Leitsatz (amtlich)
Die Pflicht, an einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt über den Verkauf eines bestimmten Grundstücks zu im voraus festgelegten Vereinbarungen einen Vertrag abzuschließen, begründet für den Verkäufer keine gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG abziehbare Sachleistungsschuld, solange sich nicht auch der Käufer zum Abschluß des Kaufvertrages verpflichtet hat.
Normenkette
BewG §§ 4, 6 Abs. 1, § 118 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war am 1. Januar 1977, dem hier streitigen Stichtag, Eigentümerin eines zum Grundvermögen gehörenden Molkereigrundstücks. Dieses hatte der seinerzeitige Eigentümer, der 1970 verstorbene Ehemann der Klägerin, aufgrund eines notariell beurkundeten Vertrages vom 23. Dezember 1963 für die Zeit vom 1. Februar 1964 bis zum 31. Januar 1979 an S verpachtet. Nach Ablauf des Pachtverhältnisses sollte S das Grundstück übernehmen können. Hierzu bestimmte § 10 des Vertrages:
"Der Verpächter verpflichtet sich, zum 1. Februar 1979 mit dem Pächter einen Kaufvertrag über den im Grundbuch von ... eingetragenen Grundbesitz abzuschließen, wonach der Pächter diesen Grundbesitz mit den darauf stehenden Gebäuden, seinen wesentlichen Bestandteilen, dem Zubehör, den Maschinen und dem Inventar lastenfrei, jedoch unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung übernehmen kann ... Der Kaufpreis beträgt 250 000 DM ... Auf den Kaufpreis wird der vom Pächter gezahlte Sicherungsbetrag von 100 000 DM angerechnet, so daß der Pächter nur noch den Restbetrag von 150 000 DM in bar zu entrichten hat. Zur Sicherung des Anspruchs des Pächters auf Auflassung bewilligt und beantragt hiermit der Verpächter, daß im Grundbuch... für den Pächter eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung eingetragen wird."
Nach Beendigung des Pachtvertrages verkaufte die Klägerin das Grundstück am 31. Januar 1979 zu den oben angeführten Vertragsbedingungen an S.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erfaßte das Grundstück bei der Vermögensteuerveranlagung der Klägerin zum 1. Januar 1977 mit 430 080 DM (= 140% des Einheitswerts von 307 200 DM). Die vom Pächter geleistete Kaution von 100 000 DM zog das FA als Schuld ab. Dagegen versagte es den von der Klägerin begehrten Abzug einer Schuld wegen der Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks.
Die Klage, mit der die Klägerin an ihrem Begehren festhielt, wegen der Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 23. Dezember 1963 zusätzlich eine Schuld in Höhe von 330 080 DM abzuziehen, hatte z. T. Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Schuld mit 180 080 DM zum Abzug zu und begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes sei am 1. Januar 1977 verpflichtet gewesen, mit dem Pächter zum 31. Januar 1979 einen Kaufvertrag zu schließen. Diese -- unbedingt entstandene -- einseitige Verpflichtung sei eine wirtschaftliche Last und dem Grunde nach zu berücksichtigen. Seit Abschluß des Pachtvertrages habe nämlich festgestanden. daß die Klägerin das Eigentum an den Pächter werde übertragen müssen. Wegen des Mißverhältnisses zwischen dem von der Klägerin auf 1 Mio. DM geschätzten Verkehrswert des Molkereigrundstücks und dem vereinbarten Kaufpreis habe die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, daß der Pächter seinen Anspruch auf Abschluß des Kaufvertrages durchsetzen werde. Daß am 1. Januar 1977 noch nicht festgestanden habe, ob es tatsächlich zum Abschluß des Kaufvertrages kommen würde, habe dem Ansatz einer Schuld bereits zum 1. Januar 1977 nicht entgegengestanden. Die -- einseitige -- Verpflichtung der Klägerin, den Kaufvertrag abzuschließen, sei unbedingt gewesen. Diese einseitige Verpflichtung stelle eine gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) abziehbare Schuld dar. Bei der Bemessung dieser Schuld sei die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen zu berücksichtigen (Urteile vom 30. März 1977 II R 143/66, BFHE 122, 152, BStBl II 1977, 556, und vom 3. März 1978 III R 7/76, BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 398). Danach sei die hier in Rede stehende Verpflichtung zum Abschluß eines Vertrages über den Verkauf des Molkereigrundstücks mit dessen Einheitswert einschließlich eines Zuschlags von 40 % zu bewerten. Auf der anderen Seite sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin nach Abschluß des Kaufvertrages Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 250 000 DM gehabt habe. Danach sei das Vermögen der Klägerin im Ergebnis um 180 080 DM (430 080 DM ./. 250 000 DM) zu mindern.
Das FA rügt mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen die §§ 4 und 6 Abs. 1 BewG. Das FG hätte weder die Verpflichtung zur Übereignung des Molkereigrundstücks noch die Kaufpreisforderung ansetzen dürfen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Pflicht, an einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt über den Verkauf eines bestimmten Grundstücks zu im voraus festgelegten Vereinbarungen einen Vertrag abzuschließen, begründet für den Verkäufer keine gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG abziehbare Sachleistungsschuld, solange sich nicht auch der Käufer zum Abschluß des Kaufvertrages verpflichtet hat.
1. Zu Recht hat das FA das Molkereigrundstück bei der Vermögensteuerveranlagung der Klägerin in deren Rohvermögen erfaßt. Über die Zurechnung des als Grundvermögen bewerteten Grundstücks an die Klägerin war durch Einheitswertbescheid bestandskräftig entschieden.
2. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG sind zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens vom Rohvermögen Schulden abzuziehen, soweit sie nicht mit einem gewerblichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Voraussetzung für den Abzug ist, daß zu der Erfüllung der Schuld nicht nur eine rechtliche Verpflichtung besteht, sondern ernstlich damit gerechnet werden muß, daß der Gläubiger die Erfüllung verlangt. Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist eine Schuld nur dann abziehbar, wenn sie am maßgebenden Stichtag unbedingt entstanden ist (§ 6 Abs. 1 BewG).
3. a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der Vereinbarung in § 10 des Pachtvertrages um einen Vorvertrag handelt, aus dem sich für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes die Verpflichtung ergab, mit dem Pächter zum 1. Februar 1979 einen Kaufvertrag über das Molkereigrundstück abzuschließen. Für das Vorliegen eines sog. Ratenkaufvertrages ergeben sich aus dem Wortlaut der einzelnen Vertragsbestimmungen und aus dem Gesamtinhalt der Vereinbarungen keinerlei Anhaltspunkte. Gegen die Annahme eines Ratenkaufvertrages sprechen insbesondere das Recht der Verpächterin, den Pachtvertrag mit einmonatiger Frist zu kündigen (§ 3 Abs. 3 des Vertrages) sowie die Haftung des Pächters gegenüber dem Verpächter für sämtliche Schäden an den eingebrachten Gegenständen (§ 4 Abs. 5 des Vertrages). In die gleiche Richtung weisen die Vereinbarungen über die Rückgabepflicht bei Beendigung der Pachtzeit einschließlich des Übernahmerechts des Verpächters an Ersatz- und Neuanschaffungen (§ 7 des Vertrages).
b) Der Senat stimmt dem FG auch darin zu, daß die Verpflichtung aus § 10 des Pachtvertrages, mit dem Pächter zum 1. Februar 1979 einen Kaufvertrag über das Molkereigrundstück abzuschließen, unbedingt entstanden war und an dem hier maßgebenden Stichtag, dem 1. Januar 1977, noch fortbestand.
c) Gleichwohl kommt der Abzug einer Sachleistungsschuld nicht in Betracht. Der begehrte Schuldabzug scheitert im Streitfall daran, daß die Verpflichtung der Klägerin aus § 10 des Pachtvertrages den Abschluß eines Kaufvertrages zum Gegenstand hat, dessen Zustandekommen am 1. Januar 1977 vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i. S. des § 6 Abs. 1 BewG abhing. Nach dem Inhalt des Pachtvertrages stand nämlich am 1. Januar 1977, wie das FG zutreffend erkannt hat, noch nicht endgültig fest, ob es überhaupt zum Abschluß des Kaufvertrages kommen würde. Gemäß § 10 des Pachtvertrages "konnte" der Pächter das Molkereigrundstück zum 1. Februar 1979 übernehmen. Ob es zum Entstehen einer Sachleistungsschuld der Klägerin kommen würde, hing mithin am 1. Januar 1977 von der Kaufentschließung des Pächters ab, die dieser bis zum 1. Februar 1979 fassen konnte, jedoch nicht mußte. Erst die Ausübung der Kaufoption durch den Pächter gestaltete die Rechtslage in der Weise, daß die Klägerin unbedingt verpflichtet wurde, das Molkereigrundstück gemäß den Vereinbarungen in § 10 des Pachtvertrages vom 23. Dezember 1963 auf den Pächter zu übertragen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1971 III R 130/68, BFHE 102, 102, BStBl II 1971, 481). An dem hier streitigen Stichtag, dem 1. Januar 1977, handelte es sich bei der Entschließung des Pächters um ein in der Zukunft liegendes, ungewisses Ereignis, von dessen Eintritt die Entstehung der Pflichten aus dem Kaufvertrag abhing. Dieser Schwebezustand ließ am Stichtag einen Schuldabzug nicht zu.
d) Die Annahme einer aufschiebenden Bedingung scheitert nicht daran, daß am Bewertungsstichtag angesichts des Mißverhältnisses zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem Kaufpreis sowie mit Rücksicht auf die Leistung einer Kaution an den Verpächter und die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Pächters fest damit zu rechnen war, daß das zukünftige Ereignis eintreten werde. Das Maß der Aussichten, die im Feststellungszeitpunkt für den Eintritt oder Nichteintritt einer Bedingung bestehen, ist nach der Rechtsprechung nicht entscheidend dafür, ob eine Verpflichtung aufschiebend oder auflösend bedingt ist. Wie auch im bürgerlichen Recht muß im Steuerrecht streng zwischen aufschiebender und auflösender Bedingung unterschieden werden, wobei diese Begriffe auch im Steuerrecht nach der Rechtsprechung des Senats keine Auslegung unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zulassen (BFH-Urteil vom 14. Juli 1967 III R 74/66, BFHE 89, 569, BStBl III 1967, 770).
e) Die gegenteilige Auffassung des FG vermag auch vom Ergebnis her nicht zu überzeugen. Sie hätte zur Folge, daß steuerpflichtiges Vermögen ohne innere Rechtfertigung der Vermögensteuer entzogen würde. Während nämlich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks bei der Klägerin als Schuld abziehbar wäre, müßte der dieser Sachleistungsschuld entsprechende Anspruch des Pächters auf Übereignung des Molkereigrundstücks als aufschiebend bedingter Erwerb gemäß § 4 BewG außer Ansatz bleiben.
4. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da sie auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist spruchreif. Da das FA den Schuldabzug wegen einer Sachleistungsverpflichtung zu Recht versagt hat, war die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Fundstellen
Haufe-Index 74736 |
BStBl II 1983, 706 |
BFHE 1984, 204 |