Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage: Herstellungskosten einer Kuh
Leitsatz (amtlich)
Investitionszulagenrechtliche Herstellungskosten einer Kuh sind die Aufwendungen für das Jungtier von der Geburt bis zum ersten Abkalben. Es sind weder Aufwendungen für die Mutterkuh des Jungtieres vor dessen Geburt hinzuzurechnen noch Aufwendungen für das Jungtier als Erzeugungskosten des von diesem später geborenen Kalbes abzuziehen.
Orientierungssatz
Der im Investitionszulagenrecht verwendete Begriff der Herstellungskosten entspricht der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung. Der steuerrechtliche Herstellungskostenbegriff ist wiederum aus dem Handelsrecht abzuleiten.
Normenkette
HGB § 255 Abs. 2 S. 1; InvZulG 1991 §§ 2, 4
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Entscheidung vom 16.09.1993; Aktenzeichen 2 K 176/92 I) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine in Brandenburg ansässige GmbH, die aus einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) hervorgegangen ist, befaßt sich mit der Milchproduktion. Die LPG beantragte für das Jahr 1991 für 96 Färsen (weibliche Rinder, die noch nicht gekalbt haben) und für andere bewegliche Wirtschaftsgüter die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG 1991). Die Kosten für die Erzeugung und Aufzucht der Tiere gab die LPG in Höhe von jeweils 2 458,96 DM an. In dieser Summe ist der Wert des einzelnen Kalbes (der späteren Färse) bei seiner Geburt mit einem Betrag von 380 DM enthalten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) kürzte die Herstellungskosten der Färsen jeweils um diesen Betrag. Im anschließenden Einspruchsverfahren ermittelte die Klägerin die vor der Geburt angefallenen Erzeugungskosten wie folgt:
Besamung und Brunstkontrolle 91,00 DM
TU (Trächtigkeitsuntersuchung) 3,00 DM
Vorbeugende Vitaminimpfung 3,50 DM
IBV/IBR Impfung 5,46 DM
56 Trockenstehtage des Muttertieres
(Futter, Gebäude-, Energiekosten,
Versicherung; je Tag 5,15 DM) 288,40 DM
Betriebsallgemeinkosten 117,40 DM
Summe 508,76 DM
Das FA wies den Rechtsbehelf als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt, mit der die Klägerin die Festsetzung der Investitionszulage in Höhe des ursprünglich beantragten Betrages begehrte (Urteil veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1994, 58). Es war der Ansicht, daß die von der Klägerin aufgeführten Kosten zu den Herstellungskosten der Tiere zu zählen seien, somit auch diejenigen Aufwendungen, die bereits vor der Geburt entstanden seien. Auch die Unterhaltskosten der Mutterkuh während der durch das Austragen des Kalbes bedingten sog Trockenstehzeit, in der keine Milch produziert werde, gehörten hierzu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Vorinstanz zugelassene Revision des FA, mit der dieses sinngemäß die Verletzung des § 4 InvZulG 1991 rügt. Zur Begründung führt es aus, die umstrittenen Aufwendungen seien dem Muttertier und nicht dem Kalb zuzuordnen. Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28. August 1991 (BStBl I 1991, 768, Tz. 61) sei bei Tieren die Geburt der Herstellungsbeginn. Folgte man der Ansicht des FG, so käme es zur doppelten Berücksichtigung von Herstellungskosten, da Aufwendungen für die Besamung einer Färse zugleich den Herstellungskosten dieses Tieres zuzurechnen seien.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Investitionszulage in der begehrten Höhe.
1. Nach § 2 InvZulG 1991 ist u.a. die Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen durch Investitionszulage begünstigt. Die Herstellungskosten solcher Wirtschaftsgüter fließen in die Bemessungsgrundlage zur Gewährung der Zulage ein (§ 4 InvZulG 1991).
a) Der im Investitionszulagenrecht verwendete Begriff der Herstellungskosten entspricht der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. November 1985 III R 110/80, BFHE 145, 482, BStBl II 1986, 367). Der steuerrechtliche Herstellungskostenbegriff ist wiederum aus dem Handelsrecht abzuleiten (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830).
b) Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese Begriffsbestimmung gilt sinngemäß auch für die Erzeugung und Aufzucht von Tieren.
c) Zur "Herstellung" eines Tieres gehört naturgemäß auch dessen Erzeugung und Geburt. Das spricht zunächst dafür, daß den Herstellungskosten einer Kuh neben deren Aufzuchtkosten (den Aufzuchtkosten des Kalbes und der späteren Färse) auch Aufwendungen für deren Mutterkuh zuzurechnen sind, wie es die Klägerin begehrt. Allerdings kann es dabei entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin von vornherein nicht um die gesamten mit der Erzeugung des Kalbes unmittelbar zusammenhängenden Aufwendungen für die Mutterkuh gehen. Eine solche Gesamtzurechnung der Aufwendungen für die Mutterkuh (z.B. der Aufwendungen für die Besamung oder den Unterhalt während der Trockenstehtage) zu den Erzeugungskosten für das Kalb ließe unberücksichtigt, daß die Mutterkuh in Milchproduktionsbetrieben wie dem der Klägerin vorrangig der Milchproduktion dient und regelmäßig kalben muß, um weiter Milch zu geben. Die Besamung und die Aufwendungen für die Kuh während der Trockenstehtage sind daher auch für die weitere Milchproduktion erforderlich. In Betracht kommen kann daher nur, die Aufwendungen für die Mutterkuh von deren Besamung bis zum Kalben lediglich zu einem gewissen Anteil als Erzeugungskosten des Kalbes den Herstellungskosten der dann später daraus entstehenden Kuh zuzurechnen.
d) Nimmt man eine solche anteilige Zurechnung vor, so ist es jedoch andererseits nicht folgerichtig, neben den so ermittelten Erzeugungskosten des Kalbes auch die gesamten Aufwendungen für die Aufzucht des Kalbes bzw. der Färse bis zu deren ersten Abkalben den Herstellungskosten der dadurch entstehenden Kuh zuzurechnen. Zwar mögen die Besamung der Färse und deren Abkalben vorrangig dazu dienen, das Tier für die Milchproduktion einsetzen zu können. Aber ebenso wie bei einer bereits der Milchproduktion dienenden Mutterkuh die Aufwendungen für das regelmäßige Abkalben trotz der Notwendigkeit dieses Vorgangs für die Milchproduktion zum Teil den Erzeugungskosten des jeweiligen Kalbes zugerechnet werden könnten, müßten dann die Kosten für das Abkalben der aus dem erzeugten Kalb entstandenen Färse wieder anteilig den Erzeugungskosten des daraus entstehenden Kalbes zugeordnet werden. Den Aufwendungen für das Kalb bzw. die Färse von der Geburt bis zum ersten Abkalben ist im Grundsatz dann zunächst (von den Kosten der Mutterkuh) etwas zuzurechnen, was später (für die Erzeugung des aus dem ersten Abkalben entstehenden Kalbes) wieder abzuziehen ist.
e) Dies wird besonders deutlich, wenn es sich bei den Muttertieren der Färsen, um deren Aufzucht es im Streitfall geht, nicht um schon vorher für die Milchproduktion fertige Kühe gehandelt haben sollte, sondern diese Muttertiere selbst zum ersten Mal abgekalbt haben. Das FG hat zwar über die Muttertiere keine Feststellungen getroffen. Aus dem eigenen Revisionsvortrag der Klägerin geht aber hervor, daß von den 96 Färsen des Streitfalles 19 Muttertiere hatten, die selbst unmittelbar vorher noch Färsen waren. Es liegt auf der Hand, daß nicht ein Teil der Aufwendungen für diese Muttertiere den Kosten der durch sie erzeugten Jungtiere zugerechnet werden kann, ohne daß gleichzeitig auch bei den Jungtieren eine solche Zurechnung zu den von diesen erzeugten Kälbern vorzunehmen ist. Andernfalls käme es zu einer echten Doppelförderung, wie das FA mit Recht vorträgt und schon im Klageverfahren vorgetragen hat.
Der Senat verkennt nicht, daß sich die von den Muttertieren den Jungtieren zuzurechnenden Kosten in der Höhe von den Aufwendungen für das erste Abkalben der Jungtiere unterscheiden können, die von diesen anteilig den von den Jungtieren erzeugten Kälbern zuzurechnen wären (z.B. wegen Veränderung der Tierarzt- oder Futterkosten). Da die späteren Kosten allerdings tendenziell eher höher als niedriger liegen, wirkt es sich eher zugunsten als zuungunsten der Höhe der zu gewährenden Investitionszulage aus, wenn davon ausgegangen wird, daß sich die Kosten etwa entsprechen, die einerseits anteilig von dem jeweiligen Muttertier den Jungtieren und die andererseits von den Jungtieren den von diesen geborenen Kälbern zuzurechnen wären.
f) Geht man nach diesen Erwägungen davon aus, daß den investitionszulagefähigen Aufwendungen für die Jungtiere (Herstellungskosten der Kühe) etwa gleichhohe Beträge von den Aufwendungen für die Muttertiere zuzurechnen wären, wie sie als Erzeugungskosten für die von den Jungtieren geborenen Kälber wieder abzuziehen sind, so kann im Ergebnis sowohl auf das Zurechnen als auch auf das Abziehen verzichtet werden. Diese naheliegende Folge in den Fällen, in denen die Muttertiere der Färsen selbst Jungtiere waren, beurteilt sich nicht wesentlich anders, wenn die Muttertiere keine Jungtiere, sondern Tiere waren, die schon wiederholt abgekalbt haben. Denn die während der sog. Trockenstehtage dieser bereits fertigen (Milch-)Kühe entgehenden Einnahmen sind keine Aufwendungen im hier maßgeblichen Sinne. Wie die Klägerin selbst vorträgt, handelt es sich außerdem bei den von den Muttertieren den Jungtieren zuzurechnenden Aufwendungen ohnehin nur um kalkulatorische Kosten. Dies muß erst recht für den Anteil der Zurechnung gelten. Demgemäß erscheint es gerechtfertigt, von den Muttertieren Aufwendungen in gleicher Höhe den von ihnen erzeugten Jungtieren zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Muttertiere das erste Mal oder schon wiederholt abgekalbt haben. Dies bedeutet, daß auch im letzten Fall die etwaige Zurechnung von Aufwendungen für die Mutterkühe und das dann notwendige Abziehen von Aufwendungen für die von den Jungtieren erzeugten Kälber sich überschlägig gegenseitig aufheben, so daß in allen Fällen auf die Zurechnung und das Abziehen verzichtet werden kann.
g) Der Senat kann dabei offenlassen, ob für die Bewertung im Einkommensteuerrecht genauere Berechnungen zu erfolgen haben, wenn keine Durchschnittsbewertung (nach Richtwerten) vorgenommen wird (vgl. BMF-Schreiben vom 22. Februar 1995, BStBl I 1995, 179 Tz. 7 und Tz. 8). Für Zwecke der Investitionszulage ist es jedenfalls aus Vereinfachungsgründen gerechtfertigt, den Herstellungskosten einer Kuh weder anteilig Kosten für ihre Erzeugung und den Unterhalt des Muttertieres hinzuzurechnen noch anteilig Aufwendungen für das beim ersten Abkalben geborene Kalb abzuziehen. Der Senat folgt daher im Ergebnis dem BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 768, Tz. 61, wonach im Investitionszulagenrecht bei Kühen Herstellungsbeginn die Geburt ist. Investitionszulagenrechtliche Herstellungskosten einer Kuh sind daher die Aufwendungen für das Jungtier von der Geburt bis zum ersten Abkalben. Es sind weder Aufwendungen für die Mutterkuh vor der Geburt des Jungtieres hinzuzurechnen noch Aufwendungen für das Jungtier im Hinblick auf das später von diesem geborene Kalb abzuziehen.
2. Da das Urteil des FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 66208 |
BFH/NV 1997, 388 |
BStBl II 1997, 575 |
BFHE 182, 470 |
BFHE 1997, 470 |
BB 1997, 1678 (Leitsatz) |
DB 1997, 1951 (Leitsatz) |
DStR 1997, 1323-1324 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 720 (Leitsatz) |
HFR 1997, 833-834 (Leitsatz und Gründe) |
StE 1997, 492 (Leitsatz) |