Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwischenvermietung von mehr als 50 Wohnungen
Leitsatz (NV)
Die Globalvermietung von Wohnungen ist keine Rechtfertigung für Anerkennung des Verzichts auf die Steuerbefreiung für die Umsätze durch Wohnungsvermietung.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12, § 9 S. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 42
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) -- eine Hausverwaltungs-GbR -- errichtete durch die BauKG -- Inhaber X -- auf von der WohnKG gemieteten Grundstücken privat finanzierte Wohnungen und gewerbliche Räume (Block B 20 Wohnungen und gewerbliche Räume, Fertigstellung 1983, und Block C 56 Wohnungen, Fertigstellung 1984). An der Klägerin waren X und seine Schwester Y mit jeweils 49,5 v. H. und mit 1 v. H. die Verwaltungs-GmbH (VerwaltungsGmbH) beteiligt. Die Anteile an der Verwaltungs-GmbH hielten X zu 2/3 und Y zu 1/3.
Die Klägerin vermietete die Objekte für zehn Jahre an X. X vermietete sie an Endmieter. Die Verpflichtungen des Zwischenmieters X als Mieter und Vermieter nahm die Dienst-GmbH wahr, an der X und Y jeweils zu 49,5 v. H. und die Verwaltungs-GmbH zu 1 v. H. beteiligt waren.
Die Klägerin verzichtete auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze an X und zog die ihr für Bauleistungen berechneten Umsatzsteuern in den Streitjahren (1983 und 1984) als Vorsteuerbeträge ab. In den angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) für die Streitjahre vom 1. Dezember 1989 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) das Zwischenmietverhältnis wegen Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 AO 1977) nicht länger an und ließ die abgezogenen Steuerbeträge nicht mehr zum Vorsteuerabzug zu.
Die nach Zurückweisung des Einspruchs durch Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1991 erhobene Anfechtungsklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung u. a. aus, die Klägerin sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil sie steuerpflichtige Umsätze durch Vermietung ausgeführt habe. Der Verzicht der Klägerin (§ 9 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1980 --) auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980) sei wirksam. Die Zwischenvermietung sei nicht rechtsmißbräuchlich i. S. von § 42 AO 1977, weil für die Einschaltung des Zwischenmieters X wirtschaftliche bzw. sonst beachtliche Gründe gegeben seien. Die von der Klägerin für den Abschluß der Zwischenvermietungsverträge geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe seien anzuerkennen. Die Klägerin habe das Risiko des Leerstehens der neu errichteten Wohnungen, das Mietausfallrisiko und das Reparaturkostenrisiko auf den Zwischenmieter X verlagert. Da sie und X umsatzsteuerrechtlich jeweils selbständige Rechtssubjekte seien, werde eine Risikoverlagerung nicht ausgeschlossen. Die bezeichneten Risiken hätten sich ohne eine Verlagerung zur Hälfte in der Vermögenssphäre von Y verwirklicht, selbst wenn Y mit X im Rahmen der Klägerin Gesamthandsvermögen gebildet habe. Die wirtschaftlichen Folgen von Verlusten für X allein seien nicht dieselben, die sich für X und Y ergeben würden, wenn sie sich im Vermögen der Klägerin realisiert hätten. Nach dem Gesellschaftsvertrag habe Y nicht überstimmt werden können.
Die Zwischenvermietung habe eine echte Risikoverlagerung bezweckt; denn X habe erhebliche Leerstehenseinbußen erlitten und insgesamt für 1983 Verluste von rd. 16 000 DM, für 1984 von rd. 131 000 DM und für 1986 ein "gerade noch ausgeglichenes" Ergebnis erklärt. Ab 1986 habe X durchweg nicht unerhebliche Überschüsse erzielt. Die Klägerin habe durch die bezeichneten Mietverträge vom August 1982 und April 1984 von vornherein feste Mieteinnahmen beanspruchen können. Das Ausbleiben von nennenswerten Leerstehenseinbußen ab 1987 schließe nicht aus, daß bei Beginn der Zwischen vermietung ein wirkliches Mietausfallrisiko bestanden habe. Ein insgesamt vorhandenes geschäftliches Risiko durch die Errichtung der Blöcke B und C ergebe sich aus den Gesamtverlusten der Klägerin für die Jahre 1983 bis 1992 in Höhe von 7,7 Mio. DM. Wenn dagegen der Zwischenvermieter X in demselben Zeitraum Gesamtüberschüsse von rd. 948 000 DM erzielt habe, so liege dies noch im Rahmen der Risikoverlagerung, die Gegenstand der Zwischenvermietungsverträge gewesen sei.
Auch die Überwälzung des Reparaturkostenrisikos (Baumängel und laufende Instandhaltung) sei bei einem Bauvolumen von mehr als 10 Mio. DM ein wirtschaftlich hinreichender Grund für die Einschaltung eines Zwischenvermieters. Ein solches Risiko bestehe, weil mögliche Gewährleistungsansprüche rechtlich umstritten oder weil sie nicht (vollständig) durchsetzbar sein könnten. Bei seiner Risikoeinschätzung müsse dem Steuerpflichtigen ein weiterer Beurteilungsspielraum und ein Recht auf Irrtum zugebilligt werden.
Mit der Revision macht das FA unrichtige Anwendung von § 42 AO 1977 und § 9 UStG 1980 geltend. Das FA führt aus: Das FG habe nicht beachtet, daß die Überwälzung des Erstvermietungs- und Mietausfallrisikos nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann ein beachtlicher Grund für die Einschaltung eines Zwischenvermieters sein könne, wenn konkrete Vermietungsbemühungen vor Abschluß des Zwischenmietvertrages erfolglos geblieben seien. Dazu weist das FA u. a. auf den BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1991 V B 74/91 (BFH/NV 1992, 572) hin.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten. Sie hält die Rechtsprechung des BFH in Zwischenvermietungsfällen für nicht anwendbar, wenn -- wie im Streitfall -- Wohnblöcke vermietet worden seien. Im übrigen beruft sie sich auf Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977. Das FA hätte mindestens die Vorsteuerbeträge zum Abzug zulassen müssen, die auf die gewerblich genutzten Räume entfallen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Beurteilung des FG, die Übernahme des Vermietungs- und Mietausfallrisikos seien hinreichende wirtschaftliche Gründe für eine Zwischenvermietung, die einen Verzicht auf die Steuerbefreiung der Umsätze durch Vermietung von Wohnungen rechtfertigten und damit eine den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Verwendung der Bauleistungen darstellten, widerspricht den Grundsätzen aus der Rechtsprechung des Senats zur Anwendung von § 9 i. V. m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980.
Der Senat kann aber nicht abschließend entscheiden; denn das FG hat nicht festgestellt, ob die Rüge der Klägerin gerechtfertigt ist, daß das FA in den angefochtenen Steuer bescheiden die für die Herstellung von gewerblich genutzten Räumen berechneten Steuerbeträge nicht als Vorsteuer berücksichtigt hat. Damit diese Prüfung nachgeholt werden kann, wird die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der Abzug der Steuerbeträge aus Rechnungen über die Herstellung der von der Klägerin vermieteten Gewerberäume ist gerechtfertigt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980), weil insoweit ein Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 i. V. m. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980 aufgrund des wirksamen Verzichts auf die Steuerbefreiung (§ 9 Satz 1 und 2 UStG 1980) nicht zum Zuge kommt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387 unter II. 2. b).
2. Der von der Klägerin begehrte Abzug der Steuerbeträge aus Rechnungen über die Herstellung von zu Wohnzwecken dienenden Grundstücken und Grundstücksteilen ist dagegen wegen Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht zuzulassen (§ 42 AO 1977). Dieser Beurteilung steht der von der Klägerin hervorgehobene Grundsatz des einheitlichen Vertrages, der auf "Globalvermietung" der Grundstücke (Blöcke B und C) gerichtet war, nicht entgegen. Umsatzsteuerrechtlich kommt es auf die Verwendungsumsätze über die einzelnen Gebäudeteile an. Für jeden einzelnen (End-)Vermietungsumsatz ist zu untersuchen, ob die zum Verzicht auf die Steuerfreiheit gerichtete Gestaltung anzuerkennen oder gemäß § 42 Satz 1 und 2 AO 1977 wegen Umgehung des Gesetzesplans nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BFH in BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387 unter II. 2. c; BFH- Beschluß vom 28. Februar 1990 V B 106/89, BFH/NV 1991, 200).
Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche und sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904; vom 21. November 1991 V R 20/87, BFHE 166, 506, BStBl II 1992, 446; vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).
a) Der Tatbestand des Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Satz 1 AO 1977) ist bei einer Zwischenvermietung von Wohnräumen erfüllt, wenn der Wohnungseigentümer statt einer Vermietung an den Endmieter einen Zwischenvermieter einschaltet, d. h. eine Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte weiterzuvermieten, und wenn hierfür wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit dem Senatsurteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388).
Das Umsatzsteuergesetz geht bei der Besteuerung der Vermietung von Wohnraum davon aus (vgl. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756), daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch verwirklicht wird, daß die Wohnung demjenigen, der sie bewohnen will, vermietet wird. Dies geschieht durch Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken. Dabei vermietet der Wohnungsinhaber die Wohnung selbst oder mit Hilfe eines Verwalters an den Wohnungs(end)mieter. Diese Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980); sie schließt den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980). Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolgen vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieters) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein (BFH-Urteil vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931 zu II. 2.).
b) Die Überwälzung des Erstvermietungs- und Mietausfallrisikos hat der Senat nicht als wirtschaftlich beachtliche Gründe angesehen (vgl. BFH in BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931, m. w. N.), sofern nicht eigene Vermietungsbemühungen vor Abschluß des Mietvertrages erfolglos geblieben sind. Bemühungen, die Wohnung an Wohnungsmieter selbst oder durch die im Konzern mit der Klägerin verbundene Dienst-GmbH zu vermieten, hat die Klägerin nicht behauptet. Die von ihr dargelegten und vom FG als beachtlich beurteilten Gründe schließen jedoch die Annahme eines Rechtsmißbrauchs nicht aus.
c) Die Vielzahl der vermieteten Wohnungen und die Zwischenvermietung der Wohnungen insgesamt (durch Vermietung eines Wohnblocks) rechtfertigen keine Abweichung vom Gesetzesplan, weil die erörterten Vorschriften den Vorsteuerabzug allgemein bei der Vermietung von Wohnraum unabhängig von der Zahl der vermieteten Räume ausschließen. Ein Grundstück, das Wohnzwecken dient oder zu dienen bestimmt ist (§ 9 Satz 2 UStG 1980), soll nur steuerfrei vermietbar sein.
Eine Verlagerung des mit der Vermietung von Wohnungen verbundenen wirtschaftlichen Risikos von einer Gesellschafterin der Klägerin auf einen anderen Gesellschafter als Zwischenmieter rechtfertigt die gewählte Gestaltung ebenfalls nicht. Daß ein konkretes Mietausfallrisiko bestanden habe, hätte die Klägerin nur durch eigene erfolglos gebliebene Vermietungsbemühungen darlegen können. Daran fehlt es. Der frühzeitige Abschluß der Zwischenmietverträge stellt diese Beurteilung nicht in Frage; denn dadurch konnte nur das (immer vorhandene) abstrakte, aber nicht ein nachzuweisendes konkretes Risiko ausgeschaltet werden. Hinzu kommt, daß die Klägerin als GbR wirtschaftlich keine weitergehende Entlastung erfahren hat, als durch eine schuldrechtliche Verpflichtung zwischen ihren Gesellschaftern erzielt worden wäre, Mietausfallrisiken untereinander zu verlagern.
d) Die Übernahme eines Reparaturkostenrisikos durch X rechtfertigt die Zwischenvermietung ebensowenig. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der Zwischenvermietung konnte nur ein abstraktes Risiko gegeben sein. Konkrete Risiken hätte die Klägerin im eigenen Interesse als Bauherr gegen ihren Gesellschafter X durchzusetzen vermocht, der Inhaber der Bauunternehmung war, gegen die sich etwaige Nachbesserungsansprüche gerichtet haben würden. Es ist nicht erkennbar, daß X als Zwischenvermieter diese Ansprüche gegen sich selbst als Inhaber der Bauunternehmung besser als die Klägerin, die durch X vertreten wurde, hätte durchsetzen können.
e) Andere beachtliche Gründe dafür, die Zwischenvermietung von Wohnungen ausnahmsweise nicht als Gestaltungsmißbrauch zu beurteilen, z. B. wegen einer Übernahme zusätzlicher über die Wohnungsvermietung hinausgehender Leistungen durch den Zwischenvermieter (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1993 V R 36/89, BFHE 173, 450, BStBl II 1994, 427 -- Altenwohnungen), sind nicht geltend gemacht worden und auch im übrigen nicht ersichtlich.
3. Die Vorentscheidung ist schließlich nicht etwa deshalb im Ergebnis aufrechtzuerhalten, weil die Änderung der ursprünglichen Umsatzsteuerfestsetzungen durch Vertrauensschutz der Klägerin nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 ausgeschlossen wird. Eine Rechtsprechungsänderung, die eine Änderungssperre bewirken könnte, ist nicht vorhanden (zu den Einzelheiten vgl. BFH in BFH/NV 1992, 572 zu 2. c). Die Rechtsprechung zur Zwischenvermietung ist vielmehr durch Stetigkeit geprägt. Sie ist nicht geändert, sondern aufgrund der unterschiedlichen Fälle fortentwickelt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 422314 |
BFH/NV 1997, 912 |
UR 1998, 229 |