Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung von Werbeflächen am Fahrzeug bei Teilnahme an Motorsportveranstaltungen: Leistungsaustausch, Vorsteuerabzug
Leitsatz (amtlich)
Ob Leistungen dem Unternehmen oder der Privatsphäre des Leistungsempfängers (hier: eines Motorsportlers mit Werbeeinnahmen) zuzuordnen sind, bestimmt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten; nicht entscheidend ist, ob sie notwendige Voraussetzung für die unternehmerische Betätigung sind.
Orientierungssatz
Nimmt ein Amateur über Jahre hinweg mit seinem PKW an Motorsportveranstaltungen teil und vermietet er bei diesen Gelegenheiten Werbeflächen an seinem Fahrzeug (Werbung durch Reklameaufkleber), erbringt er steuerbare (Werbe-)Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 gegen Entgelt. Da der Amateur weder das Fahrzeug als solches noch sonstige Leistungen, die er wegen seiner Teilnahme an den Sportveranstaltungen in Anspruch nimmt, seiner unternehmerischen Sphäre zuordnen kann, kann er keine Vorsteuern aus allgemeinen Fahrzeugkosten sowie Kosten der Teilnahme an den Motorsportveranstaltungen abziehen.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 4, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nahm mit seinem Personenkraftwagen (Pkw) an Motorsportveranstaltungen teil. Nach der Sachverhaltsdarstellung des Finanzgerichts (FG) vermietete er Werbeflächen an seinem Fahrzeug. Hieraus erzielte er im Streitjahr (1982) Einnahmen von 6 746,20 DM (5 970 DM + 776,10 DM Umsatzsteuer). Als Vorsteuer machte er in seiner Umsatzsteuererklärung 6 512,72 DM geltend. Diese beruhte überwiegend auf allgemeinen Fahrzeugkosten sowie Kosten der Teilnahme an den Motorsportveranstaltungen.
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte sich auf den Standpunkt, daß die mit der Vorsteuer belasteten Leistungen größtenteils nicht für das Unternehmen des Klägers erbracht worden seien. Die für das Unternehmen erbrachten Leistungen schätzte er auf 1 000 DM (einschließlich 115,04 DM Umsatzsteuer).
Die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid hatte weitgehend Erfolg. Das FG gewährte den geltend gemachten Vorsteuerabzug in vollem Umfang. Zur Begründung führte es aus, die Vermietung der Werbeflächen sei untrennbar mit der Teilnahme des Klägers an den Motorsportveranstaltungen verbunden gewesen; diese habe zum Bereich von dessen unternehmerischer Betätigung gehört. Sämtliche Leistungen an den Kläger, die mit seinem Fahrzeug und seiner Teilnahme an Motorsportveranstaltungen zusammenhingen, seien für sein Unternehmen erfolgt; dem Kläger habe es freigestanden, die im Zusammenhang mit den Motorsportveranstaltungen bezogenen Leistungen insgesamt dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen. Soweit der Kläger an den Motorsportveranstaltungen allerdings aus privaten Gründen teilgenommen habe, habe er den Eigenverbrauchstatbestand des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) verwirklicht. Die Bemessungsgrundlage hierfür schätzte das FG auf 3 000 DM.
Nach Zulassung der Revision haben sowohl der Kläger als auch das FA Revision eingelegt.
Der Kläger verfolgt mit seiner Revision sein ursprüngliches Klagebegehren weiter. Er rügt Verletzung der Vorschrift des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 und führt aus, soweit ersichtlich, sei bislang Eigenverbrauch und Eigenverwendung nur bei quantitativ erfaßbaren und abgrenzbaren Sachverhalten angenommen worden. Ein und dieselbe Tätigkeit (hier die Teilnahme an Motorsportveranstaltungen) könne nicht gleichzeitig eine unternehmerische Betätigung und Eigenverbrauch sein.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der §§ 2 und 15 UStG 1980. Es vertritt nunmehr die Auffassung, der Kläger sei gar nicht Unternehmer gewesen, sondern Hobby-Sportler. Der Empfang von Sponsorengeldern sei auch dann der nichtunternehmerischen Ausübung des Motorsports zuzuordnen, wenn der Motorsportler als Gegenleistung hierfür einen Werbeaufkleber an seinem Sportwagen anbringe. Die darin liegende Leistung sei ein reines "Kuppelprodukt" der Ausübung des privaten Hobbys. In Wahrheit seien die Sponsorenzahlungen unentgeltliche Zuwendungen.
Dem Kläger stehe als Nichtunternehmer deshalb kein Vorsteuerabzug zu. Er schulde die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer bis zur Höhe der in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Steuer.
Selbst wenn Werbeleistungen im Rahmen eines Unternehmens erbracht worden wären, habe es (das FA) die dem Unternehmen unmittelbar zuzuordnenden Vorsteuern zutreffend geschätzt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Revision des FA ist begründet.
1. Der Kläger erbrachte Werbeleistungen gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 gegen Entgelt. Ein Leistungsaustausch im Sinne dieser Vorschrift liegt insbesondere bei gegenseitigen Verträgen vor, bei denen der leistende Unternehmer erkennbar um der Gegenleistung willen leistet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH--vom 7.Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zielten die Werbeleistungen auf die vereinbarte Gegenleistung ab. Das FG spricht im Anschluß an die Diktion der Vertragsparteien von einer Werbeflächenvermietung, mithin lag nach den Feststellungen des FG ein gegenseitiger Vertrag vor, der regelmäßig einen Leistungsaustausch begründet. An die Feststellung des FG ist der Senat gebunden. Er ist deshalb außerstande, in den vom Kläger erzielten Einnahmen leistungsunabhängige Sponsorengelder zu sehen.
2. Der Kläger hat die Werbeleistungen als Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt.
Nach § 2 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 ist Unternehmer, wer selbständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs.1 Satz 1 und 3 UStG 1980). Nach der Rechtsprechung des Senats ist über die Nachhaltigkeit nach dem Gesamtbild der jeweils vorliegenden Verhältnisse zu entscheiden (Senatsurteile vom 18.Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776; vom 7.November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269, und vom 23.Januar 1992 V R 66/85, BFHE 167, 221).
Die auf die Werbeeinnahmen gerichtete Tätigkeit des Klägers war auf längere Dauer angelegt. Der Kläger hat über Jahre hinweg an Motorsportveranstaltungen teilgenommen, bei diesen Gelegenheiten die ihm zur Verfügung gestellten Reklameaufkleber an seinem Fahrzeug deutlich sichtbar angebracht und dadurch für seinen Auftraggeber geworben. Hierdurch erzielte er die vereinbarten Einnahmen. Diese sind gewichtig genug, um von einer unternehmerischen Betätigung sprechen zu können.
3. Der Kläger konnte weder das als Reklameträger dienende Fahrzeug noch die sonstigen Leistungen, für die er den Vorsteuerabzug geltend macht, seinem Unternehmen zuordnen. Er hat weder das Fahrzeug noch diese Leistungen gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 "für sein Unternehmen" erworben bzw. in Anspruch genommen.
Eine Leistung wird im Regelfall dann für das Unternehmen des Leistungsempfängers bezogen, wenn dieser sie seinerseits zur Ausführung von Umsätzen verwendet (vgl. § 15 Abs.2 und 4 UStG 1980). Für die Annahme eines Zusammenhangs mit den Ausgangsumsätzen reicht es nicht aus, daß die Eingangsleistung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß auch die vom Leistungsempfänger getätigten Umsätze entfielen.
Entscheidend ist vielmehr, ob die Leistung der unternehmerischen Sphäre des Leistungsempfängers wirtschaftlich zuzuordnen ist (vgl. § 15 Abs.4 UStG 1980) oder die nichtunternehmerische betrifft.
Die unternehmerische Sphäre i.S. des UStG wird durch die Tätigkeiten gebildet, die die Merkmale des § 2 Abs.1 i.V.m. § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 erfüllen. Die davon nicht erfaßten Tätigkeiten gehören zur nichtunternehmerischen bzw. privaten Sphäre. Zur Privatsphäre einer natürlichen Person rechnen jedenfalls Kleiden, Wohnen, Essen und Trinken. Derartige Leistungen bezieht die Person auch dann für ihre Privatsphäre, wenn sie Unternehmer ist und wenn die Leistungen unumgängliche Voraussetzung für die unternehmerische Betätigung sind. Ein überwiegend nichtunternehmerisch genutzter Gegenstand gehört nicht schon deswegen zum Unternehmen, weil er für die unternehmerische Nutzung notwendig ist (BFH-Urteil vom 19.April 1979 V R 11/72, BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420 a.E.). Entscheidend ist vielmehr die wirtschaftliche Zuordnung.
Zur Privatsphäre des Klägers gehört der von ihm betriebene Motorsport, da der Kläger als Amateur diesen nicht zur Erzielung von Einnahmen betrieb. Der Privatsphäre sind das Fahrzeug und die Leistungen, um die es hier geht, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zuzuordnen.
Bei der Zuordnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt es sich um eine Tatfrage, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere aber der Art des Leistungsgegenstands zu beurteilen ist.
a) Die Zuordnung des bei den Sportveranstaltungen vom Kläger benutzten Pkw zu seiner Privatsphäre ergibt sich auf der Grundlage der Feststellungen des FG aus nachfolgenden Erwägungen: Das Fahrzeug wurde nicht teils unternehmerisch und teils für unternehmensfremde Zwecke im Sinne des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 11.Juli 1991 Rs.C-97/90 (EuGHE 1991, 3795) genutzt mit der Folge, daß dafür der volle Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden kann. Nach den Grundsätzen dieses Urteils (Tzn.19 und 20) hängt es von der Würdigung aller insoweit erheblichen Umstände ab, ob eine Person einen Gegenstand als Steuerpflichtiger erworben hat. Hierzu gehört auch die Art des betreffenden Gegenstandes.
Im Streitfall diente das Fahrzeug der sportlichen Betätigung des Klägers. Es war zwar auch notwendige Voraussetzung für seine unternehmerische Betätigung, war ihr wirtschaftlich aber nicht zuzuordnen. In dem den steuerpflichtigen Leistungen des Klägers zugrunde liegenden Vertrag ist von einer Werbeflächenvermietung die Rede. Der Empfänger dieser Leistung hatte kein Nutzungsrecht am gesamten Fahrzeug, sondern nur an der vereinbarten Werbefläche. Der Kläger war ihm gegenüber nicht verpflichtet, an den Motorsportveranstaltungen teilzunehmen. Er nahm auch nicht ohne eine solche Verpflichtung für ihn teil. Vielmehr beteiligte sich der Kläger im eigenen Interesse aus nichtunternehmerischen sportlichen Gründen. Unter diesen Umständen kann das Fahrzeug als solches nicht der unternehmerischen Sphäre des Klägers zugerechnet werden. Die Rechtslage ist ähnlich wie bei dem Eigentümer eines Hauses, der dessen Außenwand oder Dachflächen einem anderen entgeltlich zur Anbringung von Reklamen überläßt, das Haus ansonsten aber nichtunternehmerisch nutzt. Auch in diesem Fall kann das bebaute Grundstück nicht dem Unternehmen des Hauseigentümers zugeordnet werden; dementsprechend hat der Senat für derartige Fälle eine steuerfreie Grundstücksvermietung verneint und in der Überlassung der Werbeflächen eine sonstige steuerpflichtige Leistung gesehen (Senatsurteil vom 23.Oktober 1957 V 153/55 U, BFHE 65, 585, BStBl II 1957, 457).
Da die unternehmerische Nutzung der Außenflächen des Sportfahrzeugs des Klägers zu Reklamezwecken nicht als unternehmerische Nutzung des Fahrzeugs selbst angesehen werden kann, darf der Kläger die Umsatzsteuer, die für den Erwerb, den Betrieb oder die Instandhaltung des Fahrzeugs angefallen ist, nicht als Vorsteuer abziehen. Abziehbar ist nur die Umsatzsteuer für solche Leistungen, die wirtschaftlich den besteuerten Leistungen zuzurechnen sind.
b) Dieselben Grundsätze gelten für die sonstigen Leistungen, die der Kläger wegen seiner Teilnahme an den Sportveranstaltungen in Anspruch genommen hat und für die das FA den Vorsteuerabzug abgelehnt hat. Diese Leistungen sind ebenso wie die mit der übrigen Lebensführung des Klägers zusammenhängenden Leistungen nicht für das Unternehmen des Klägers erbracht worden, mögen sie auch notwendige Voraussetzung für seine unternehmerische Betätigung gewesen sein.
4. Das FG hat demnach zu Unrecht den Vorsteuerabzug für die vorbezeichneten Leistungen gewährt. Dementsprechend entfällt der vom FG besteuerte Eigenverbrauch, da der Kläger die mit Vorsteuer belasteten Leistungen unmittelbar im privaten Bereich in Anspruch genommen hat und in diesem Zusammenhang keine Leistungen im Rahmen seines Unternehmens für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, gemäß § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.b UStG 1980 ausgeführt hat. Da der vom FG zu Unrecht gewährte Vorsteuerabzug größer war als die Steuer für den zu Unrecht versteuerten Eigenverbrauch, war die Revision des Klägers zurückzuweisen (vgl. § 126 Abs.4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es bleibt bei der angefochtenen Steuerfestsetzung des FA.
5. Die Revision des FA hat somit im Ergebnis Erfolg.
Fundstellen
Haufe-Index 64773 |
BFH/NV 1993, 71 |
BStBl II 1993, 810 |
BFHE 172, 183 |
BFHE 1994, 183 |
BB 1993, 2508 |
BB 1993, 2508-2510 (LT) |
DStR 1993, 1479 (KT) |
DStZ 1993, 698 (KT) |
HFR 1994, 27 (LT) |
StE 1993, 525 (K) |