerstörung oder einer Inanspruchnahme durch Dritte hinsichtlich des Leasinggegenstandes getragen hätte.
Die KG bewilligte und beantragte, im Grundbuch zu Lasten des Grundstücks und zur Sicherung des bedingten Übereignungsanspruchs zugunsten der Klägerin eine Vormerkung einzutragen.
Nach einer als Anlage zum Ankaufsrechtsvertrag getroffenen Vereinbarung konnte die Klägerin von der KG verlangen, dass diese das ihr übertragene Ankaufsrecht zum Erwerb des Eigentums an dem Grundstück ausübt. Dieses Verlangen hatte die Klägerin der KG bis spätestens sechs Monate vor Ablauf der Bindungsfrist der Stadt an das Angebot, also bis zum Ablauf des 30. Juni 2003 bzw. 30. Juni 2007 mitzuteilen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 9. März 2001 auf der Grundlage der Gesamtinvestitionskosten von 28 700 000 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 1 004 500 DM fest. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig, da die Höhe der Gesamtinvestitionen noch nicht feststand.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, dass der Klägerin lediglich ein mieter-/pächterähnliches obligatorisches Nutzungsrecht zustehe.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Leasingvertrag keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) begründet, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.
a) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn es einem Dritten (Nichtgrundstückseigentümer) ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d.h. dass er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zugunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken. Dabei ist es nicht erforderlich, dass dem Dritten jeweils alle für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte übertragen werden (vgl. jeweils m.w.N. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Februar 2003 II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; vom 30. September 1998 II R 13/96, BFH/NV 1999, 666; vom 17. Januar 1996 II R 47/93, BFH/NV 1996, 579).
Der Erwerb der Verwertungsbefugnis setzt regelmäßig voraus, dass der Berechtigte nicht nur besitz- und nutzungsberechtigt, sondern auch an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt ist, dass er an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach soll teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz soll angreifen können. Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen die Verwertungsbefugnis hervorgeht, müssen gleichzeitig und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestehen (BFH-Urteil vom 27. Januar 1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265).
b) Offen bleiben kann, ob der Klägerin schon deswegen keine Verwertungsbefugnis zustand, weil der KG ihrerseits zunächst nur ein Ankaufsrecht zustand. Denn selbst wenn die Klägerin durch das ihr vertraglich eingeräumte Recht, den Abschluss eines Kaufvertrags und damit --grundbuchmäßig abgesichert-- die Übereignungspflicht, ggf. unter Berücksichtigung des in der Anlage zum Ankaufsrechtsvertrag eingeräumten Rechts, herbeiführen zu können, zu dem für die Ausübung des Ankaufsrechts vorgesehenen Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, über das Grundstück zu verfügen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579; vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251), hätte sie gleichwohl keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG erlangt. Sie war nicht an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt, dass sie an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach sollte teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz sollte angreifen können. Sie war nicht in der Lage, die Verwertung des Grundstücks selbst herbeizuführen und damit das Grundstück letztlich nach eigenem Belieben zu verwerten (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1999 II R 35/97, BFHE 188, 444, BStBl II 1999, 491). Eine solche Verwertungsmöglichkeit hat der BFH insbesondere dann angenommen, wenn der Leasingnehmer jederzeit die Übereignung des Grundstücks herbeiführen und sich dadurch den etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks verschaffen kann (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579; in BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Kann der Leasingnehmer dagegen --wie im Streitfall-- die Übereignungsverpflichtung erst zum Ablauf des Leasingvertrages herbeiführen, besteht diese Verwertungsmöglichkeit nicht (ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Anm. 75). Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestehen in einem solchen Fall nicht gleichzeitig, sondern folgen zeitlich aufeinander (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265). Auf die ertragsteuerliche Zuordnung des Leasingobjektes (vgl. Bundesminister der Finanzen vom 23. Dezember 1991 IV B 2 -S 2170- 115/91, BStBl I 1992, 13 --Ertragsteuerliche Behandlung von Teilamortisations-Leasing-Verträgen über unbewegliche Wirtschaftsgüter--) kann hierbei für die Grunderwerbsteuer nicht abgestellt werden (vgl. m.w.N. Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002, § 1 Anm. 688).
c) Da der Klägerin eine Verwertungsbefugnis nicht zukam, hat das FG zutreffend darauf erkannt, dass der Leasingvertrag im Streitfall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt. Der Grunderwerbsteuer unterliegt vielmehr erst der durch Ausübung des Ankaufsrechts herbeigeführte Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
Bei der Ermittlung der Gegenleistung für diesen Erwerb können neben dem vereinbarten Kaufpreis auch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingraten) als "sonstige Leistung" i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berücksichtigt werden, soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist. Denn für die Annahme, dass die Leasingraten auch Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten, spricht der Umstand, dass die Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten abhängig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1548929 |
BFH/NV 2006, 1704 |