Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob für die Errichtung von sogenannten Basisgesellschaften im Ausland wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553), ist nicht allein nach dem in den Statuten niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben ihrer Gründer zu entscheiden. Der Gesellschaftszweck muß tatsächlich vollzogen, die behaupteten Gründe für die Errichtung müssen durch wirtschaftliches Handeln der Organe nach der Errichtung in Erscheinung getreten sein.
2. Für die Entfaltung einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil I R 135/70) genügt es nicht, daß die Basisgesellschaft lediglich das Stammkapital hält.
Normenkette
StAnpG §§ 6, 15 Abs. 1; DBA CHE Art. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (FA) bei den Vermögensteuerveranlagungen auf den 1. Januar 1964 bis 1. Januar 1969 zu Recht dem Vermögen des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) die Beteiligung an der Firma X & Cie Ltda (künftig mit X bezeichnet) in Z (Kolumbien) hinzugerechnet hat.
Diese Beteiligung wird von der E-Anlage GmbH (künftig als GmbH bezeichnet) in N/Schweiz gehalten. Nach den Feststellungen des FG ließ der Kläger mit notariellem Vertrag vom 3. Juli 1963 mit einem Gesellschaftskapital von 100 000 sfr durch die Gesellschafter A, einem Steuerberater des Klägers (Anteil 99 000 sfr), und B, einem Schweizer Anwalt (Anteil 1 000 sfr), die Gesellschaft gründen. Zwischen dem Kläger und dem Gesellschafter B wurde am 26. Juli 1963 ein schriftlicher Treuhandvertrag geschlossen, wonach sich B in seinem eigenen Namen, jedoch für Rechnung und Gefahr des Klienten, als Gründer mit 1 000 sfr am Stammkapital der GmbH beteiligen wird. In diesem Vertrag wurde ferner vereinbart, daß B "das Mandat als Geschäftsführer" der GmbH gegen eine jährliche Entschädigung von 1 500 sfr übernimmt. Mit A wurde ein "Treuhandvertrag" mündlich abgeschlossen. In Art. 2 der Statuten der GmbH vom 18. Juni 1963 ist als deren Zweck bezeichnet: Beteiligung an anderen Unternehmen in direkter oder indirekter Form, sowie die Durchführung von Anlage- und Finanztransaktionen aller Art mit Ausschluß des Bankgeschäfts.
Nach den Feststellungen des FG beabsichtigte der Kläger mit der Gründung der Gesellschaft in erster Linie sich anonym an einem Unternehmen zu beteiligen, das Erzeugnisse seines Unternehmens abnahm.
Der Kläger stellte das Gründungskapital von 100 000 sfr zur Verfügung. Er ließ es sich alsbald nach Gründung der Gesellschaft in Höhe von 95 420 sfr als Kontokorrent-Darlehen zurücküberweisen. Das Darlehen wurde in der Bilanz der Gesellschaft zum 31. Dezember 1963 mit 35 420 sfr ausgewiesen. 60 000 sfr wurden für die aus dem Privatvermögen des Klägers eingebrachte X-Beteiligung verrechnet und in dieser Höhe die Beteiligung in der Bilanz ausgewiesen. In der Folgezeit gab der Kläger die Geschäftsanteile an der GmbH und an der Firma X in seinen Vermögensteuererklärungen zum 1. Januar 1964, 1. Januar 1965 und 1. Januar 1966 nicht an, da sie nach seiner Auffassung der inländischen Vermögensteuer nicht unterlagen.
Aufgrund einer Betriebsprüfung, welche die vom Kläger getroffenen Vereinbarungen feststellte, wurden die Vermögensteuerveranlagungen auf den 1. Januar 1964, 1. Januar 1965 und 1. Januar 1966 durch Bescheid vom 26. September 1967 in der Weise berichtigt, daß der Anteil an der GmbH in Höhe der von dieser gehaltenen Beteiligung an der Firma X in Höhe von 55 000 DM (1. Januar 1964, 1. Januar 1965) und 60 000 DM (1. Januar 1966) dem Rohvermögen hinzugesetzt wurde. Für die Vermögensteuerveranlagungen zum 1. Januar 1967 (Bescheid vom 31. Juli 1968), 1. Januar 1968 (Bescheid vom 9. April 1970) und 1. Januar 1969 (Bescheid vom 2. Juli 1970) wurde das Rohvermögen des Klägers gleichfalls um 60 000 DM erhöht.
Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA vertrat dabei die Auffassung, daß die von der GmbH gehaltenen Vermögenswerte nach § 11 Nr. 2 und 3 StAnpG dem Kläger zuzurechnen seien, weil die GmbH keine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt und keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten habe.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG war der Ansicht, daß eine Zurechnung des von der GmbH gehaltenen X-Anteils an den Kläger weder wegen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 6 StAnpG) noch als Treuhandvermögen (§ 11 Nr. 2 StAnpG) in Betracht komme. Das Vermögen der GmbH sei daher nach Art. 3 Abs. 1 und 4 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 (DBA-Schweiz) nur in der Schweiz zu besteuern und bei den Vermögensverhältnissen des Klägers unberücksichtigt zu lassen. § 6 StAnpG könne deshalb nicht angewendet werden, weil, wie das FG ausführt, der Gründung der GmbH beachtenswerte wirtschaftliche Motive zugrunde gelegen hätten. § 11 Nr. 2 StAnpG komme deshalb nicht in Betracht, weil es an einer entsprechenden vertraglichen Gestaltung fehle. Soweit in dem Urteil des BFH vom 21. Mai 1971 III R 125-127/70 (BFHE 102, 555, BStBl II 1971, 721) eine Treuhänderstellung einer in der Schweiz zur Vermögenshaltung gegründeten GmbH angenommen worden sei, seien im Gesellschaftsvertrag alle wesentlichen Entscheidungen dem Gesellschafter selbst vorbehalten worden, während im vorliegenden Gesellschaftsvertrag keine besonderen Bindungen des Geschäftsführers enthalten seien.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen. Das FA rügt unrichtige Anwendung der §§ 6 und 11 StAnpG. Es trägt hierzu vor, soweit mit der Gründung der GmbH beabsichtigt gewesen sei, sich an einer Abnehmergesellschaft zu beteiligen, liege zwar der Gründung ein wirtschaftlich sinnvolles Motiv zugrunde. Der damit verfolgte Zweck hätte aber auch durch Gründung einer GmbH in Deutschland erreicht werden können. Spätestens seit Mai 1964 stehe fest, daß sich die bei der Gründung beabsichtigte Beteiligung an der Abnehmergesellschaft zerschlagen habe. In der Folgezeit habe die GmbH keinerlei Anstrengungen unternommen, um den in den Statuten niedergelegten Zweck zu verfolgen. Die GmbH sei weder sachlich noch persönlich so ausgestattet worden, um den Gesellschaftszweck zu erfüllen. Sie habe die bloße Stellung eines unselbständigen, in der Art treuhänderisch tätigen Instruments, dessen alleinige Funktion es gewesen sei, das ihr übertragene Vermögen zu halten. Hierin erschöpfe sich die Tätigkeit der GmbH für den Kläger.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er schließt sich der Auffassung des FG an. Dem Einwand des FA, daß sich die GmbH nicht um die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks bemüht habe, begegnet der Kläger mit dem Hinweis, daß sowohl er als auch die GmbH sich nachweislich bemüht hätten, weitere Beteiligungen zu erwerben. Es käme im übrigen nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der in der Satzung niedergelegte Gesellschaftszweck voll verwirklicht worden sei.
Der Kläger hat auf mündliche Verhandlung nicht verzichtet. Dem Senat erschien es angezeigt, einen Vorbescheid gemäß § 121 i. V. m. § 90 Abs. 3 FGO zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der von der GmbH gehaltene X-Anteil ist dann dem Vermögen des Steuerpflichtigen zuzurechnen, wenn sich die Gründung der GmbH als Rechtsmißbrauch i. S. des § 6 StAnpG darstellt. Ein solcher Rechtsmißbrauch liegt vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist und wenn die Rechtsordnung das Ergebnis mißbilligt. Im Ausland errichtete sogenannte Basisgesellschaften erfüllen den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten (BFH-Urteil vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553).
Die Frage, ob wirtschaftlich beachtliche Gründe bei der Errichtung einer Gesellschaft vorliegen, ist nicht allein nach dem in den Statuten niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben ihrer Gründer zu entscheiden. Der Gesellschaftszweck muß tatsächlich vollzogen, die behaupteten Gründe für die Errichtung müssen durch wirtschaftliches Handeln nach der Errichtung in Erscheinung getreten sein. Dabei muß die Gesellschaft durch ihre Organe handelnd aufgetreten sein.
a) Das FG hat festgestellt, das FA bestreite selbst nicht, daß der Gründung der GmbH beachtenswerte wirtschaftliche Motive zugrunde gelegen hätten. Der Kläger habe dies anhand des Schriftwechsels hinreichend belegt. Aus diesem dem FG vorgelegten Schriftwechsel ergibt sich in der Tat, daß der Kläger beabsichtigt hat, in eine Kommanditgesellschaft in Deutschland, einer Kundin seiner Firma, mit einer Kommanditbeteiligung einzutreten.
b) Hinsichtlich der darüber hinaus erforderlichen eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der GmbH hat das FG die Auffassung vertreten, daß eine solche Betätigung nicht erforderlich und auch gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben sei. Bei dieser Auffassung hat aber das FG nicht genügend beachtet, daß eine im Ausland errichtete Gesellschaft steuerrechtlich nur dann anerkannt werden kann, wenn sie auch eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, den Statutenzweck durch wirtschaftliches Handeln ihrer Organe vollzieht. Ist die errichtete Gesellschaft nur in der Weise tätig, daß sie lediglich das Stammkapital hält, das ihr aus dem Inland übertragen worden ist, muß im Regelfall die Errichtung als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Wollte man allein darauf abstellen, wie es das FG tut, ob eine Gesellschaft rechtlich existent ist, müßten ohne weiteres Gesellschaften, die allein zur Umgehung der deutschen Steuerpflicht errichtet worden sind und außer dem Halten des Vermögenswertes in Form des Stammkapitals keinen sonstigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, anerkannt werden.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz, wonach Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen, von den angeführten Ausnahmen abgesehen, wie Betriebe i. S. des Abs. 1 zu behandeln sind. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nur, daß Steuern vom Einkommen, Vermögen oder Ertrag aus einer solchen Beteiligung nur von dem Staat erhoben werden dürfen, in dem sich eine Betriebstätte des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens befindet. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vertragsbestimmung ist jedoch, daß die Gesellschaft überhaupt ein Unternehmen betreibt. Eine nur der Rechtsform nach existierende Gesellschaft, die keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet und sich ausschließlich auf das Halten des eingelegten Stammkapitals beschränkt, betreibt kein Unternehmen.
c) Das FG hat auch dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß die GmbH im Anwaltsbüro des Geschäftsführers B nur ein sogenanntes Domizil hatte. Gerade bei solchen Domizil- oder auch Briefkastengesellschaften, hinter denen deutsche Unternehmen oder Personen stehen, besteht Anlaß zu der Prüfung, ob sich nicht die Geschäftsleitung (§ 15 Abs. 1 StAnpG) - unbeschadet der im Ausland geführten formellen Verwaltung - im Inland befindet (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695). Das FG hat hierzu nur die Auffassung vertreten, daß die Geschäftseinrichtung des Unternehmens von unbedeutendem Umfang sein könne. Zu der Frage, wo die Geschäftsleitung der GmbH ausgeübt wurde, hat das FG keine Feststellung getroffen.
2. Die angefochtene Entscheidung beruht auf diesen Mängeln. Sie war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG wird zunächst Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die GmbH nach ihrer Gründung eine wirtschaftliche Tätigkeit durch ihre Organe entfaltet hat. Dabei wird das FG vor allem die Feststellungen, die in der Einspruchsentscheidung in diesem Zusammenhang getroffen worden sind, zu überprüfen haben. In der Einspruchsentscheidung ist festgestellt, daß die GmbH keine eigene Geschäftstätigkeit ausgeübt hat. Dabei wird es insbesondere auch darauf ankommen, festzustellen, ob und in welcher Form das behauptete Motiv der Gründung der GmbH durch wirtschaftliches Handeln der Organe realisiert worden ist. In diesem Zusammenhang wird das FG auch die finanziellen Vorgänge, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung stehen - Rückübertragung des eingezahlten Stammkapitals, Einlage des X-Anteils und gleichzeitige Begründung einer Darlehnsforderung in Höhe des Unterschiedsbetrages zur Stammkapitalsumme anstelle des Barkapitals - zu untersuchen und zu würdigen haben.
b) Soweit sich feststellen läßt, daß die GmbH eine eigene geschäftliche Tätigkeit entfaltet hat, wird ihre Gründung nicht mehr als rechtsmißbräuchlich i. S. des § 6 StAnpG anzusehen sein. Es wird dann aber noch weiter aufzuklären sein, ob die Geschäftsleitung der GmbH nicht vom Inland aus ausgeübt worden ist. Dafür genügt nicht, daß der Kläger seinen gesellschaftlichen Einfluß auf den im Ausland befindlichen Geschäftsführer B ausgeübt hat. Die Annahme einer Geschäftsleitung im Inland setzt vielmehr voraus, daß der Kläger als Gesellschafter im Inland die Geschäftsleitung völlig dadurch an sich gezogen hat, daß er ständig die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst getroffen hat (vgl. BFH-Urteil I 121/64). Ergibt die weitere Aufklärung des Sachverhalts, daß die Geschäftsleitung vom Inland aus ausgeübt worden ist, unterliegt der Anteil des Klägers an der GmbH der deutschen Vermögensbesteuerung. Der Wert des GmbH-Anteils ist aber in diesem Falle nicht nur in Höhe des X-Anteils anzusetzen. Die Höhe des Wertes wird auch durch die Darlehnsforderung der GmbH gegen den Kläger bestimmt. Das FG wird aber, soweit es zu einer Feststellung des Wertes des GmbH-Anteils kommen sollte, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO zu beachten haben.
Fundstellen
Haufe-Index 71830 |
BStBl II 1976, 401 |
BFHE 1976, 277 |