Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Erwerbs des Liefergegenstands bei Lohnverkokung.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1, § 4 Ziff. 4, § 7 Abs. 3; UStDB 1951 § 2 Abs. 1, 6, § 29 Abs. 2 Ziff. 2, § 29 Abs. Ziff. 5b, § 30 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), ein Hochofenwerk mit Kokerei, ist vertraglich verpflichtet, für ihre Auftraggeber Kohle zu verkoken. Für jeweils 1 to ihr überlassener Kohle gibt sie dem Auftraggeber rund 0,7 to Koks zurück. Als Entgelt für die durchgeführte Verkokung erhält die Bfin. die Mehrausbeute. Sie verarbeitet das bei der Verkokung gewonnene Rohgas u. a. zu Benzol und Rohteer und beansprucht für die Weiterlieferung dieser Produkte im Großhandel Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Ziff. 5 und § 30 Abs. 1 Ziff. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951.
Die Vorinstanzen haben die Großhandelsvergünstigung versagt, weil die Bfin. das Rohgas nicht erworben habe, sondern als Erzeugerin anzusehen sei.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Streitig ist allein, ob die Bfin. erworbene Gegenstände weitergeliefert hat. Kohle und die aus ihr hergestellten Zwischenerzeugnisse gehören zu den notwendigen Rohstoffen und Halberzeugnissen im Sinne des § 4 Ziff. 4 UStG (§ 29 Abs. 2 Ziff. 2 und 5b UStDB). Die Herstellung von Benzol oder Teer hieraus ist eine besonders zugelassene Verarbeitung (§ 30 Abs. 1 Ziff. 3 a. a. O.). Da die übrigen Voraussetzungen des § 4 Ziff. 4 UStG nicht streitig sind, kommt es nur noch darauf an, ob die Bfin. durch ihren Auftraggeber befähigt worden ist, über den Liefergegenstand in eigenem Namen zu verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG, § 2 Abs. 1 UStDB), weil nur dann von einem abgeleiteten Erwerb des Rohgases gesprochen werden kann, der Voraussetzung für die Erlangung der Großhandelsvergünstigung wäre.
Es ist in Übereinstimmung mit der Vorentscheidung und der Rechtsauffassung der Bfin. davon auszugehen, daß diese eine Werkleistung (Lohnverkokung) ausgeführt hat, deren Entgelt (Werklohn) in der Überlassung der Mehrausbeute bestand. Die Rb. will nun den Vertrag dahin auslegen, daß ihre Auftraggeber den Übereignungswillen für das entstehende, ihrer Verfügung unterliegende Rohgas im Zeitpunkt der Entstehung des Gases gehabt hätten. Der auf Grund eines Werkvertrags bestehende Anspruch auf Rückgabe des Gases sei nur aus technisch bedingten Gründen mangels entsprechender Rohrleitungen nicht verwirklicht worden und stattdessen der Kokerei -- auf diesen technischen Voraussetzungen aufbauend -- das Gas als Bezahlung für die Verkokungsleistung überlassen worden.
Eine solche Auslegung wird weder den tatsächlichen Verhältnissen noch einer wirtschaftlichen und damit umsatzsteuerrechtlichen Würdigung gerecht. Einmal stand von vornherein fest, daß die Bfin. das Rohgas nicht zurückzugeben hatte, an dem die Auftraggeber auch keinerlei Interesse hatten. Es ist daher belanglos, daß der Werklohn auch in anderer Weise hätte bestimmt werden können. Nach dem nun einmal gegebenen Ablauf der Dinge kann auch nicht ein Übereignungswille am Rohgas konstruiert werden, das zur Zeit der Überlassung der Kohle noch gar nicht vorhanden war. Die Auftraggeber hatten sich zur Verfügungstellung bestimmter Kohlenmengen verpflichtet. Hierin erschöpfte sich ihre Leistungspflicht, so daß mit der Vorinstanz angenommen werden muß, daß die der Bfin. überlassene Mehrausbeute tatsächlich und wirtschaftlich endgültig in ihre Verfügungsmacht übergegangen war und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem das Rohgas noch gar nicht vorhanden, mithin auch kein selbständiges Handelsgut war, das Gegenstand einer Lieferung hätte sein können. Dies zwingt zu dem Schluß, daß die Bfin. das Zwischenerzeugnis Rohgas originär aus der in ihrer Verfügungsmacht befindlichen Mehrausbeute bei der Durchführung des Werkvertrages gewonnen hat. Daß die Vertragschließenden selbst nicht an eine Lieferung von Rohgas gedacht haben, geht auch aus dem Schreiben der Bfin. über die vertraglichen Vereinbarungen vom 7. Mai 1951 hervor, in dem mehrfach von der Übertragung eines "Verkokungsrechtes" gesprochen wird, in dessen Ausübung die Bfin. das Rohgas für sich erzeugt hat. Da die Bfin. somit weder Kohle noch Rohgas erworben hat, wie es § 4 Ziff. 4 UStG voraussetzt, entfällt auch der Hinweis der Bfin., daß das Finanzamt wirtschaftlich gleichgelagerte Tatbestände ungleich behandele, weil es wirtschaftlich gleich sei, ob Kohle oder Rohgas bezogen werde. Die Bfin. hat vielmehr die Verfügungsmacht nur an der ihr überlassenen Ausbeute erlangt, die sich im Zeitpunkt des Erwerbs weder als Kohle noch als Rohgas darstellte, das vielmehr erst durch den erforderlichen Verarbeitungsprozeß in Erscheinung trat, worauf die Vorentscheidung zutreffend hinweist.
Wenn sich schließlich die Bfin. auf § 6 UStDB beruft, so ist dem entgegenzuhalten, daß es sich bei dieser Vorschrift um einen Sonderfall der Lieferung handelt, während der Streitfall eine Werkleistung betrifft, neben der für die Annahme einer Lieferung, die auf das in der Kohle vorhandene gebundene Rohgas beschränkt sein soll, kein Raum ist.
Da die Vorentscheidung auch im übrigen einen Rechtsirrtum oder Aktenverstoß nicht erkennen läßt, war die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408488 |
BStBl III 1956, 229 |
BFHE 1957, 85 |