Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung von Anschaffung und Herstellung bei Anlagegütern
Leitsatz (NV)
1. Für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut i.S.d. § 4b Abs. 2 InvZulG 1982 angeschafft oder hergestellt ist, kommt es auf die bestimmungsgemäße Verwendung des Wirtschaftsgutes an, so daß die Anschaffung eines Gegenstandes dann nicht maßgebend sein kann, wenn diese nur als unselbständiger Teil der anschließenden Verwendung zu beurteilen ist.
2. Die Aufwendungen für den fristgerechten Erwerb eines LKW-Chassis sind daher nicht zulagebegünstigt, wenn dieses nach Ablauf der Invetitionsfrist mit einem Aufbau versehen und als Speditionsfahrzeug verwendet wird.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2; EStG § 6 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber einer Spedition. Im Dezember 1982 bestellte er ein LKW-Chassis. Nach der Auftragsbestätigung der Lieferfirma gehörte u. a. ein Fahrerhaus für den Fernverkehr und ein Kraftstoffbehälter für 400 l zur Ausstattung des Fahrzeugs. Der Kläger holte das Fahrzeug am 30. Dezember 1983 vom Herstellerwerk ab. Nachdem das Chassis im Jahre 1984 mit einem von einem anderen Fahrzeug stammenden gebrauchten festen Aufbau versehen worden war, wurde es erstmals am 5. April 1984 für den Verkehr zugelassen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die begehrte Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 (Beschäftigungszulage) mit der Begründung ab, das Wirtschaftsgut sei nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, bis zum 31. Dezember 1983, fertiggestellt worden.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Dagegen richtet sich - nach Zulassung durch den Senat - die Revision, mit der der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Einspruchsbescheid aufzuheben und den ablehnenden Bescheid vom 26. Juni 1984 dahingehend zu ändern, daß eine Investitionszulage für 1983 in Höhe von . . . DM gewährt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Aufwendungen für den Erwerb des LKW-Chassis sind nicht zulagebegünstigt.
1. Nach § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 InvZulG 1982 ist die Anschaffung oder Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur dann zulagebegünstigt, wenn diese Wirtschaftsgüter nachweislich nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. Januar 1983 bestellt worden sind oder wenn innerhalb dieser Frist mit der Herstellung begonnen worden ist. Weitere Voraussetzung ist, daß die Wirtschaftsgüter vor dem 1. Januar 1984 geliefert oder fertiggestellt oder die nachträglichen Herstellungsarbeiten vor diesem Zeitpunkt beendet worden sind (§ 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982).
Für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats auf die bestimmungsgemäße Verwendung des Wirtschaftsgutes an, so daß die Anschaffung eines Gegenstandes dann nicht maßgebend sein kann, wenn diese nur als unselbständiger Teil der anschließenden Verwendung zu beurteilen ist (Urteile vom 20. März 1981 III R 114/80, BFHE 134, 75, BStBl II 1981, 785, und vom 27. November 1981 III R 48/79, BFHE 134, 504, BStBl II 1982, 176). Diese zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) für die nachträgliche Erweiterung von Wirtschaftsgütern entwickelten Grundsätze finden in gleicher Weise Anwendung auf die Begriffe der Anschaffung und Herstellung i. S. des § 4b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1982. Ist die Erlangung eines Wirtschaftsguts danach unter dem Gesichtspunkt der Herstellung und nicht der Anschaffung zu beurteilen, kommt es für die Frist des § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982 nicht auf den Zeitpunkt der Lieferung, sondern auf den Zeitpunkt der Fertigstellung an.
2. Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen. Das Finanzgericht (FG) hat festgestellt, daß das gekaufte Chassis der Herstellung eines Fernspeditionsfahrzeugs dienen sollte, das aber erst nach dem Stichtag des 31. Dezember 1983 fertiggestellt worden ist. An diese Feststellungen ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Danach aber war für die Anwendung des § 4b InvZulG 1982 nicht auf die Anschaffung des LKW-Chassis, sondern auf die Herstellung des mit einem Aufbau versehenen Speditionsfahrzeugs abzustellen.
Die Angriffe des Klägers gegen die Tatsachenwürdigung des FG können keinen Erfolg haben. Mit dem Einwand, das FG habe seine Aussage falsch bewertet, denn er habe in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, das Chassis von vornherein mit einem festen Aufbau versehen zu wollen, er habe aber auch erklärt, daß er sich durch die Bestellung eines zum Fernverkehr geeigneten Chassis alle Verwendungsmöglichkeiten habe offenhalten wollen, rügt der Kläger zwar eine unzutreffende Beweiswürdigung; die Beweiswürdigung ist jedoch nur insoweit revisibel, als sie auf Verstößen gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze beruht. Eine Verfahrensrüge hat der Kläger nicht erhoben. Die Folgerung des FG aus der Einlassung des Klägers, aber auch aus der bestellten Sonderausstattung auf die geplante Verwendung des Fahrzeugs ist möglich und vertretbar. Selbst wenn man dem Kläger darin folgen wollte, er habe sich die endgültige Verwendung des Fahrzeugs vorbehalten wollen, kann dies nicht zu einer Begünstigung der Anschaffung des LKW-Chassis führen; denn auch in diesem Fall fehlt es an der fristgerechten Fertigstellung des Fahrzeugs. Der Einsatz des Chassis als Rangierfahrzeug kann jedenfalls nicht als bestimmungsgemäße Verwendung eines Wirtschaftsgutes ,,Speditionsfahrzeug" gesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 416958 |
BFH/NV 1990, 599 |