Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung grundsätzlich Aufgabe der Tatsacheninstanz
Leitsatz (NV)
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatsachen- und nicht des Revisionsgerichts. Der BFH darf die Beweiswürdigung des FG nur daraufhin überprüfen, ob diese widerspruchsvoll ist, den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt geblieben sind.
Ist eine vom FG vorgenommene Würdigung denkgesetzlich möglich, so ist dem Revisionsgericht die Prüfung versagt, ob eine andere Würdigung der Aussage des Zeugen auch möglich gewesen wäre.
Normenkette
FGO §§ 96, 118
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage wegen verspäteter Einreichung der Klageschrift als unzulässig abgewiesen. Die Entscheidungsgründe befassen sich im wesentlichen mit der Frage, ob das bei Gericht nicht auffindbare Original vom 30. November 1981 einer dem Gericht am 31. August 1982 in Ablichtung vorgelegten Klageschrift rechtzeitig (innerhalb der Klagefrist) in den Machtbereich des Gerichts gelangt war.
Der zu dieser Frage vernommene Zeuge S hatte im wesentlichen bekundet, daß er dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) bei der Erledigung seiner schriftlichen Arbeiten behilflich gewesen sei. Er habe die Klageschrift geschrieben und spätestens am 28. oder 29. November 1981 zum Gericht gebracht. Das FG hat indes dieser Aussage deshalb kein entscheidendes Gewicht beigemessen, weil S keine überzeugenden Umstände vorgetragen habe, aus denen die Richtigkeit dieser Angabe folge. Es sei nach den Angaben des Zeugen schon zweifelhaft, könne aber dahinstehen, ob er die Klageschrift vom 30. November 1981 geschrieben habe; jedenfalls habe er keine Einzelumstände darlegen können, aus denen sich ergebe, daß er die Klageschrift vor Ablauf der Klagefrist beim FG abgegeben oder eingeworfen habe. Insbesondere habe er keine Aufzeichnungen darüber vorlegen können, welche Schriftsätze er in der streitigen Zeit für den Kläger geschrieben und/oder zu Behörden und Gericht gebracht habe. Auch habe er nicht anzugeben vermocht, daß und aus welchen Gründen er sich gerade an die hier streitige Klageschrift erinnere. Er habe im Gegenteil vielmehr unter Hinweis darauf, daß er sich an den konkreten Einzelfall nicht erinnern könne, lediglich geschildert, daß er dem Kläger seit Jahren bei der Erledigung schriftlicher Arbeiten helfe und - nach anfänglich gegenteiliger Darlegung - angegeben, daß er in der hier streitigen Zeit wegen der Arbeitsüberlastung des Klägers für diesen alle Arbeiten erledigt und alle gefertigten Schreiben nach Unterschrift durch den Kläger auch selbst zu Gerichten und Behörden gebracht habe. Abgesehen davon, daß der Kläger nach den Darlegungen des Zeugen nach dem Zusammenbruch der Firmengruppe einen umfangreichen Schriftwechsel mit Gerichten und Behörden zu führen gehabt habe und daß aufgrund der damit auch vom Zeugen zu erledigenden umfangreichen Arbeiten nach der Lebenserfahrung ohne die erforderliche, hier aber nicht gewährleistete Kontrolle auch einmal versäumt habe werden können, einen Schriftsatz fristgemäß zu schreiben oder jedenfalls einzureichen, sei die Angabe des Zeugen, er habe die Klageschrift vom 30. November 1981 am 28. November 1981 geschrieben und spätestens am 29. November 1981 beim FG auf der Poststelle abgegeben, nicht glaubhaft; denn die Poststelle sei zu diesem Zeitpunkt nicht geöffnet gewesen, weil es sich um einen Sonnabend oder einen Sonntag gehandelt habe. Die gegenüber den anfänglichen Angaben einschränkende Erklärung des Zeugen auf Rückfrage des Klägers, es sei auch vorgekommen, daß er Schreiben in den Briefkasten des FG eingeworfen habe, habe sich nicht eindeutig auf die hier streitige Klageschrift bezogen. Jedenfalls sei das Gericht nach den Angaben des Zeugen nicht davon überzeugt, daß er die Klageschrift fristgemäß in den Hausbriefkasten eingeworfen habe.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hielt das FG nicht für gegeben, weil die versäumte Rechtshandlung erst nach Ablauf eines Jahres seit dem Verstreichen der versäumten Frist nachgeholt worden sei.
Mit der Revision wird fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt. Zur Begründung wird vorgetragen, die Vernehmung des Zeugen S habe eindeutig ergeben, ,,daß dieser selbst die Klageschrift geschrieben" . . . ,,und spätestens am 29. November 1981 beim Finanzgericht abgegeben habe". Diese Aussage sei glaubwürdig. Daß dieser Zeuge nicht mehr genau habe angeben können, wo sich der Briefschlitz des Briefkastens des FG befinde, sei nur verständlich. Bei dem Zeugen handle es sich um einen 76jährigen durch Herzinfarkt schwerbehinderten alten Herrn, der sich trotz seiner Krankheit bereitgefunden habe, als Zeuge auszusagen, weil er sich verpflichtet gefühlt habe, der Wahrheit zu dienen und dem Kläger zu seinem Recht zu verhelfen. Soweit das FG aufgrund der Aussage des Zeugen S zu dem Ergebnis gelangt sei, daß die Behauptung des Klägers über die rechtzeitige Klageerhebung nicht zutreffe, sei seitens des FG eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen, die nicht im Einklang stehe zu den klaren und eindeutigen Bekundungen des Zeugen S.
Der Kläger beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht hinreichend begründet worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Gemäß § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatsachen- und nicht des Revisionsgerichts. Der Bundesfinanzhof (BFH) darf die Beweiswürdigung des FG nur daraufhin überprüfen, ob diese widerspruchsvoll ist, den Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt geblieben sind (vgl. u.a. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz. 7, 10).
Unter Beachtung dieser Grundsätze bestehen gegen die seitens des FG vorgenommene Beweiswürdigung keine Bedenken. Das FG hat der Darlegung des Zeugen, ,,er habe die Klageschrift geschrieben und spätestens am 28. oder 29. November 1981 zum Gericht gebracht", insbesondere deshalb nicht geglaubt, weil der Zeuge auch ausgesagt hatte, ,,daß er sich an den konkreten Einzelfall nicht erinnern könne" und weil die Umstände (Öffnungszeiten der Poststelle des Gerichts) gegen die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen sprachen.
Der Kläger setzt zur Begründung seiner Revision lediglich seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Würdigung seitens des FG, legt aber nicht dar, warum letztere zwingend falsch sei, insbesondere gegen Denkgesetze und/oder allgemeine Erfahrungssätze verstoße. Die vom FG vorgenommene Würdigung ist denkgesetzlich möglich. Die Prüfung der Frage, ob eine andere Würdigung der Aussage des Zeugen auch möglich gewesen wäre, ist dem Revisionsgericht versagt.
Fundstellen
Haufe-Index 414645 |
BFH/NV 1987, 40 |