Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der Tausch teilweise überbauter Grundstücke ist, wenn ein unbebauter Randstreifen eines dieser Grundstücke in angrenzendes Bauland einbezogen wird und dessen objektiv bessere Gestaltung bewirkt, im Verhältnis des gemeinen Werts dieses Randstreifens zum gemeinen Wert des übrigen Grundstücks teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit.
GrEStG § 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b.
Normenkette
GrEStG § 4/1/3/b
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen - Stpfl. - (Kläger und Revisionskläger) haben ihre aneinander angrenzenden bebauten Grundstücke getauscht. Das von dem Kläger S abgegebene, von dem Kläger R erworbene Grundstück grenzt mit seiner längsten Seite an ein zuvor unbebautes Grundstück, das dem Kläger R gehört. Der Tausch sollte dem Kläger R ermöglichen, auf dem unbebauten Grundstück ein Gebäude zu errichten, ohne gegenüber dem früher dem Kläger S gehörenden Grundstück den Grenzabstand von 4 m einhalten zu müssen. Das Bauordnungsamt hat den Tausch zur besseren Gestaltung von Bauland als zweckdienlich bezeichnet.
Die Kläger sind der Ansicht, ihre Erwerbe seien nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Das Finanzamt - FA - (Revisionsbeklagter) hat durch getrennte Bescheide jeden der Kläger für seinen Erwerb auf der Grundlage des gemeinderätlichen Schätzungswerts des abgegebenen Grundstücks zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Die Einsprüche und Berufungen der Stpfl. wurden durch getrennte Entscheidungen gegen jeden Stpfl. zurückgewiesen.
Die Rbn. der Stpfl. sind seit 1. Januar 1966 als Revisionen zu behandeln (ßß 115, 184 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO, § 286 AO a. F.). Sie waren, da die Steuerfälle auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen, und da die Entscheidung von der gleichen Rechtsfrage abhängt, zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden (ßß 121, 73 Abs. 1 Satz 1 FGO), zumal auch die Kläger auf die in beiden Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug nehmen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind, soweit sie gänzliche Steuerfreiheit beanspruchen, nicht begründet. Da jedoch möglich ist, daß die Erwerbe teilweise steuerfrei sind, waren die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b GrEStG ist u. a. von der Besteuerung ausgenommen der freiwillige Austausch zur besseren Gestaltung von Bauland, wenn der Tausch von der zuständigen Behörde als zweckdienlich anerkannt wird. Die letztgenannte Voraussetzung ist ebenso erfüllt wie die, daß der Erwerb auf einem Tausch beruht; ein Aufgeld ist von keiner Seite versprochen oder bezahlt worden. Jedoch ist die Voraussetzung, daß der Austausch "zur besseren Gestaltung von Bauland" führt, nicht durchweg gegeben.
ß 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b GrEStG stellt in der hier maßgebenden Alternative eine objektive Voraussetzung auf. Der - an sich der Grunderwerbsteuer unterliegende (ß 1 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 4 GrEStG) - Tausch muß eine bessere Gestaltung von Bauland bewirken. Dafür genügt es nicht, daß das eingetauschte Grundstück für die subjektiven Bauabsichten des einen oder beider Tauschpartner günstiger ist oder von diesen besser genutzt werden kann; vielmehr muß das Bauland selbst (objektiv) durch den Tausch besser gestaltet werden. Insoweit unterscheidet sich die dritte Alternative des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b GrEStG deutlich von der vorangehenden, welche den freiwilligen Austausch "zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken" betrifft. Denn für die "bessere Bewirtschaftung" von Grundstücken (mit der sich das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - II 80/58 U vom 9. März 1960, BStBl 1960 III S. 204, Slg. Bd. 70 S. 547, befaßt), insbesondere von zersplitterten Grundstücken, kann es auf die Verhältnisse des einzelnen Erwerbers - insbesondere die Lage seiner vom Tausch nicht betroffenen Grundstücke - ankommen, während eine bessere Gestaltung von Bauland nur dadurch erzielt werden kann, daß zwar nicht unbedingt die grundbuchliche Abgrenzung der Grundstücke, wohl aber die Abgrenzung des Baulandes - im planungstechnischen Sinne, nicht im Sinne des unmittelbar zu bebauenden Landes - verändert wird (Urteil des BFH II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 271, Slg. Bd. 71 S. 62).
Aus diesem Grund ist die Befreiungsvorschrift beim Austausch bebauter Grundstücke grundsätzlich nicht anwendbar. Denn das eingetauschte Grundstück kann, soweit es bebaut ist und in diesem Zustand erhalten bleiben soll, nicht als Bauland dienen; insoweit kann es in der Regel auch nicht derart auf ein benachbartes Grundstück einwirken, daß dieses in seiner Eigenschaft als Bauland besser gestaltet erschiene. Soweit letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllt ist, kann aber der Vorteil, den der Besitz zweier angrenzender Grundstücke oder deren Vereinigung (ß 890 BGB) für die Bauabsichten des Eigentümers bietet, nicht zur Steuerbefreiung führen.
An dem objektiven Sinn des Begriffs "bessere Gestaltung von Bauland" hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auch in den Grenzfällen festgehalten, in denen ein eingetauschtes Grundstück trotz Bebauung deshalb als Bauland anzusehen war, weil das auf dem eingetauschten Grundstück stehende Gebäude abgerissen und durch ein beide Grundstücke bedeckendes Gebäude ersetzt werden sollte. Diese Absicht genügt nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs(RFH) II 58/42 vom 6. August 1942 (Slg. Bd. 52 S. 124; RStBl 1942 S. 1076 - nur -, sofern dadurch eine bessere Gestaltung von Bauland erreicht wird. Das Urteildes BFH II 128/58 U vom 14. Juni 1961 (BStBl 1961 III S. 506, Slg. Bd. 73 S. 658) hat darauf abgestellt, daß bei Abreißen des Gebäudes und Wiederaufbau mehr Wohnungen geschaffen würden als früher, hat sich also ebenfalls nicht mit dem subjektiven Nutzen für die Planung des Eigentümers begnügt, sondern die objektiv bessere Nutzung des Baulands hervorgehoben. Auch dem Urteildes BFH II 169/60 U vom 26. Oktober 1962 (BStBl 1963 III S. 219, Slg. Bd. 76 S. 601), das schon aus anderen Gründen die Befreiung versagen mußte, liegt keine abweichende Erwägung zugrunde.
Das schließt freilich nicht aus, daß im Einzelfall die Pläne des Erwerbers eine objektiv bessere Gestaltung des Baulands herbeiführen. In einem solchen Fall ist der tauschweise Erwerb von der Besteuerung ausgenommen; altruistische Motive verlangt § 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b GrEStG nicht. Wird durch den Austausch auf der einen Seite Bauland besser gestaltet, so ist auch der Erwerb des Tauschpartners von der Besteuerung ausgenommen (Urteildes RFH II 58/42, a. a. O.; Urteiledes BFH II 70/56 U vom 16. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 270, Slg. Bd. 71 S.58, und II 153/56 U, a. a. O., sowie §§ 156/60 vom 9. Oktober 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 Nr. 343 S. 378; vgl. auch Urteil II 113/62 U vom 13. Oktober 1965, BStBl 1965 III S. 693).
Im vorliegenden Fall kommt eine bessere Gestaltung von Bauland allenfalls insoweit in Frage, als der Kläger R infolge des Tausches das angrenzende Grundstück, das er schon zuvor besessen hat, baulich besser nutzen konnte. Die in dem angefochtenen Urteil anerkannten günstigeren Nutzungsmöglichkeiten dieses Grundstücks beruhen nach dessen Feststellungen darauf, daß der Stpfl. durch das Eigentum beider angrenzender Grundstücke davon befreit wurde, den Bauabstand einzuhalten; er hat überdies den angrenzenden (nicht bebauten) Teil des eingetauschten Grundstücks dazu benützen können, für beide Grundstücke und Gebäude einen gemeinsamen Eingang zu schaffen.
Diese Vorteile können aber keinesfalls dazu führen, den Tausch insgesamt steuerfrei zu stellen. Denn für die "bessere Gestaltung des Baulands" kann es allenfalls auf den unbebauten Randstreifen des eingetauschten Grundstücks ankommen, der durch die vorbezeichneten Anlagen in die Bebauung des anderen Grundstücks, das der Kläger R schon zuvor besessen hatte, einbezogen worden ist. Im übrigen aber war das eingetauschte Grundstück für die "Gestaltung des Baulands" unwesentlich. Denn insoweit, als das eingetauschte Gebäude einen besseren Zugang oder andere Vorteile erlangt haben sollte, wurde nicht Bauland besser gestaltet, sondern bebautes Gelände. Der bauliche Vorteil einer einheitlichen Planung für beide Grundstücke und der wirtschaftliche Vorteil, den der Kläger R durch die Zusammenfassung seiner Grundstücksflächen erzielt hat, sind aber, wie bereits oben ausgeführt worden ist, für sich allein unerheblich.
Demzufolge kann allenfalls eine teilweise Grunderwerbsteuerbefreiung für beide Tauschpartner in Frage kommen, wenn der Erwerb des Randstreifens durch den Kläger R zu einer besseren Gestaltung des Baulands geführt hat. Diese Möglichkeit haben weder das FG noch das FA ausgeschlossen. Das FG meint lediglich, eine teilweise Steuerbefreiung scheide deshalb aus, weil der Teil des Grundstücks, der durch den Tausch der Bebauung zugeführt wurde, wertmäßig erheblich hinter dem Wohnhaus und dem dazu gehörenden, weit größeren Grundstücksteil zurückstehe, so daß, da es sich nicht mehr um einen Spitzenausgleich handele, die gesamten Erwerbe zu besteuern seien. Für diese Ansicht beruft sich das FG auf das Urteildes BFH II 70/56 (a. a. O.). Dabei übersieht es jedoch, daß die Zuzahlung der Steuerbefreiung nur insofern schädlich ist, als sie dem Rechtsgeschäft den Charakter eines Tausches nimmt (vgl. insoweit auch die Urteiledes BFH II 165/52 S vom 19. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 95, Slg. Bd. 57 S. 239; II 8/55 S vom 23. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 130, Slg. Bd. 62 S. 353; II 182/56 U vom 8. Oktober 1958, BStBl 1959 III S. 7, Slg. Bd. 68 S. 15; II 156/60, a. a. O.). Hier ist aber das Rechtsgeschäft unzweifelhaft als Tausch anzusprechen; zweifelhaft ist nur, ob und inwieweit dieser Tausch zur besseren Gestaltung von Bauland vorgenommen worden ist (zur Unterscheidung vgl. Urteil II 8/55 S, a. a. O.). Auf diese Frage können aber nicht die Grundsätze der vorerwähnten Urteile herangezogen werden; ihr entspricht vielmehr die Judikatur zu § 4 Abs. 1 Ziff. 4 Buchst. a GrEStG für den Fall, daß der Erwerb eines Grundstücks nur teilweise einem der dort bezeichneten Zwecke unmittelbar dient. Für diesen Fall ist anerkannt, daß die Steuerbefreiung nicht entfällt, sondern teilweise Platz greift, wenn nicht das ganze, sondern nur ein Teil des erworbenen Grundstücks dem begünstigten Zweck dient (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl. 1965, ß 4 Tz. 107 und - bei teilweiser Aufgabe des begünstigten Zwecks in den Fällen des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 - § 4 Tz. 138). Diesen bereits für das GrEStG 1919 aufgestellten Grundsatz (Urteil des RFH II A 543/21 vom 5. Januar 1922, Slg. Bd. 8 S. 13) hat der RFH in dem Urteil II 83/41 vom 12. November 1942 (RStBl 1942 S. 1078, Slg. Bd. 52 S. 241) aufrechterhalten. Dem ist beizutreten (Urteildes BFH II 154/58 U vom 14. Juni 1961, BStBl 1961 III S. 440, Slg. Bd. 73 S. 477), denn nach dem Sinn des § 4 Abs. 1 Ziff. 4 Buchst. a GrEStG darf es der Befreiung nicht schaden, daß der zu steuerbegünstigten Zwecken Erwerbende durch die Interessen des anderen Vertragspartners genötigt wird, mehr als erforderlich zu erwerben. Diese Erwägung hat in dem Urteildes RFH II 83/41 (a. a. O.) dazu geführt, die Steuerfreiheit sogar auf den Gebäudewert (nicht aber den Bodenwert) des an sich nicht begünstigten Teils des Erwerbs zu erstrecken. Doch ist der vorliegende Fall insoweit nicht vergleichbar, als dort das erworbene Gebäude abgebrochen werden mußte und deshalb für den Erwerber wertlos war, hier aber auch die bebauten Grundstücksteile für den Kläger R durch den Fortbestand des alten Gebäudes und die Zusammenfassung beider Grundstücke wertvoll sind, ja sogar zumindest ihr subjektiver Nutzungswert gesteigert wird. Daher muß es bei der Regel getrennter Beurteilung des begünstigten und des nicht begünstigten Erwerbs verbleiben; diese muß aber zugunsten der Stpfl. auch hier angewandt werden, da sie von der Qualifikation des Geschäfts als Tausch oder sonstiger Erwerb nicht abhängt.
Demnach ist es möglich, daß die Erwerbe beider Kläger wenigstens teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit sind. Die angefochtenen Urteile waren daher aufzuheben.
Die Sachen sind nicht spruchreif. Es ist noch nicht festgestellt, ob der Tausch wenigstens teilweise zur objektiv besseren Gestaltung von Bauland geführt hat, und bejahendenfalls, welcher Streifen des von dem Kläger S abgegebenen, von dem Kläger R erworbenen Grundstücks das Bauland des angrenzenden Grundstücks erweitert hat. Die etwaige Befreiung tritt ein im Verhältnis des gemeinen Werts dieses Streifens zum gemeinen Wert des erworbenen Grundstücks einschließlich des Gebäudes (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 11 Tz. 47); sie kommt im gleichen Verhältnis beiden Tauschpartnern nach der für jeden von ihnen geltenden Bemessungsgrundlage (ß 11 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG) zugute.
Die Sachen waren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach diesen Grundsätzen an das FG zurückzuverweisen (ß 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412001 |
BStBl III 1966, 283 |
BFHE 85, 199 |