Leitsatz (amtlich)
Bezahlte Vermögensteuern bilden bei der Feststellung des Einkommens für die Veranlagung der Körperschaftsteuerpflichtigen im Sinn des KontrRG Nr. 13 Artikel IV Absatz 1 wie bei der Gewerbesteuerveranlagung (Entsch. des Obersten Finanzgerichtshofs I 17/48 S vom 29. Oktober 1948 - Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen 1948 S. 332, Steuer- und Zollbl. 1948 S. 297 -) eine Betriebsausgabe und keine Sonderausgabe.
Tatbestand
Bei der Veranlagung der steuerpflichtigen AG für 1947 hat das Finanzamt den von der Steuerpflichtigen geltend gemachten Verlustabzug aus 1946 von 760 443 RM um die im Jahre 1946 gezahlte Vermögensteuer von 532 350 RM gekürzt. Die Vermögensteuer sei nur als Sonderausgabe abzugsfähig und dürfe deshalb den Verlustvortrag nicht erhöhen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat zunächst zu dem Erlaß der Finanzleitstelle vom 15. Mai 1946 (Steuer- und Zollbl. 1946 S. 112) über den Abzug der Vermögensteuer bei der Gewerbesteuer Stellung genommen. In dem Erlaß ist ausgeführt, daß der Abzug der Vermögensteuer auch bei Körperschaften als Sonderausgabe aufzufassen sei, da die Vermögensteuer bei Körperschaften nicht beim Gewinn, sondern "bei Feststellung des Nettoeinkommens" abzuziehen sei. Das Finanzgericht hat aus dem Wort "Nettoeinkommen" in Artikel IV Absatz 1 des Kontrollratsgesetzes (KontrRG) Nr. 13 keinen zwingenden Schluß auf die Eigenschaft der Vermögensteuer als Sonderausgabe gezogen. Es will aber diese Eigenschaft aus der Vorschrift des § 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KörpStG) in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) herleiten, wo der Vermögensteuerabzug als Sonderausgabe behandelt ist. Das Finanzgericht meint, § 10 Absatz 1 Ziffer 3 EStG sei auf Körperschaftsteuerpflichtige gemäß § 6 KörpStG anzuwenden. Diese Vorschrift sei unverändert geblieben. Der Sonderbestimmung des Artikels IV Absatz 1 KontrRG Nr. 13 hätte es nicht bedurft, ebensowenig der entsprechenden änderung der §§ 11, 12 KörpStG. Die Streichung der Abzugsvorschrift des § 12 Ziffer 2 KörpStG und die Einfügung der Abzugsfähigkeit als Ziffer 5 des § 11 KörpStG durch Artikel IV KontrRG Nr. 13 sei aus dem Streben des Gesetzgebers nach Klarstellung zu erklären. Als Betriebsausgabe würde die Vermögensteuer bereits bei Ermittlung des Gewinns zu berücksichtigen sein, die Vorschrift sei daher unnötig. Die Vermögensteuer sei auch nicht durch den Betrieb veranlaßt, sondern durch das Gesetz bestimmt. Sämtliche im § 11 Ziffer 1 bis 4 KörpStG aufgeführten Beträge seien Sonderausgaben, also auch die als Ziffer 5 hinzugefügte Vermögensteuer. Die Vermögensteuerzahlungen stellten überdies eine Verwendung von Einkommen dar. Es erscheine unlogisch, die Vermögensteuer bei natürlichen Personen als Sonderausgabe, dagegen bei Körperschaften als Betriebsausgabe zu behandeln. Der steuerliche Charakter eines Ausgabepostens könne sich nicht durch den rein äußerlichen Umstand der Rechtsform des Unternehmens ändern. Es sei daher untragbar, daß sich durch eine Umwandlung der OHG in eine Kapitalgesellschaft eine Sonderausgabe zur Betriebsausgabe verwandle.
Entscheidungsgründe
Der Senat vermag den Rechtsausführungen des Finanzgerichts nicht beizupflichten.
Artikel IV Absatz 1, 2 KontrRG Nr. 13 vom 11. Februar 1946 lauten:
Bei Feststellung des Nettoeinkommens für Zwecke der Körperschaftsteuerveranlagung stellen bezahlte Vermögensteuern abzugsfähige Ausgaben dar. §§ 11 und 12 KörpStG werden hiermit entsprechend geändert.
Bei Ermittlung der Einkommensteuerpflicht sind bezahlte Vermögensteuern als Sonderausgaben gemäß § 10 EStG abzugsfähig.
Was bei der Körperschaftsteuer als Einkommen gilt, und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und den §§ 7 bis 16 KörpStG (ß 6 KörpStG). Stehen Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes mit denen des Einkommensteuergesetzes nicht in Einklang, so gehen die Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes als Sondergesetz denen des Einkommensteuergesetzes vor.
Kapitalgesellschaften sind nach § 1 Absatz 1 Ziffer 2 zu a des Vermögensteuergesetzes unbeschränkt vermögensteuerpflichtig. Alle Wirtschaftsgüter, die der Kapitalgesellschaft gehören, bilden einen gewerblichen Betrieb (ß 56 Absatz 1 Ziffer 1 des Reichsbewertungsgesetzes). Die Vermögensteuerpflicht der Kapitalgesellschaften beruht auf dem Vorhandensein dieses eine wirtschaftliche Einheit bildenden Betriebs. Ihre Vermögensteuerzahlungen sind durch den Betrieb veranlaßt, weil die Kapitalgesellschaft in ihrer Gesamtheit den gewerblichen Betrieb darstellt, somit Betriebsausgaben (ß 4 Absatz 4 EStG). Als Betriebsausgaben sind sie bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns zu berücksichtigen (ß 4 Absatz 1 Satz 4 EStG in Verbindung mit § 6 KörpStG), soweit dies nicht ausdrücklich durch das Gesetz untersagt ist. Das gesetzliche Abzugsverbot (bis 31. Dezember 1945) des § 12 Ziffer 2 KörpStG hat die Eigenschaft der Vermögensteuer als Betriebsausgabe im wirtschaftlichen Sinne nicht beseitigt (vgl. Entsch. des RFHofs I 71/39 vom 9. Januar 1940 - Slg. Bd. 48 S. 83, 84). Aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber ein solches Abzugsverbot für notwendig gehalten hat, rechtfertigt sich der Schluß, daß auch er von der Betriebsausgabeneigenschaft der Vermögensteuer ausgegangen ist. Wenn nun im Artikel IV Absatz 1 KontrRG Nr. 13 ausgesprochen ist, daß bei der Feststellung des Nettoeinkommens für Zwecke der Körperschaftsteuerveranlagung bezahlte Vermögensteuern abzugsfähige Ausgaben darstellen und die §§ 11 und 12 KörpStG entsprechend geändert werden, und wenn demgegenüber im Absatz 2 a. a. O. bei der Ermittlung der Einkommensteuerpflicht die bezahlten Vermögensteuern als Sonderausgaben für abzugsfähig erklärt werden, läßt der klare Wortlaut des Gesetzes keinen Zweifel zu, daß die Eigenschaft der Vermögensteuer als Betriebsausgabe für die Körperschaftsteuer gilt. Der Oberste Finanzgerichtshof hat bereits in seinem zur Gewerbesteuer ergangenen Urteil I 17/48 S vom 29. Oktober 1948, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen 1948 S. 332, Steuer- und Zollbl. 1948 S. 297, die Betriebsausgabeneigenschaft der Vermögensteuerzahlungen bejaht. Er hat aus dem Wortlaut des Gesetzes auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen, für die Körperschaftsteuerveranlagung eine von der Veranlagung der Einkommensteuerpflichtigen abweichende Regelung zu treffen. Die körperschaftsteuerpflichtigen Personen hätten offenbar günstiger gestellt werden sollen, als die einkommensteuerpflichtigen, bei denen die Abzüge gemäß Artikel XI KontrRG Nr. 12 beschränkt waren. Im Urteil ist eingehend dargelegt, daß aus der Wortfassung "Nettoeinkommen" kein Schluß auf die Eigenschaft der Vermögensteuer als Sonderausgabe zulässig ist. Dieser Ausdruck solle lediglich den Tatbestand, an den die Steuer geknüpft wird, klar zum Ausdruck bringen. Rechtsirrig ist die Auffassung des Finanzgerichts, daß alle im § 11 KörpStG aufgeführten Beträge Sonderausgaben seien. Die im § 11 a. a. O. enthaltenen Posten sind von verschiedenartigem wirtschaftlichem und steuerlichem Charakter. So sind beispielsweise die Sanierungsgewinne (Ziffer 4) überhaupt keine Ausgaben. über das Wesen der Beträge kann aus der Stellung im § 11 KörpStG und aus der überschrift "Abzugsfähige Ausgaben" nichts entnommen werden. Das Gemeinsame der Beträge ist lediglich, daß sie der Steuer nicht unterworfen sein sollen. Vom Standpunkt des Gesetzgebers aus handelt es sich also um sachliche Steuerbefreiungen. Die Beträge sind bereits bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns abzusetzen.
Die Finanzleitstelle hat ihre Auffassung, daß die Vermögensteuer auch bei der Körperschaftsteuerveranlagung als Sonderausgabe zu behandeln sei, in der 2. Anweisung vom 11. Oktober 1946 zum KontrRG Nr. 12 unter e) zu Ziffer 2a Artikel XI (Steuer- und Zollbl. 1946 S. 75, 84) aufrechterhalten. Sie hat ausgeführt, daß Vermögensteuerzahlungen keine Betriebsausgaben seien, weil es sich um Verwendung von Einkommen handle, die ohne ausdrückliche Zulassung nicht abzugsfähig wäre. Wäre die Auffassung der Vermögensteuerzahlungen als Einkommensverwendung richtig, so hätte es des Abzugsverbots im § 12 Ziffer 2 KörpStG nicht bedurft. Die Finanzleitstelle hat diesen irrigen Standpunkt jedoch in den Körperschaftsteuer-Richtlinien 1946 vom 6. Januar 1948 Abschnitt 27 (Steuer- und Zollbl. 1948 S. 33, 39) aufgegeben.
Der Senat schließt sich somit der Rechtsauffassung des Urteils des Obersten Finanzgerichtshofs I 17/48 S und den Anweisungen der Finanzverwaltungen der meisten Länder an, daß die gezahlte Vermögensteuer eine Betriebsausgabe und keine Sonderausgabe ist.
Die Vorentscheidungen waren daher aufzuheben. Der vortragsfähige Verlust erhöht sich um die abgezogene Vermögensteuer zu 532 350 RM, das steuerpflichtige Einkommen 1947 vermindert sich auf 3 292 930 RM und die Steuer zu 65 % auf 2 140 404,50 RM.
Fundstellen
Haufe-Index 407178 |
BStBl III 1951, 37 |
BFHE 55, 93 |
BB 1951, 217 |