Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Sagt eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter- Geschäftsführer eine Pension zu, so stellt die Zusage eine Gewinnverteilungsabrede dar, wegen der keine Rückstellung gebildet werden darf.
Die Pensionszusage, die eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer gegeben hat, ist nach Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach den Grundsätzen, die für Personengesellschaften gelten, zu behandeln, und zwar auch, soweit bei der Kapitalgesellschaft Rückstellungen gebildet waren.
Führt eine änderung der Rechtsprechung dazu, daß eine bisher zulässigerweise gebildete Rückstellung unzulässig wird, so geben die Grundsätze von Treu und Glauben dem Gericht in aller Regel kein Recht, die Rückstellung bestehen zu lassen und damit bei den zur Beseitigung etwaiger Unbilligkeiten nach § 131 AO zu treffenden Maßnahmen sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung zu setzen.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (KG) war eine Familiengesellschaft. An ihr waren in den Streitjahren 1958 bis 1960 beteiligt der persönlich haftende Gesellschafter X zu 50 % und als Kommanditisten dessen Ehefrau zu 20 % und beider Sohn zu 30 %. Die KG war aus einer ehemaligen GmbH hervorgegangen, an der dieselben Gesellschafter mit denselben Anteilen beteiligt waren. Die GmbH wurde mit Wirkung vom 31. Dezember 1957 nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vom 12. November 1956 (BGBl I S. 844) in die KG umgewandelt. Geschäftsführer der ehemaligen GmbH war der Gesellschafter X. Ihm war im Jahre 1953 von der GmbH eine Pensionszusage erteilt worden. Der Pensionsfall sollte mit Erreichung des 65. Lebensjahres im August 1959 eintreten. Das Arbeitsverhältnis, die Pensionszusage und die in den Folgejahren gebildeten Pensionsrückstellungen waren vom Finanzamt (FA) steuerlich anerkannt worden. Die Pensionsrückstellung wurde in die Eröffnungsbilanz der KG zum 1. Januar 1958 übernommen und zum 31. Dezember 1958 in Höhe des halben Betrages aufgelöst und als Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe einer Rücklage im Sinn des § 5 Abs. 2 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG) vom 11. Oktober 1957 (BGBl I S. 1713) zugeführt. Im Jahre 1958 erfolgte noch eine weitere Zuführung zu dem nicht aufgelösten Teil der Pensionsrückstellung entsprechend dem halben versicherungsmathematischen Zuführungswert für 1958. Seit dem Eintritt des Pensionsfalles im August 1959 - der Gesellschafter-Geschäftsführer hat sich seitdem aus der aktiven Tätigkeit zurückgezogen - wird die Rückstellung monatlich aufgelöst.
Nach einer Betriebsprüfung versagte das FA die weitere Zuführung zu der Pensionsrückstellung im Jahre 1958 in dem zusammengefaßten Berichtigungsbescheid für 1958 bis 1960.
Der Einspruch der KG wurde als unbegründet zurückgewiesen. Darüber hinaus führte die Einspruchsentscheidung zu einer Abänderung zum Nachteil der KG. Das FA erkannte nämlich die von der KG übernommene, bei der GmbH bereits gebildete Pensionsrückstellung steuerlich nicht mehr an und löste sie mit Wirkung für die Jahre 1958 bis 1960 gemäß § 5 Abs. 2 UmwStG dadurch auf, daß es die steuerlichen Gewinne für 1958, 1959 und 1960 entsprechend erhöhte.
Das Finanzgericht (FG) gab der Berufung der KG statt. Es führte aus, die bis 1957 schon gebildete Rückstellung sei nur insoweit - also zu 50 % - aufzulösen, als der begünstigte Gesellschafter kapitalmäßig an der neu errichteten Personengesellschaft beteiligt sei, weil die der Rückstellung zugrunde liegende Verpflichtung durch Vereinigung von Forderung und Schuld in der Person dieses Gesellschafters erloschen sei. Darüber hinaus könne die Auflösung der Rückstellung nicht verlangt werden. Die bloße übernahme der von der GmbH begründeten Pensionsverpflichtung durch die KG stelle keine Neubegründung einer solchen Verpflichtung durch die KG dar. Es komme deshalb nur darauf an, ob die Bildung der Rückstellung bei der GmbH zulässig gewesen sei. Die Zusage habe den seinerzeit von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestellten Anforderungen genügt. Es brauche nicht geprüft zu werden, ob sie auch den erst im Jahre 1959 durch die Urteile des BFH I 11/58 S vom 5. Mai 1959 (BFH 69, 286, BStBl III 1959, 369) und I 4/59 S vom 4. August 1959 (BFH 69, 299, BStBl III 1959, 374) verschärften Anforderungen entspreche. Denn in dem Urteil I 188/61 S vom 26. Juni 1962 (BFH 75, 366, BStBl III 1962, 399) habe der BFH entschieden, daß Pensionsrückstellungen, die entsprechend der bei ihrer Bildung herrschenden Rechtsauffassung zulässig seien, also auf Grund der neueren Rechtsprechung nicht hätten gebildet werden dürfen, erst dann aufgelöst werden müßten, wenn der Versorgungsfall eintrete. Die Steuerpflichtigen hätten darauf vertrauen dürfen, daß ihnen die Rückstellungen erhalten blieben und nicht wegen einer späteren anderen rechtlichen Beurteilung rückwirkend gewinnerhöhend aufgelöst würden. Gegen die Zulässigkeit der weiteren Zuführung zur Pensionsrückstellung im Jahre 1958 ergäben sich ebenfalls keine Bedenken. Denn die Rechtsprechung des BFH habe sich erst im Jahre 1959 eindeutig gegen die steuerliche Anerkennung von nicht ernsthaften Pensionszusagen an wesentlich beteiligte Gesellschafter- Geschäftsführer ausgesprochen. Somit habe die KG erst ab 1959 von der geänderten Rechtslage Kenntnis erhalten und sich entsprechend einstellen können.
Das FA legte gegen das Berufungsurteil Rb. ein, die als Revision zu behandeln ist. Es beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Berufung der KG zurückzuweisen.
Die KG beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der KG.
Ob die Bildung einer Rückstellung 1957 einschließlich bei der GmbH berechtigt war, ist nicht zu prüfen. Das könnte nur in einem die GmbH betreffenden Verfahren geschehen. Die Rückstellung ist also als berechtigterweise gebildet hinzunehmen.
Das hindert nicht die Prüfung der Fragen, ob in den jetzt bei der KG zur Beurteilung stehenden Veranlagungszeiträumen eine weitere Rückstellung (1958) erfolgen durfte und ob die bereits gebildete Rückstellung bei der KG anerkannt oder aufgelöst werden muß.
Eine weitere Rückstellung für 1958 ist entgegen der Ansicht des FG nicht zulässig, weil es an einer rückstellungsfähigen Verbindlichkeit fehlt. Daß eine solche Verbindlichkeit nicht mehr vorliegt, soweit Konfusion eingetreten ist, also zu 50 %, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Aber auch im übrigen kann die einem Gesellschafter-Geschäftsführer von einer Personengesellschaft gemachte Pensionszusage nicht als rückstellungsfähige Last anerkannt werden, wie sich aus der einkommensteuerlichen Behandlung der Personengesellschaft, insbesondere auch aus § 15 Ziff. 2 EStG, ergibt.
Zahlt eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter- Geschäftsführer ein Gehalt, so bestimmt § 15 Ziff. 2 EStG eindeutig, daß es sich bei diesem Gehalt um gewerbliche Einkünfte des Gesellschafters handelt. Ist der in der Handelsbilanz ausgewiesene Gewinn der Gesellschaft um das als Betriebsausgabe behandelte Gehalt des Geschäftsführers vermindert, so wird steuerlich der Gewinn, und zwar der von dem Geschäftsführer zu versteuernde Gewinnanteil, um das Gehalt erhöht, so daß der steuerlich einheitlich festzustellende Gesamtgewinn der Gesellschaft unverändert bleibt. Wie der BFH ständig, zuletzt noch eingehend in den Urteilen IV 136, 137/64 vom 19. November 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 210), IV 284/64 vom 11. Februar 1965 (HFR 1965 S. 364) und VI 26/65 vom 1. April 1966 (BFH 86, 131, BStBl III 1966, 365) ausgeführt hat, beruht das darauf, daß alles, was ein Gesellschafter von seiner Gesellschaft bezieht, Gewinn ist. Das Einkommensteuerrecht geht (im Gegensatz zum Handelsrecht) nicht von der Unterscheidung zwischen Einlagen (Beiträgen) und obligatorischen Rechtsgeschäften zwischen Gesellschaftern aus. Ihm liegt die Vorstellung zugrunde, daß jeder Gesellschafter wie ein Einzelunternehmer für seinen Beitrag dadurch entschädigt wird, daß der durch diesen Beitrag ermöglichte Gewinn ihm (als Einzelunternehmer allein, als Mitunternehmer nach einem bestimmten Gewinnverteilungsschlüssel) zufließt. Durch diese Gewinnverteilung werden die verschiedensten Beiträge abgegolten. Wer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, soll dafür besonders entlohnt werden. Die Bereitstellung von Betriebsgrundstücken und Betriebsgebäuden, die Beisteuerung von Kapital (in Form der Einlage oder des Darlehens) oder auch nur die bloße Hergabe eines guten Namens können unter Umständen für das Wohl der Gesellschaft ebenso lebenswichtig sein wie die Leistung von Arbeit. Auch sie finden daher Berücksichtigung bei der Gewinnverteilung.
Nicht anders als das Gehalt kann das Ruhegehalt eines Gesellschafters behandelt werden. So sprach schon der Reichsfinanzhof (RFH) in dem die Gewerbesteuer betreffenden Urteil VI 396/40 vom 26. November 1941 (RStBl 1942, 85) aus, von der Gesellschaft gezahlte Ruhegehälter könnten den Gewerbeertrag deshalb nicht mindern, weil sie nach § 15 Ziff. 2 EStG auch den gewerblichen Gewinn, der Grundlage der Ermittlung des Gewerbeertrags sei, nicht mindern dürften. Da die Zusage eines Ruhegehalts ebenso wie die Zusage eines Gehalts steuerrechtlich die Verabredung eines Vorweggewinns darstellt und Gewinnabreden grundsätzlich zu beachten sind, ist auch die Zahlung von Ruhegehalt, d. h. die darin liegende Gewinnverteilungsabrede, in der Regel steuerlich anzuerkennen. Mit dieser rechtlichen Einordnung tatsächlich gezahlter Bezüge ist indessen die Frage noch nicht beantwortet, ob die Zusage, später Ruhegehalt zu zahlen, bereits bei der Feststellung des jetzigen Gewinns durch Rückstellungen für die Erfüllung dieses Versprechens oder durch Abgrenzung von Bilanzpositionen zu berücksichtigen ist. Nicht zweifelhaft kann es sein, daß sich durch die tatsächliche Zahlung von Gehältern und Pensionen an Gesellschafter keine Minderung des Gesamtgewinns, sondern nur eine änderung in der Gewinnverteilung ergibt. Sofern diese Gewinnverteilung den jeweils in demselben Jahr geleisteten Gesellschafterbeiträgen zur Erzielung dieses Gewinns entspricht, sofern also eine Vergütung (in der Form einer höheren Gewinnbeteiligung) für die im Gewinnverteilungszeitraum entwickelte Tätigkeit in diesem selbst gezahlt wird, ergeben sich keine Probleme. Wenn aber erst später ein Ruhegehalt in der Form einer höheren Gewinnbeteiligung für bereits geleistete Dienste gezahlt werden soll, könnte man daran denken, diesem Umstand durch eine Rückstellung oder einen Abgrenzungsposten in dem früheren Zeitraum Rechnung zu tragen, weil der Gewinn eines späteren Zeitraums mit einem Aufwand belastet werde, der wirtschaftlich in einen früheren Zeitraum gehöre. Das erkannte der RFH im Urteil VI 750/39 vom 13. März 1940 (RStBl 1940, 474) im Ergebnis an. Er führte aus, eine Rückstellung für die Pension eines Gesellschafter-Geschäftsführers sei möglich, soweit nicht der eigene Kapitalanteil des Gesellschafters damit belastet werde. Für den Gesellschafter selbst handle es sich zwar um gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Ziff. 2 EStG, für die anderen Gesellschafter aber um Betriebsausgaben. Deshalb könnten sie insoweit eine Rückstellung bilden. Der Pensionsanspruch sei beim empfangenden Gesellschafter nicht zu aktivieren, da er mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sei.
Während der RFH also in diesem Urteil gezahlte Pensionen nicht als den Gesamtgewinn der Gesellschaft mindernde, wenn auch handelsrechtlich zulässige Betriebsausgaben anerkannte, nahm er für zugesagte Pensionen einen anderen Standpunkt ein. Dabei kam es allerdings nur deshalb zu einer Minderung des Gesamtgewinns der Gesellschaft, weil der RFH eine Aktivierung des Pensionsanspruchs beim begünstigten Gesellschafter nicht für erforderlich hielt. Durch diese Zulassung von Rückstellungen für eine Pensionslast bei gleichzeitiger Nichtaktivierung des korrespondierenden Pensionsanspruchs anerkannte der RFH eine zukünftige Last als zukünftige Betriebsausgabe, die bei ihrem Eintritt zu keiner Betriebsausgabe führen würde.
Der grundsätzlichen Anerkennung von Pensionszusagen bei Personengesellschaften durch den RFH trat der III. Senat des BFH in der auf dem Gebiet des Bewertungsrechts ergangenen Entscheidung III 14/52 U vom 23. Januar 1953 (BFH 57, 177, BStBl III 1953, 70) entgegen. Er nahm an, der Gesellschafter stehe mit seinen Pensionsansprüchen der Gesellschaft nicht anders gegenüber als mit etwaigen Vergütungsansprüchen. In beiden Fällen handele es sich nicht um eine Schuld der Gesellschaft an den Gesellschafter, sondern um eine Gewinnverteilungsabrede, die bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden könne. Stehe allerdings dem Gesellschafter für den Fall der Auflösung der Gesellschaft ein die Pension abgeltender Anteil am Liquidationserlös zu, so sei das bei der Verteilung der abgabepflichtigen Vermögensteile der Gesellschaft auf die Gesellschafter zu berücksichtigen.
Der I. Senat des BFH äußerte zunächst im Urteil I 194/56 U vom 11. Dezember 1956 (BFH 64, 275, BStBl III 1957, 105) ebenfalls Zweifel an der Behandlung der Pensionszusage durch den RFH. Er vertiefte das Problem jedoch nicht weiter, da es sich um keine Frage der einheitlichen Gewinnfeststellung handelte. Er sprach aber aus, daß jedenfalls für die Gewerbesteuer die Rückstellung nicht berücksichtigt werden könne, da es auf den Ertrag des Gesamtunternehmens ankomme. Im Urteil I 347/56 U vom 8. Oktober 1957 (BFH 65, 535, BStBl III 1957, 440) folgte der I. Senat dann doch der Rechtsprechung des RFH. Er knüpfte an das Urteil des III. Senats des BFH III 14/52 U an, wonach zwar die Zusage eines Ruhegehalts nicht als Schuld bei der Feststellung des Vermögens der Gesellschaft, wohl aber bei der Verteilung der Kapitalanteile auf die Gesellschafter zu berücksichtigen sei, und meinte, diese Veränderung der Verteilung des Kapitals müsse sich auf die Höhe der Gewinne der einzelnen Gesellschafter auswirken. Da der I. Senat aber ebenso wie der RFH eine Aktivierung des Pensionsanspruchs ablehnte, während er eine Belastung der Gewinne der anderen Gesellschafter annahm, kam es zu der bereits geschilderten Minderung des Gesamtgewinns der Gesellschaft, während nach der Entscheidung des III. Senats die Verschiebung in den Kapitalanteilen nicht zu einer änderung des Gesamtkapitals führte.
Die Auswirkung dieser Rechtsprechung wurde in vielen Fällen dadurch eingeschränkt, daß bei einem Versprechen für mehrere Gesellschafter eine Art gegenseitiger Verrechnung stattfinden sollte, weil der Gesellschafter, der gleichzeitig eine Pension verspricht und versprochen erhält, nur in Höhe des Unterschiedsbetrages noch eine echte Forderung (oder Schuld) habe. Auf diesem Wege kam es zu einer Art Aktivierung der Pensionsansprüche. Das hinwiederum führte aber zu der eigentümlichen Folge, daß die Minderung des derzeitigen Gesamtgewinns der KG um so geringer war, je mehr Gesellschafter Pensionszusagen erhielten, je höher also die künftigen Verpflichtungen waren.
Bei erneuter Prüfung des Rechtsproblems kann der erkennende Senat in übereinstimmung mit dem VI. Senat an der bisherigen Rechtsprechung nicht festhalten. Die Pensionszusage führt in Wirklichkeit ebenso wenig zu Lasten der Gesellschaft wie auf der anderen Seite zu Forderungen der Gesellschafter-Geschäftsführer. Es geht nicht um die Feststellung des richtigen Gewinns durch Rückstellungen und Abgrenzungen, sondern um die Korrektur der Gewinnverteilung in dem einen Zeitraum zugunsten der Gewinnverteilung in einem späteren Zeitraum. Für eine solche Korrektur sind aber die Institute der Rückstellung, Wertberichtigung und Abgrenzung, die alle - wenn auch zum Teil ungewisse - Forderungen und Schulden voraussetzen, nicht gedacht. Sie dienen dazu, das richtige Kapital und den richtigen Gewinn eines Zeitraums zu ermitteln, gehen also begrifflich der Gewinnverteilung voraus. Erst wenn dieser Gewinn ermittelt ist, kann er verteilt werden. Diese Gewinnverteilung kann zwar von den Gesellschaftern auf lange Sicht mit jeweils wechselnden Quoten geplant werden. Sie kann aber nicht nur wegen der erst in die Zukunft gelegten Fälligkeit zu Forderungen und Schulden der Gesellschafter führen, die bei der jetzigen Verteilung des Gewinns durch Rückstellungen berücksichtigt werden könnten. Für diese Auffassung spricht auch die Wortfassung des § 15 Ziff. 2 EStG, der nicht von Ansprüchen spricht, sondern von tatsächlich bezogenen Vergütungen (in der rechtlichen Form von Gewinnanteilen), der also darauf abstellt, wann eine Vergütung gezahlt, nicht wann sie verdient wird.
War somit bei der KG eine weitere Rückstellung im Jahre 1958 deshalb nicht mehr anzuerkennen, weil die KG als Personengesellschaft solche Rückstellungen nicht bilden durfte, so war weiter zu prüfen, ob die bei der GmbH bis 1957 gebildete Rückstellung weitergeführt werden durfte. Das ist zu verneinen.
Die Rückstellung kann nicht mit der Begründung weiterhin anerkannt werden, daß es sich bei der bei der GmbH erdienten Pension um eine Vergütung für geleistete unselbständige Arbeit und nicht um einen Vorabgewinn für unternehmerische Tätigkeit gehandelt und daß die KG diese Schuld der GmbH unverändert übernommen habe. Der III. Senat des BFH führte in dem erwähnten Urteil III 14/52 U aus, mit der Umwandlung sei die KG in den Pensionsvertrag eingetreten. Sie habe die bereits bestehende Anwartschaft des Geschäftsführers übernommen. Damit habe die Anwartschaft ihren Charakter als Fremdschuld verloren; sie könne nur noch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Beteiligung gesehen werden. Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Die frühere GmbH und die neue KG waren nicht identisch. Die KG führte das Unternehmen der GmbH in anderer Form fort. Dabei trat sie zwar in die bestehenden Verpflichtungen der GmbH ein. Das bedeutet aber nicht, daß eine übernommene Verpflichtung nicht nunmehr ihren Charakter hätte ändern können. Die Beziehungen der Gesellschafter einer Personengesellschaft bestimmen sich einkommensteuerrechtlich nur noch nach gesellschaftlichen Gesichtspunkten; jede Leistung der Gesellschaft an einen Gesellschafter wird damit zur Zuteilung eines Vorabgewinns an ihn und ist nicht mehr eine den Gewinn mindernde Betriebsausgabe eines Teils der Gesellschaft zugunsten eines anderen Teils der Gesellschafter.
Die Rückstellung kann auch entgegen der Ansicht des FG nicht auf die Ausführungen im BFH-Urteil I 188/61 S gestützt werden. Es ist ein im Handelsrecht und im Steuerrecht anerkannter Bilanzierungsgrundsatz, daß zu jedem Bilanzstichtag erneut zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen einer Rückstellung oder eines sonstigen Passivpostens noch gegeben sind, und daß, falls das nicht der Fall ist, die Bilanz der richtigen Sachlage angepaßt werden muß, soweit eine Berichtigung möglich, d. h. soweit die Bilanz nicht Grundlage einer rechtskräftigen, nicht änderbaren Feststellung oder Veranlagung geworden ist. Der RFH nahm das mit Recht für den Fall an, daß sich herausstellt, die Rückstellungen seien zu hoch angesetzt worden (Urteil I 271/39 vom 23. Juli 1940, RStBl 1940, 835).
Eine Rückstellung kann sich nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach als unberechtigt (nicht mehr erforderlich) herausstellen (Prozeßrückstellung, Garantierückstellung etc.). Es ist unbestritten, daß die Auflösung von dem Veranlagungszeitraum ab notwendig ist, in dem sich herausstellt, daß die Rückstellung nicht benötigt werden wird. Eine Rückstellung kann auch gesetzlich unzulässig werden, weil sie einer neueren, aus einer besseren Erkenntnis geschöpften Rechtsprechung nicht mehr entspricht. Der Senat ist der Ansicht, daß man auch dann in aller Regel nicht unter Berufung auf den Vertrauensgrundsatz zwischen zu hohen und nicht erforderlichen Rückstellungen einerseits und ungesetzlich gewordenen Rückstellungen andererseits unterscheiden darf, wenn im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung oder die bisherige Behandlung durch das FA Rückstellungen gebildet und Dispositionen getroffen wurden, die sonst vielleicht unterblieben wären. In aller Regel greift der Gedanke durch, daß durch die Rückstellung Vorsorge wegen einer mehr oder weniger unsicheren zukünftigen Verbindlichkeit unter einstweiliger Minderung des Gewinns getroffen werden soll, und daß die Rückstellung, wenn sich das Fehlen der Verbindlichkeit oder Last aus irgendeinem Grunde herausstellt, aufgelöst und der Gewinn versteuert werden muß. Die Zusammenballung des Gewinns und seine Verlagerung in einen Zeitraum, in den der Gewinn wirtschaftlich nicht gehört, ist unvermeidbar. Dieses Risiko kann dem die Rückstellungen bildenden Kaufmann nicht abgenommen werden. Der Kaufmann kann sich auch in anderen Fällen nach dem handels- und steuerrechtlich anerkannten Gebot der Vorsicht der Bildung einer Rückstellung nicht entziehen. Dennoch muß er sie zu dem Zeitpunkt auflösen, in dem sich die "Unrichtigkeit" der Rückstellung herausstellt. Eine Auflösung mit der Folge der Gewinnrealisierung bringt hier oft nicht weniger Härten mit sich wie die Auflösung wegen der änderung der Rechtsprechung.
Der I. Senat des BFH hat allerdings in dem bezeichneten, eine Kapitalgesellschaft betreffenden Urteil I 188/61 S ausgeführt, die Auflösung einer Rückstellung könne nicht erzwungen werden, wenn sie nach der bei ihrer Bildung durch die Rechtsprechung vertretenen Ansicht zulässigerweise gebildet und erst durch eine verschärfte Rechtsprechung unzulässig geworden sei. Diese schärfere Rechtsprechung habe dem Versorgungsversprechen zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht jede Bedeutung abgesprochen; auch soweit jetzt eine rückstellungsfähige Last verneint werde, die Gesellschaft später jedoch Pension zahle, könnten die Zahlungen als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Die Höhe der Zusage habe die Höhe des Gehalts beeinflußt. Die Gesellschaft habe nach dem Grundsatz von Treu und Glauben darauf vertrauen dürfen, daß ihr die Rückstellung erhalten bleibe und nicht durch die Auflösung ein sehr hoher Buchgewinn in einem Zeitraum entstehe, in dem er nicht erzielt worden sei. Auch handelsrechtlich bestünden Bedenken gegen diesen nicht in das Jahr der Auflösung gehörenden hohen Buchgewinn. Diese Entscheidung stellt auf die besonderen Verhältnisse bei einer Kapitalgesellschaft ab, die in vielen Beziehungen von denjenigen bei einer Personengesellschaft abweichen, so daß sie den Senat auch nach Ansicht des I. Senats nicht bindet (vgl. § 184 Abs. 2 Ziff. 5 FGO). Der Senat braucht nicht zu untersuchen, ob insoweit eine Ausnahme von dem hier entwickelten Grundsatz möglich wäre. In dem weiteren Urteil I 247/62 U vom 16. September 1964 (BFH 80, 488, BStBl III 1964, 650) nimmt der I. Senat an, auch die jahrelange Anerkennung einer Rückstellung durch das FA schaffe einen Vertrauenstatbestand, der die Verpflichtung zur Auflösung der Rückstellung ausschließe. Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Es würde damit in weitem Umfang eine Richtigstellung ungesetzlicher Bilanzansätze verhindert werden können. Der Senat kann aus den erörterten Gründen auch nicht der Entscheidung des VI. Senats VI 327/60 U vom 15. März 1963 (BFH 76, 815, BStBl III 1963, 297) folgen, in der die vom I. Senat für Kapitalgesellschaften anerkannte Ausnahme auch auf Personengesellschaften ausgedehnt wird. Unbilligkeiten zu beseitigen, die sich aus der Anwendung des Gesetzes und der änderung der Rechtsprechung ergeben, ist grundsätzlich Sache der Verwaltung, die dabei im Rahmen des § 131 AO handeln muß. Dazu sind die Gerichte in aller Regel schon deshalb nicht befugt, weil sie nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ihr eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung nur dann setzen dürfen, wenn nur eine einzige Maßnahme zur Beseitigung der Unbilligkeit denkbar ist (vgl. BFH-Urteil VII 22/62 S vom 19. Januar 1965, BFH 81, 572, BStBl III 1965, 206). Diese Voraussetzung liegt nur in seltenen Ausnahmefällen vor.
Fundstellen
Haufe-Index 412477 |
BStBl III 1967, 222 |
BFHE 1967, 531 |
BFHE 87, 531 |