Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Geschäftsinhabers für eine fachlich organisierte einwöchige Auslandsreise (USA) zu Informationszwecken und zur Anknüpfung von Geschäftsbeziehungen sind Betriebsausgaben, wenn das Reiseprogramm auf die besonderen betrieblichen Gegebenheiten zugeschnitten und die Befriedigung privater Interessen als Reisezweck nahezu ausgeschlossen ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines Unternehmens für Kälte-, Klima- und Großküchentechnik. In der Zeit vom 27. Januar bis 3. Februar 1975 nahm er an einer Reise in die USA teil, die wie folgt verlief:
Montag:
Flug nach New York und Weiterfahrt nach Atlantic City zur Teilnahme an der Verbandstagung.
Dienstag:
Besuch der großen Fachausstellung und von Vorträgen auf der Fachtagung.
Mittwoch:
Rückfahrt nach New York. Dabei Besuch des Klimageräteherstellers A mit verschiedenen Besichtigungen und Gesprächen.
Donnerstag:
Fahrt von New York nach Edison zur Firma F; dort Verhandlung mit dem Vertriebsleiter wegen Lieferungen in die Bundesrepublik. Nachmittags kurze Besichtigung des World Trade Center in New York und der dortigen Klimazentralen. Abends Flug nach New Orleans.
Freitag:
Besichtigung des größten geschlossenen Sportstadions der Welt, Führung durch den Chefingenieur des Lieferanten der Klimageräte. Nachmittags Besichtigung von Klimaanlagen eines Bankgebäudes.
Samstag:
Besichtigungen ohne fachliches Programm.
Sonntag:
Rückflug nach New York, Stadtrundfahrt. Nachmittags Abflug nach Frankfurt.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) für den Veranlagungszeitraum 1975 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in welchem er die Kosten der Reise -- mit Ausnahme von Teilnahmegebühren -- nicht als Betriebsausgaben abzog. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
In seiner wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung sachlichen Rechts (§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --). Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die durch die Reise veranlaßten Aufwendungen zu Recht gemäß § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben qualifiziert.
1. Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung der Steuerpflichtigen mit sich bringt, dürfen nicht abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Daher sind Aufwendungen für die Teilnahme eines Unternehmers an einer Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken dann keine Betriebsausgaben, wenn sie nicht objektiv durch den Betrieb veranlaßt sind, insbesondere wenn nach dem Programm der Reise auch ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; ständige Rechtsprechung).
Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, ist vor allem anhand folgender Kriterien zu beurteilen:
-- Zuschnitt des Reiseprogramms auf die besonderen betrieblichen Bedürfnisse und Gegebenheiten des einzelnen Teilnehmers (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1974 I R 112/73, BFHE 114, 488, BStBl II 1975, 379), wobei unter dem Gesichtspunkt des Informationszwecks die Größe seines Betriebs und die Art seiner Betätigung besonders zu berücksichtigen sind; in diesem Zusammenhang ist auch zu untersuchen, ob der Steuerpflichtige Anlagen und Einrichtungen gleicher Art im Inland oder im näher liegenden Ausland hätte besichtigen können;
-- Homogenität des Teilnehmerkreises;
-- straff und fachlich organisiertes Programm;
-- Teilnahme an den Veranstaltungen;
-- Reiseziel und Reiseroute (häufiger Ortswechsel, Besuch bevorzugter Ziele des Tourismus);
-- Gestaltung der Wochenenden und Feiertage;
-- Art des Beförderungsmittels;
-- Dauer der Reise; Zeitpunkt der Reise (z. B. Urlaubssaison);
-- Verbindung mit einem Privataufenthalt;
-- Mitnahme von Familienangehörigen.
Die Entscheidung, ob betriebsbedingte Aufwendungen vorliegen und die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles getroffen werden. Die genannten Kriterien sind daher zwar einzeln zu untersuchen, sie sind aber auch gegeneinander abzuwägen (BFHE 126, 533, 543, BStBl II 1979, 213, 218). Zu beachten ist, daß die einzelnen Kriterien unterschiedliches Gewicht haben können, so daß aus dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einzelner Merkmale nicht unmittelbar auf ein bestimmtes Resultat geschlossen werden kann.
Im Ergebnis ist die Reise einheitlich als Ganzes zu beurteilen, weil die einzelnen Teile einer solchen Reise von der Organisation und der Durchführung her nur im Zusammenhang gesehen werden können (BFHE 126, 533, 543, BStBl II 1979, 213, 218; BFH-Urteil vom 12. April 1979 IV R 106/77, BFHE 127, 533, 536, 537, BStBl II 1979, 513, 514).
2. Der BFH hat als Revisionsinstanz zu prüfen, ob das FG die maßgeblichen rechtlichen Kriterien berücksichtigt hat (BFHE 127, 533, 537, 538, BStBl II 1979, 513, 515; Urteile vom 13. Februar 1980 I R 178/78, BFHE 130, 48, 51, BStBl II 1980, 386, 387; vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BFHE 134, 325, 328, BStBl II 1982, 69, 70).
Im Streitfall ergibt diese Prüfung, daß das FG die Reise im Ergebnis zutreffend beurteilt hat. Es konnte ohne Rechtsfehler zu der Auffassung kommen, daß die Reise weitaus überwiegend betrieblich veranlaßt war.
a) Das Reiseprogramm war nach den Feststellungen des FG auf die besonderen betrieblichen Bedürfnisse des Klägers zugeschnitten. Die Reise des Klägers bezweckte eine berufliche Fortbildung in den USA, die auf dem Markt der Klimageräte führend sind. Sowohl die Teilnahme an der Verbandstagung und der Besuch der Fachausstellung als auch die Besichtigung einzelner Firmen und Anlagen dienten diesem Zweck. Es kann deshalb nicht eingewendet werden, der Kläger hätte Anlagen und Einrichtungen gleicher Art im Inland oder näher gelegenen Ausland besuchen können. Für den betrieblich ausgerichteten Zuschnitt der Reise spricht auch die Homogenität des Teilnehmerkreises.
b) Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, daß der Kläger als Mitgesellschafter der A-GmbH (Einkaufsgesellschaft) versuchte, die Firma F als Lieferanten zu gewinnen und daraus auch für seine Firma Vorteile zu ziehen; denn das Aufsuchen von Geschäftspartnern zum Zwecke von Vertragsverhandlungen ist als offensichtlicher, unmittelbarer betrieblicher Anlaß einer Reise zu werten (BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, 276, BStBl II 1975, 70, 71).
c) Das Programm war gedrängt und nach fachlichen Gesichtspunkten organisiert. Ortswechsel wurden zum Zwecke der Erreichung der verschiedenen Zielorte vorgenommen, ohne daß besonders bevorzugte Ziele des Tourismus aufgesucht wurden. Die Reise dauerte nur eine Woche und schloß nur ein Wochenende ein; der Zeitpunkt der Reise lag nicht in der Urlaubssaison. Weder verband der Kläger die Reise mit einem vorhergehenden oder sich anschließenden Privataufenthalt in den USA noch beteiligten sich Familienangehörige an dieser Reise.
Der Einwand des FA, daß der Flug nicht direkt nach Atlantic City und Edison durchgeführt worden sei, spricht ebenfalls nicht gegen die betriebliche Veranlassung der Reise. Es ist im Geschäftsleben üblich, bei einer Reise, die zu mehreren Zielorten führt, einen Ort, der sich wegen seiner Größe, seiner zentralen Lage oder seiner günstigen Verkehrsverbindungen anbietet, als zentralen Punkt auszuwählen, von dem aus dann die einzelnen Fahrten und Flüge unternommen werden. In New York selbst wurden das World Trade Center und die dortigen Klimazentralen besichtigt, von New York aus wurden die Fahrten nach Atlantic City und nach Edison und der Flug nach New Orleans durchgeführt.
d) Gegen die betriebliche Veranlassung der Reise spricht weiterhin nicht, daß die Möglichkeit bestand, bereits den Freitag zu nicht betriebsbezogenen Unternehmungen zu nutzen. Maßgebend ist vielmehr, wie der Kläger diesen Reisetag tatsächlich genutzt hat. So ist es nicht zu beanstanden, daß das FG die Führung durch das Sportstadion "Louisiana Dome", die von dem Chefingenieur des Klimagerätelieferanten vorgenommen wurde, und die Besichtigung von Klimaanlagen eines Bankgebäudes als betrieblich veranlaßt gewertet hat.
e) Schließlich wird der Reise der betriebliche Charakter -- wie das FG zutreffend ausführt -- auch nicht dadurch genommen, daß den Teilnehmern der Samstag zur freien Verfügung stand und am Sonntag nach dem Rückflug von New Orleans nach New York und vor dem Abflug nach Frankfurt am Nachmittag noch eine Stadtrundfahrt unternommen wurde. Derartige Ruhetage machen, selbst wenn sie zu allgemeinen Besichtigungen genutzt werden, eine ansonsten eindeutig betrieblich veranlaßte Reise nicht zu einer Privatreise (BFHE 126, 533, 542, BStBl II 1979, 213, 217).
Fundstellen
Haufe-Index 74614 |
BStBl II 1983, 409 |
BFHE 1983, 40 |