Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff Wirtschaftsgut im Sinne der §§ 6 und 7 EStG.
2. Aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten sind nur zulässig, wenn sie sich auf positive oder negative Wirtschaftsgüter beziehen.
Normenkette
EStG § § 5, 6/1/1, § 6/1/2, § 7
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) liefert Kohlen an Großhändler. Zur Sicherstellung ihrer Forderungen aus den laufenden Lieferungen haben sich auf Betreiben der Bgin. die Kohlengroßhändler im Vertrag vom 2. Oktober 1953 zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen und einen Bürgschaftsstock von 200 000 DM gebildet. Die Bgin. verpflichtete sich, zu diesem Bürgschaftsstock einmalig einen Betrag von 100 000 DM beizutragen und leistete ihn im Jahre 1954; die weiteren 100 000 DM hatten die Kohlengroßhändler aufzubringen. Wenn der Bürgschaftsstock durch Inanspruchnahme für Ausfälle der Bgin. unter den Betrag von 200 000 DM sinkt, müssen die Kohlengroßhändler im Verhältnis des Kohlenbezugs vertragsgemäß wieder auf 200 000 DM auffüllen. Die Bgin. behandelte den Zuschuß von 100 000 DM als Betriebsausgabe des Jahres 1954. Das Finanzamt verlangte die Aktivierung.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es verneinte, daß durch den Zuschuß von 100 000 DM ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut entstanden sei; es handle sich um einen Sonderrabatt der Bgin. an die Großhändler.
Mit der Rechtsbeschwerde macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, die Bgin. habe die Einlage von 100 000 DM nur gemacht, damit auch die Großhändler einen weiteren Betrag von 100 000 DM für den Bürgschaftsstock aufbrächten. Durch den Bürgschaftsstock habe die Bgin. erreicht, daß ihre künftigen Forderungen aus den Lieferungen gesichert worden seien. Durch die Zahlung sei deshalb ihr Betriebsvermögen nicht gemindert worden. Wenn man den Vorteil der Sicherung künftiger Forderungen nicht als aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut anerkenne, müsse der Betrag von 100 000 DM wenigstens in Form der Rechnungsabgrenzung auf 10 Jahre verteilt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Zutreffend hat das Finanzgericht darauf abgestellt, ob der Betrag von 100 000 DM für die Bgin. Anschaffungsaufwand für ein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) war. Der Begriff Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 EStG wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Er umfaßt nicht nur Sachen und Rechte in bürgerlich-rechtlichem Sinne, sondern alle Güter positiver und negativer Art (Vermögenswerte und Schulden), die dem Betrieb dienen und nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertungsfähig sind. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, bestimmt sich bei positiven Wirtschaftsgütern vor allem danach, ob ein Erwerber des ganzen Betriebs nach kaufmännischer übung einen durch Aufwendungen geschaffenen Gegenstand für so greifbar und so wertvoll halten würde, daß er dafür im Rahmen des Gesamtkaufpreises ein besonderes Entgelt ansetzen würde. Nicht jeder Aufwand eines Kaufmanns kann indessen als Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut angesehen werden. Kaufleute pflegen als wirtschaftlich handelnde Menschen keine Aufwendungen zu machen, von denen sie nicht geschäftliche Vorteile erwarten. Aber nicht alle Vorteile, die so geschaffen werden, sind selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter. Dazu gehört vielmehr, daß sie eine gewisse Selbständigkeit haben und nicht im allgemeinen Geschäftswert aufgehen (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs I 209/55 U vom 13. März 1956 - Slg. Bd. 62 S. 401, Bundessteuerblatt 1956 III S. 149 - mit weiteren Angaben aus der Rechtsprechung, I 46/57 U vom 13. August 1957 - Slg. Bd. 65 S. 307, Bundessteuerblatt 1957 III S. 350 -, IV 432/56 U vom 19. Dezember 1957 - Bundessteuerblatt 1958 III S. 162 -).
Nach der Entstehungsgeschichte des Bürgschaftsstocks und auf Grund der Auslegung des Vertrags vom 2. Oktober 1953 konnte das Finanzgericht unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze die Entstehung eines selbständig bewertungsfähigen aktiven Wirtschaftsguts verneinen. Die Einzahlungen der Bgin. und der Kohlengroßhändler waren, wie der Vorsteher des Finanzamts annimmt, sicher voneinander abhängig; hätte die Bgin. die Zahlung nicht geleistet, so hätten sich auch die Großhändler zur Zahlung nicht bereit gefunden. Mit Recht nimmt auch der Vorsteher des Finanzamts an, daß die Bgin. durch die Schaffung des Bürgschaftsstocks den wirtschaftlichen Vorteil erworben habe, Ausfälle auf ihre Forderungen so gut wie vollständig zu vermeiden. Die Bgin. hat indessen diesen Vorteil bilanzmäßig in Erscheinung treten lassen, und zwar dadurch, daß sie ihre Außenstände mit dem Nennwert ohne Delkredere aktivierte. Wenn demnach die Bgin. mit der Zahlung der 100 000 DM auch einen gewissen geschäftlichen Vorteil erlangte, so brauchte das Finanzgericht deswegen nicht anzunehmen, daß insoweit auch ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut vorliege. Der Betrag war mit der Zahlung endgültig aus dem Vermögen der Bgin. ausgeschieden. Nach § 25 des Vertrags wird bei der Auflösung der Gesellschaft der Bürgschaftsstock einschließlich der Einlage der Bgin. auf die Mitgliedsfirmen anteilmäßig nach der Höhe der Einzahlungen, die sich ihrerseits wiederum nach der Höhe des Kohlenbezugs richten (ß 2 des Vertrags), verteilt. Das Finanzgericht konnte daraus ohne Rechtsverstoß schließen, daß die Einlage der Bgin. mehr den Charakter eines Rabatts an die Großhändler habe, der zwar nicht sofort, aber bei Auflösung der Gesellschaft ausgezahlt werde. Aus dem Vermögen der Bgin. war der Betrag jedenfalls mit der Einzahlung endgültig ausgeschieden.
Weil kein Wirtschaftsgut vorliegt, ist auch die vom Finanzamt hilfsweise beantragte Verteilung des Aufwands auf 10 Jahre gemäß § 7 EStG nicht möglich. Der Begriff Wirtschaftsgut in § 7 EStG und in § 6 EStG ist gleich. Die Aktivierung "in Form der Rechnungsabgrenzung", wie sie der Vorsteher des Finanzamts will, ist auch nicht möglich. Denn die Rechnungsabgrenzung kann sich nur auf Wirtschaftsgüter positiver oder negativer Art (Vermögenswerte oder Schulden) in dem oben erörterten weiten Sinn beziehen. Betriebliche Aufwendungen, die nicht selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter schaffen, müssen im Jahr der Verausgabung als Betriebsausgaben verrechnet werden (vgl. im einzelnen Baier-Fähnrich "Die steuerliche Betriebsprüfung" S. 363).
Fundstellen
Haufe-Index 409076 |
BStBl III 1958, 260 |
BFHE 1958, 677 |
BFHE 66, 677 |
BB 1958, 550 |
DB 1958, 588 |