Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsaustausch zwischen nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
Einem Leistungsaustausch steht nicht entgegen, daß Leistung und Gegenleistung nicht vertragsgemäß vollzogen werden.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 6. April 1979 das unbebaute Grundstück S-Straße. Im Streitjahr errichtete sie auf dem Grundstück ein am 1. Oktober fertiggestelltes Gebäude mit Wohn- und Büroräumen. Durch privatschriftlichen Mietvertrag vom 1. Oktober 1980 vermietete die Klägerin die gewerblichen Räume an ihren Ehemann, der die Räume zu gewerblichen Zwecken nutzte. In ihrer Umsatzsteuererklärung setzte die Klägerin die Vermietungsumsätze an und machte 59% der in den Eingangsrechnungen in Zusammenhang mit der Gebäudeerrichtung offen ausgewiesenen Steuer als Vorsteuer geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die umsatzsteuerrechtliche Anerkennung, da der Ehemann den Mietzins nicht entrichtet habe.
Im Klageverfahren trug die Klägerin vor, daß sie mit ihrem Ehemann am 25. Oktober 1980 mündlich vereinbart habe, die Mietzahlungen im Hinblick auf vom Ehemann für die Vorplanung geleistete Zahlungen bis zum 1. Juli 1981 zu stunden. Im Juli und September 1981 seien die wechselseitigen Ansprüche erfüllt worden. Erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) wurde eine auf den 25. Oktober 1980 datierte schriftliche Vereinbarung vorgelegt, nach der die Klägerin ihrem Ehemann die laufenden Mietzahlungen aus Liquiditätsgründen bis zum 1. Juli 1981 stundete. Das FG wies die Klage ab. Es handele sich um eine unentgeltliche Gebäudenutzung, da der Mietvertrag wegen fehlender tatsächlicher Durchführung nicht berücksichtigt werden könne. Im übrigen müsse der Senat davon ausgehen, daß die Stundungsvereinbarung vom 25. Oktober 1980 rückdatiert worden sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe ohne Beweiserhebung unterstellt, daß die vorgelegte Vereinbarung rückdatiert worden sei. Das FG verkenne, daß der Anerkennung eines Mietvertrags zwischen Ehegatten eine zeitliche abgegrenzte Stundung nicht entgegenstehe (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Dezember 1963 IV 98/63 S, BFHE 78, 335, BStBl III 1964, 131). Selbst wenn der Mietvertrag nicht ordnungsgemäß vollzogen sein sollte, sei nach dem BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 37/84 (BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913) ein Leistungsaustausch zwischen nahen Angehörigen nicht bereits dann zu verneinen, wenn Vereinbarungen nicht vertragsgemäß vollzogen würden.
Das FA nimmt auf den bisherigen Vortrag und auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug. Im übrigen müßte ggf. noch die tatsächliche Höhe der Vorsteuerbeträge ermittelt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen ein Leistungsaustausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 nicht bereits dann zu verneinen, wenn über Leistung und Gegenleistung zwar Vereinbarungen vorliegen, diese aber nicht vertragsgemäß vollzogen werden (BFH-Urteile in BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913; vom 5. März 1992 V R 36/87, BFH/NV 1993, 61; vom 14. Mai 1992 V R 56/89, BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859; vom 16. März 1993 XI R 52/90, BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562; vom 21. April 1993 XI R 106/90, BFH/NV 1993, 697). Unternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 ist, wer Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 erbringt. Die Annahme einer Leistung gegen Entgelt erfordert eine zum Zwecke der Entgeltserzielung erbrachte Leistung; der Tatbestand des Leistungsaustausches setzt danach eine Leistung voraus, nicht hingegen die tatsächliche Erbringung des Entgelts. Bleibt das Entgelt (ganz oder teilweise) aus, wird nicht die Entgeltlichkeit der Leistungsbewirkung, sondern allein die Bemessungsgrundlage berührt. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben.
2. Der Senat kann keine abschließende Entscheidung treffen, da die Besteuerungsgrundlagen noch nicht im erforderlichen Umfang festgestellt sind; insbesondere fehlen Feststellungen zur tatsächlichen Höhe der anzusetzenden Vorsteuer. Auch ist die Angemessenheit der rechtlichen Gestaltung zu prüfen (dazu vgl. BFH-Urteile vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom 28. Januar 1993 V R 46/90, BFH/NV 1994, 63).
Fundstellen