Die "Vermietung" einer Werbefläche auf dem Pkw des Arbeitnehmers führt zu Arbeitslohn
Hintergrund: Kennzeichenhalter mit Werbeschriftzug
Der Arbeitgeber A schloss mit einer Vielzahl seiner Mitarbeiter einen "Mietvertrag Werbefläche", mit dem sich die Mitarbeiter dazu verpflichteten, von A zur Verfügung gestellte, mit einem Werbeschriftzug versehene Kennzeichenhalter an ihren privaten Pkw anzubringen. Im Gegenzug erhielten die Mitarbeiter ein jährliches Entgelt von 255 EUR. Die Verträge waren auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet und konnten mit einer zweimonatigen Frist gekündigt werden.
Das FA sah die Vergütungen als Arbeitslohn an und nahm A mit Haftungsbescheid für nicht einbehaltene und abgeführte LSt in Anspruch.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage mit dem Hinweis ab, das auslösende Moment für die Zahlungen sei die Stellung der Empfänger als Arbeitnehmer.
Entscheidung: Kein eigener wirtschaftlicher Gehalt des Vertrags
Der BFH bestätigte das FG-Urteil und wies die Revision des A zurück. Die Zahlungen sind Arbeitslohn. Sie sind durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und beruhen nicht auf einem Sonderrechtsverhältnis "Mietvertrag", da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommt.
Arbeitslohn trotz Sondervereinbarung neben dem Arbeitsvertrag
Besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber neben dem Arbeitsverhältnis eine gesonderte Vereinbarung, entscheidet sich die Frage, ob ein Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund der Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Lebenssachverhalts und nicht nach der äußeren Erscheinungsform. Deshalb steht der Abschluss eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden Rechtsverhältnisses der Behandlung eines Vorteils als Arbeitslohn nicht zwingend entgegen (BFH Urteil vom 23.06.2005 - VI R 124/99, BStBl II 2005 S. 766, Rz. 21), während umgekehrt allein aus der Vereinbarung im Arbeitsvertrag nicht automatisch auf das Vorliegen von Arbeitslohn geschlossen werden kann (BFH Urteil vom 30.06.2011 - VI R 80/10, BStBl II 2011 S. 948, Rz. 15).
Würdigung des Einzelfalls
Ob hiervon ausgehend ein zugeflossener Vorteil als Arbeitslohn anzusehen ist, beurteilt sich anhand einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls. Das FG hat dem abgeschlossenen "Werbevertrag" keinen eigenen wirtschaftlichen Gehalt beigemessen und für die daraus folgende Einordnung der Zahlung als Arbeitslohn auf folgende Gesichtspunkte abgestellt:
- die Erzielung einer Werbewirkung war nicht sichergestellt
- das Entgelt orientierte sich an der in § 22 Nr. 3 EStG geregelten Freigrenze von 256 EUR
- das Entgelt war nicht – wie sonst üblich – am Werbeeffekt ausgerichtet
- Verträge wurden ausschließlich mit Mitarbeitern abgeschlossen
- die Laufzeit der Verträge war an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden
- kein auschlaggebendes Gewicht der für einen wirtschaftlichen Gehalt sprechenden Gesichtspunkte
Bindung des BFH an die Würdigung des FG
Den Gesichtspunkten, die für einen eigenen wirtschaftlichen Gehalt des Sonderrechtsverhältnisses "Mietvertrag" sprechen könnten (u.a. Vertragsschluss nicht mit allen Mitarbeitern, Abschluss eines gesonderten, schriftlichen als "Mietvertrag Werbefläche" bezeichneten Vertrags, Kündigungsmöglichkeit bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses) hat das FG im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Da diese Würdigung des FG nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, sah sich der BFH hieran gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Der Gesichtspunkt einer überwiegend eigenbetrieblichen ist unerheblich
Die Frage, ob die Zahlungen aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers erfolgten, erübrigt sich im Streitfall. Denn nach der den BFH bindenden Würdigung des FG haben die Arbeitnehmer die Geldleistungen als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft erhalten. In einem solchen Fall stellt sich die Frage der überwiegend eigenbetrieblichen Veranlassung einer Zuwendung regelmäßig nicht.
Hinweis: Kriterien für die Anerkennung vergleichbarer Verträge
Die Entscheidung stellt im Wesentlichen auf die vom FG festgestellten Kriterien ab, die die Anerkennung derartiger Werbeverträge infrage stellen. Der BFH führt indes zugleich auch Gesichtspunkte an, die für einen eigenen wirtschaftlichen Gehalt entsprechender Sondervereinbarungen sprechen können. Das kann der Fall sein, wenn nicht mit allen Mitarbeitern Verträge abgeschlossen werden, die Verträge ausdrücklich als Werbeverträge bezeichnet und schriftlich abgeschossen werden sowie wenn die Verträge unabhängig vom Arbeitsverhältnis gekündigt werden können.
Würdigung des FG
Der BFH war nach § 118 Abs. 2 FGO an die folgerichtige Würdigung des FG gebunden. Dass auch eine andere Würdigung möglich gewesen wäre, ist unerheblich (BFH Urteil vom 15.01.2013 - VIII R 22/10, BStBl II 2013 S. 526, Rz. 27).
Entscheidung durch Beschluss
Die Entscheidung erging nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 126a FGO. Von dieser Möglichkeit kann der BFH Gebrauch machen, wenn der Senat einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der BFH hielt die Sache offenbar für in jeder Hinsicht soweit ausdiskutiert, dass von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Aspekte mehr hätten vorgetragen werden können.
BFH Urteil vom 21.06.2022 - VI R 20/20 (veröffentlicht am 03.11.2022)
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