Leitsatz (amtlich)
1. Das den § 15 UStG beherrschende Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung der (mit Umsatzsteuer belasteten) Leistungsbezüge zu den damit ausgeführten Umsätzen ist auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer den für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Umsatz nicht selbst ausführt, sondern durch eine andere Person (Mittelsperson) mit Hilfe der Leistungsbezüge ausführen läßt und ihm das wirtschaftliche Ergebnis des auf diese Weise aus seinem Unternehmen "ausgelagerten" Umsatzes zufließt.
2. Schaltet der Hauseigentümer zur Vermietung errichteter Räumlichkeiten eine Mittelsperson ein und überstellt er dieser ohne Begründung eines Mietverhältnisses die Räumlichkeiten zwecks Ausführung nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreier Umsätze im eigenen Namen, ist der Hauseigentümer wegen des wirtschaftlichen Zuordnungsprinzips bezüglich der bei ihm aus Hauserrichtung angefallenen Vorsteuerbeträge gemäß § 15 Abs. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
2. Das Umsatzsteuergesetz enthält keine planwidrige Regelungslücke, deren Vorliegen Voraussetzung dafür wäre, die in § 3 Abs. 3 UStG enthaltene Regelung für Warenkommissionäre des Handelsrechts allgemein, also auch bei Einschaltung einer Mittelsperson zur Weitergabe von sonstigen Leistungen anzuwenden (Ablehnung der sog. Leistungskommission).
2. Hat der Hauseigentümer der Mittelsperson die Räumlichkeiten unter Abschluß eines Mietvertrages mit dem Ziele ihrer (steuerfreien) Weitervermietung im eigenen Namen überlassen (sog. Zwischenmietverhältnis), ist statt einer Einschaltung der Mittelsperson in die Leistungskette eine Geschäftsbesorgung der Mittelsperson zugunsten des Hauseigentümers anzunehmen, falls sich die getroffene Gestaltung als mißbräuchlich im Sinne des § 6 StAnpG (jetzt § 42 AO 1977) erweist. Von dieser Beurteilung bleibt unberührt, daß die Mittelsperson gegenüber den sog. Endmietern nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreie Umsätze ausführt, die für den Hauseigentümer zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 UStG führen.
Normenkette
UStG 1967 § 15 Abs. 1-2; AO 1977 § 42
Tatbestand
Der Kläger ist Steuerberater im Angestelltenverhältnis. Im Jahre 1972 errichtete er auf einem eigenen Grundstück ein Zweifamilienhaus.
Am 1. Oktober 1972 schloß der Kläger mit einer Wirtschafts- und Finanzberatungs-KG (im folgenden KG genannt) einen Vertrag über die Nutzung des Gebäudes. Zu der KG hatten sich mit Wirkung vom 1. Januar 1972 der Diplom-Volkswirt B als persönlich haftender Gesellschafter und Frau C als Kommanditistin zusammengeschlossen. Zweck der Gesellschaft war die Anmietung und Weitervermietung von Wohnungen bzw. Wohngebäuden. Der Gesellschafter B war bei derselben Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt wie der Kläger.
In dem Vertrag vom 1. Oktober 1972 wurde der Kläger als Vermieter und die KG als Mieter des vom Kläger errichteten Gebäudes bezeichnet. Die Mietdauer sollte fünf Jahre (vom 1. November 1972 bis 1. November 1977), der Mietpreis monatlich 700 DM betragen.
Das Gebäude wurde am 1. November 1972 bezugsfertig. Die KG vermietete die 104 qm große Wohnung im Erdgeschoß an die Ehefrau des Klägers, welche diese Wohnung in der Folgezeit zusammen mit dem Kläger als Familienwohnung nutzte. Die Wohnung im Untergeschoß (63 qm) vermietete die KG an einen Dritten.
Nachdem das Dachgeschoß ausgebaut worden war, erhöhten der Kläger und die KG durch Zusatzvertrag mit Wirkung vom 15. April 1973 den Mietpreis von 700 DM auf 1 100 DM. Die im Dachgeschoß befindlichen Zimmer (insgesamt 51 qm groß) vermietete die KG ebenfalls an Dritte.
Der Kläger teilte dem Finanzamt mit, daß er für die Vermietungsumsätze des Jahres 1972 auf die Steuerbefreiung verzichte und die Umsätze den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes unterwerfen wolle. In seiner Umsatzsteuererklärung machte der Kläger einen Vorsteuerabzugsbetrag in Höhe von 18 892,42 DM geltend. Nach Berücksichtigung von Selbstverbrauchsteuer berechnete er die negative Umsatzsteuer mit 15 219,09 DM.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer 1972 auf null DM fest. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vertrat das Finanzamt die Ansicht, die Einschaltung der KG als Zwischenvermieterin stelle einen Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 6 StAnpG dar.
Mit der Klage beantragte der Kläger, die negative Umsatzsteuer 1972 gemäß seiner Steuererklärung festzusetzen, hilfsweise, den Vorsteuerabzug anteilig insoweit zu gewähren, als die Wohnungen nicht an seine Ehefrau weitervermietet worden seien. Zur Begründung führte er aus: Er habe das Gebäude an die KG vermietet, weil er Rechtsbeziehungen mit den (End-)Mietern habe vermeiden und nur mit einem einzigen Vertragspartner habe abschließen wollen. Die KG habe selbständig die (End-)Mieter ausgewählt und die Verträge geschlossen. Ein Entgelt habe die KG für die Weitervermietung von ihm nicht erhalten. Ihr Interesse an der Zwischenvermietung habe darin bestanden, in anderen Zwischenvermietungsfällen ihn - den Kläger - als Referenz angeben zu können. Die KG habe das Mietausfallrisiko getragen. Trotz Auszugs eines (End-)Mieters habe die KG den vertragsgemäßen Mietpreis von 1 100 DM an ihn - den Kläger - weitergezahlt. Der Mietvertrag über die von ihm selbst bewohnte Wohnung sei von seiner Ehefrau geschlossen worden, weil diese durch die Zahlung der Miete einen Ausgleich für die von ihm getragenen Baukosten habe leisten sollen. Seine Ehefrau habe Geldmittel erspart gehabt und geschenkt erhalten.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, in der Zwischenschaltung der KG liege ein Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 6 StAnpG, weil dieser ungewöhnliche Weg nicht durch wirtschaftliche oder sonstige nichtsteuerrechtliche Gründe zu rechtfertigen gewesen sei und dem Zweck und der Zielsetzung des § 9 UStG 1967 widerspreche. Ein die Gestaltung rechtfertigender Zweck fehle, da ein wirtschaftliches Eigeninteresse der KG an der Zwischenvermietung des Zweifamilienhauses des Klägers fehle. Die Zwischenvermietung habe der KG keine angemessene Rendite erbringen können, da sie an den Kläger bereits einen Mietpreis von 5 DM pro qm Wohnfläche habe bezahlen müssen. Zu der vom Kläger behaupteten Übernahme des Mietausfallrisikos führt das Finanzgericht aus, der Kläger habe nicht überzeugend dargetan, daß die KG tatsächlich einen Mietausfall getragen habe.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Das Finanzamt beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Die vom Finanzgericht vertretene Rechtsauffassung, die zwischen dem Kläger und der KG einerseits und zwischen dieser Gesellschaft und der Ehefrau des Klägers andererseits abgeschlossenen Mietverträge bezüglich der Familienwohnung des Klägers seien ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts i. S. des § 6 StAnpG, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Dieser vom Finanzgericht angenommene, vom Gesetz mißbilligte Mißbrauch i. S. des § 6 StAnpG besteht in der Wahl einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessenen rechtlichen Gestaltung zum Zwecke der Umgehung der Steuergesetze (vgl. Tipke/Kruse, RAO/FGO, 7. Aufl., § 6 StAnpG Rdnr. 3, sowie AO/FGO, 10. Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr. 13). Das Finanzgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne sich in bezug auf die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht auf das Bestehen dieses Vertragswerks berufen. Demnach ist für die vom Kläger und seiner Familie bewohnte Wohnung eine Nutzung anzunehmen, die nicht auf einer Vermietung durch einen Fremden beruht, sondern ein Wohnen im eigenen, zu diesem Zwecke errichteten Hause darstellt.
Für die von fremden Personen bewohnten Räume dieses Hauses ergibt sich eine nach § 4 Nr. 12 UStG 1967 steuerfreie entgeltliche Gebrauchsüberlassung durch die KG, die bezüglich des Vorsteuerabzugs dem Kläger zuzurechnen ist. Bei dieser Sachlage fehlt es an den Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG 1967.
1. Im vorliegenden Fall der Ver- und Rückmietung der Familienwohnung des Klägers ist das Vertragswerk als Ganzes einer Beurteilung zu unterziehen. Der maßgebliche wirtschaftliche Vorgang bestand zunächst in der Errichtung eines Wohnhauses durch den Kläger; das damit erstrebte wirtschaftliche Ziel war in erster Linie das Wohnen im eigenen Haus. Derjenige, der auf eigenem Grund und Boden ein Haus zu Eigenwohnzwecken errichtet, verwirklicht dieses Ziel bei Anlegung normaler Maßstäbe dadurch, daß er in das Haus mit seiner Familie einzieht. Für die vorherige Vermietung an einen Dritten mit der Rückmietung Zug um Zug gibt es in der Person des Hauseigentümers durchweg keinen vernünftigen Grund. Auch der Kläger hat keinen Grund benennen können. Der Revisionsvortrag geht dahin, die KG habe in ihrer Person einen vernünftigen Grund gehabt, nämlich ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Der Kläger hat aber zu seinem Rechtsnachteil versäumt, überzeugend darzulegen, weshalb er wegen des vorgeblichen wirtschaftlichen Wohlergehens eines fremden Unternehmers eine Vertragsgestaltung herbeigeführt hat, die aus seiner Sicht keinen anderen Sinn ergibt als die Erlangung eines - gemessen an der gesetzlichen Konzeption - ungerechtfertigten Steuervorteils. Der Abschluß wirtschaftlich unsinniger Verträge kann nicht dadurch zu einer sinnvollen Vertragsgestaltung werden, daß vorgeblich der Vertragspartner daraus einen wirtschaftlichen Vorteil zieht. Das Finanzgericht hat im übrigen hierzu festgestellt, daß diese Behauptung des Klägers unrichtig ist.
2. Der zweite Teil des wirtschaftlichen Vorgangs bestand in der Weitervermietung der Familienwohnung durch die KG an die Ehefrau des Klägers. Wenn die KG, wie der Kläger behauptet, zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil Wohnungen vermietet und zum Anreiz für Geschäfte mit ihr vorgeblich Mietgarantien übernimmt, dann hat sie mit der Vermietung der Wohnung an einen einkommenslosen Vertragspartner, nämlich die Ehefrau des Klägers, ihr Ziel verfehlt. Es entspricht dem normalen Verhalten eines Vermieters, sich bei der Vermietung einer Familienwohnung in erster Linie an denjenigen Ehegatten zu halten, der über geregeltes Einkommen verfügt und ihm deshalb den Eingang des Mietzinses "garantiert". Es entspricht weithin der Übung und dem Wunsch von Vermieter und Mieter, daß beide Ehegatten Vertragspartner des Vermieters werden. Die im vorliegenden Fall anzutreffende Gestaltung, die einkommenslose Ehefrau zum alleinigen Vertragspartner zu wählen, ist wohl der schlichten Überlegung entsprungen, durch zwei verschiedene Vertragspartner der KG (dem Kläger als Vermieter und der Ehefrau als Mieter) könne dasjenige zugedeckt werden, was allein erkennbarer Grund dieser Verträge war, nämlich zum Vorsteuerabzug zu gelangen.
3. Was letztlich die Vermietung der zunächst allein vorhandenen Wohnung im Untergeschoß und die später hinzugekommenen Einzelräume im Dachgeschoß anbetrifft, so ist auch für sie die Einschaltung eines Zwischenmieters (also dem Abschluß des Mietvertrages zwischen dem Kläger und der KG) unter Anlegung normaler Maßstäbe nicht als angemessene Gestaltung zu betrachten. Mit der Revision trägt der Kläger selbst vor, an eine Hausverwaltungstätigkeit der KG sei nicht gedacht worden. Dies wäre auch angesichts der wenigen Mietobjekte und der beruflichen Stellung des Klägers - d. h. seiner Befähigung, das Gebäude selbst zu verwalten - kaum verständlich gewesen.
Sollte die KG dem Kläger diese Dienste nicht erbringen, bliebe nur das Argument der Mietgarantie. Denkgesetzlich setzt ein solches Garantieversprechen voraus, daß bei vernünftiger Vorausschau aus bestimmten, insonderheit in der Person des Mieters liegenden Gründen ein Garantiefall (also Mietausfall) eintreten kann und dann von solchem finanziellem Gewicht ist, daß der Garantienehmer ein - ihm Kosten verursachendes - Garantieversprechen für notwendig hält. In überschaubaren Verhältnissen und bei den finanziellen Dimensionen, wie sie hier in kleinstädtischer Umgebung für Mietobjekte von der vermieteten Größenordnung gegeben sind, ist eine Vertragskonstrucktion, die nur noch auf ein Mietgarantieversprechen dargestellter Art gestützt werden kann, schlechthin unangemessen.
Bei dieser Sachlage hat die KG die Weitervermietung der Räumlichkeiten an Dritte als Geschäftsbesorger vorgenommen. Die Versagung des Vorsteuerabzuges beim Kläger beruht insoweit auf den Erwägungen in Abschnitten 1 u. 2 der Entscheidungsgründe im Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75 (BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388).
Fundstellen
BStBl II 1984, 398 |
BFHE 1984, 375 |