Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Betreibt ein Landwirt nachhaltig gegen Entgelt für andere Landwirte den Transport von Milch zur Molkerei, so liegt ein Gewerbebetrieb dann nicht vor, wenn die Fuhrleistungen nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung haben (landwirtschaftliche Nebenleistungen). Dies ist in erster Linie nach der Höhe der Umsätze und Einkünfte und deren Verhältnis zu den Umsätzen und Einkünften des landwirtschaftlichen Betriebes zu beurteilen. Der in Abschnitt 13 Absatz 6 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1951 genannte Umfang der Gespannhaltung ist nur als ein Beweiszeichen zu werten.
EStG 1950 § 13 und § 29; VOL vom 2. Juni 1949 § 7; GewStG § 2 Abs. 1; GewStR 1951 Abschn. 13
Normenkette
EStG §§ 13, 29; VOL § 7; GDL 6; GewStG § 2/1; GewStR Abschn. 13 Abs. 6
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte im Jahre 1951 neben seinen landwirtschaftlichen Einkünften in Höhe von 4.150 DM noch Einkünfte aus der seit Jahren ausgeübten Tätigkeit als Milchfahrer für andere Landwirte in Höhe von 3.505 DM. Das Finanzamt besteuerte die letzteren wie in den Vorjahren als gewerbliche Einkünfte. Der Bf. bestreitet das Vorliegen eines Gewerbebetriebes und verlangt Besteuerung dieser Einkünfte in Form eines Zuschlages nach § 7 der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (VOL), da es sich um landwirtschaftliche Nebenleistungen handle. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Zum Begriff des Gewerbebetriebes gehört, daß die Tätigkeit selbständig, nachhaltig und mit Gewinnabsicht ausgeübt wird und daß sie sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Diese Merkmale sind bei dem Fuhrbetrieb des Bf. gegeben. Er steht seinen Auftraggebern (Molkerei oder Milchlieferanten) als selbständiger Vertragspartner und nicht als Angestellter gegenüber. Er hat den Fuhrbetrieb regelmäßig und seit vielen Jahren, also nachhaltig, ausgeübt. Die Absicht und die Tatsache der Gewinnerzielung ergeben sich aus den nicht unerheblichen jährlichen Einnahmeüberschüssen. Schließlich stellen die Transportleistungen auch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar, da sie sich nicht auf die Beförderung der im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb erzeugten Milch zur Molkerei beschränken.
Es ist daher nur die Frage zu prüfen, wie sich die Tatsache auswirkt, daß der Bf. Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes ist und die Transportmittel (Zugmaschine und Pferde), deren er sich zur Bewirkung der Fuhrleistungen bedient, gleichzeitig für die Landwirtschaft verwendet.
Der Bf. ist nichtbuchführender Landwirt, dessen landwirtschaftliche Einkünfte nach der VOL berechnet und besteuert werden. § 7 VOL sieht für nachhaltige Betriebseinnahmen, die nach ihrer Art oder Höhe bei der Feststellung des Einheitswertes und des Grundbetrages nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, Zuschläge zu dem aus dem Grundbetrag errechneten Gewinn vor. Für nicht nachhaltige Betriebseinnahmen kommen nach § 9 VOL Sonderzuschläge in Betracht. In beiden Vorschriften sind Fuhrleistungen als Beispiele genannt. Damit ist nicht gesagt, daß Einnahmen aus Fuhrleistungen stets nur in Form von Zuschlägen zur Besteuerung heranzuziehen sind. Es muß sich vielmehr um Betriebseinnahmen im Sinne der VOL handeln, das heißt um Einnahmen, die im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes oder im Rahmen eins landwirtschaftlichen Nebenbetriebes anfallen.
Das Finanzgericht ist unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III 157/38 vom 12. Januar 1939, Reichssteuerblatt (RStBl) 1939 S. 605, zutreffend davon ausgegangen, daß die Annahme eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebes eine innere wechselseitige Beziehung, und zwar im Sinne eines Unterordnungsverhältnisses voraussetzt. Diese Beziehung darf sich nicht auf die Verwendung des ziffernmäßigen Reinertrages des Fuhrbetriebes in der Landwirtschaft beschränken. Bei der Beförderung der Milch aus den Betrieben anderer Landwirte fehlt die betriebsmäßige Beziehung zum eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Tatsache, daß es sich bei dem Beförderungsgut um ein landwirtschaftliches Erzeugnis handelt, reicht nicht aus, eine solche betriebsmäßige Beziehung zu schaffen. Das Finanzgericht hat daher mit Recht das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebes verneint.
Die Fuhrleistungen sind ihrer Natur nach gewerbliche Leistungen. Sie können ohne weiteres durch einen ausschließlich gewerblich tätigen Unternehmer ausgeführt werden. Sie können aber, wie die Regelung der Zuschläge in den §§ 7 und 9 VOL zeigt, unter gewissen Voraussetzungen auch Nebenleistungen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes sein. Die Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1951 stellen in Abschn. 13 Abs. 6 die Abgrenzung darauf ab, ob die Fuhrleistungen dazu dienen, die für den landwirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Gespanne auszunützen (landwirtschaftliche Nebentätigkeit) oder ob sie darüber hinaus gehen (Gewerbebetrieb). Dieses Abgrenzungsmerkmal ist aber nicht das einzige und vielleicht auch nicht immer ein zutreffendes Merkmal. Der Begriff der Nebenleistungen birgt das Erfordernis in sich, daß es sich um Leistungen handeln muß, die von erheblich geringerer wirtschaftlicher Bedeutung sind als die landwirtschaftliche Haupttätigkeit. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, können die Einnahmen daraus als Einnahmen aus Landwirtschaft angesehen werden.
Der Umfang der Gespannhaltung kann ein Beweiszeichen für die wirtschaftliche Bedeutung der Fuhrleistungen sein. Sind mehr Zugkräfte vorhanden, als der landwirtschaftliche Betrieb erfordert, so wird man in der Regel einen gewerblichen Betrieb annehmen müssen. Insoweit ist den GewStR beizustimmen. In einem solchen Fall werden auch meist noch andere Merkmale für eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Fuhrleistungen zu erkennen sein. Es ist aber möglich, daß der Zugkräftebesatz nicht oder nur wenig über das für die Landwirtschaft betriebsnotwendige Maß hinausgeht, etwa weil der Unternehmer durch besonders rationelle Betriebsführung und Arbeitseinteilung in der Landwirtschaft Zugkräfte für eine betriebsfremde Verwendung frei macht, und daß trotzdem die Fuhrtätigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit an wirtschaftlicher Bedeutung nicht viel nachsteht oder sie sogar übertrifft. Dies muß nach den gesamten Verhältnissen des einzelnen Falles und nach der Verkehrsauffassung beurteilt werden. Eine besondere Rolle spielen dabei die Umsätze und Einkünfte. Von Nebenleistungen, das heißt von nebensächlichen Leistungen, wird man in der Regel nur dann sprechen können, wenn die Einnahmen und Gewinne aus dem Fuhrbetrieb nur gering, auf jeden Fall aber wesentlich geringer sind als die Einnahmen und Gewinne aus Landwirtschaft und nicht andere Umstände (zum Beispiel höherer Einsatz von Zugkräften und Arbeitskräften oder ähnliches) für eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Fuhrbetriebes sprechen. übersteigen die Umsätze und Gewinne nachhaltig und auf die Dauer dieses Maß, liegt in der Regel ein Gewerbebetrieb vor. Es würde dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Gebot gleicher Wettbewerbsbedingungen widersprechen, wollte man einen solchen Betrieb noch der Landwirtschaft zurechnen und ihn nicht der Gewerbesteuer unterwerfen, der ein Fuhrunternehmer mit den gleichen Umsätzen und Gewinnen, aber ohne Landwirtschaft, unterliegt (vgl. die ähnlichen Gedankengänge des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 250/50 U vom 2. Februar 1951, Slg. Bd. 55 S. 171, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 65).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes:
Das Finanzgericht hat durch eingehende Ermittlungen festgestellt, daß der Bf. unter Umrechnung der Zugmaschinenleistung in Zugvieheinheiten für 14 ha Landwirtschaft 5,5 Zugvieheinheiten besitzt. Das sind umgerechnet auf 100 ha landwirtschaftlicher Fläche 40 Zugvieheinheiten, während nach den Feststellungen des Finanzgerichts nicht einmal ganze 25 Zugvieheinheiten auf 100 ha gegendüblich und betriebsnotwendig sind. Dies rechtfertigt die Annahme des Finanzgerichts, daß der höhere Einsatz an Zugvieheinheiten auf den Milchfuhrbetrieb des Bf. zurückzuführen ist. Bestätigt wird dies durch die eigenen Angaben des Bf., daß er die Zugmaschine allein für das Milchfahren angeschafft habe und deshalb die Absetzungen für Abnutzung für die Zugmaschine von den Einnahmen des Fuhrbetriebes abzuziehen seien. Der Umfang der Fuhrleistungen ergibt sich auch daraus, daß sie täglich fast den ganzen Vormittag ausfüllen und regelmäßige Umsätze und Gewinne in etwa der gleichen Höhe wie der landwirtschaftliche Betrieb einbringen. Nach eigener Angabe des Bf. betrug der Einsatz der Zugmaschine für die Fuhrleistungen 44 %, der Pferdeeinsatz 34 % aller Gespanntage. Im Streitjahr betrugen die Umsätze aus dem Fuhrbetrieb 6.824 DM und der Gewinn 3.505 DM gegenüber einem landwirtschaftlichen Umsatz von 8.900 DM und einem landwirtschaftlichen Gewinn von 4.150 DM. ähnlich liegen die Verhältnisse in den vorhergehenden Jahren. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fuhrbetriebes ist nach alledem so groß, daß die Einnahmen hieraus nicht mehr als Nebeneinnahmen im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes betrachtet werden können. Die Vorinstanzen haben daher die aus dem Fuhrbetrieb erzielten Gewinne mit Recht als gewerbliche Einkünfte besteuert (vgl. auch das zur Kraftfahrzeugsteuer ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs II 10/53 U vom 26. August 1953, Slg. Bd. 58 S. 38, BStBl 1953 III S. 306). Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, steht die Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 49/51 U vom 23. Oktober 1952, Slg. Bd. 57 S. 58, BStBl 1953 III S. 21, zu dieser Auffassung nicht im Widerspruch. Dieses Urteil befaßt sich nicht mit dem Problem der Abgrenzung von landwirtschaftlichen und gewerblichen Einkünften, sondern ausschließlich mit der Frage, ob der Landwirt in dem dort behandelten Falle den Milchtransport selbständig oder als Angestellter der Molkerei ausgeführt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 408617 |
BStBl III 1957, 26 |
BFHE 64, 66 |