Leitsatz (amtlich)

Eine nach § 7 2. StDVO-SHG begünstigte Veräußerung oder Verpachtung eines gewerblichen Betriebs an einen Flüchtling liegt nicht vor, wenn ein schon bisher verpachteter Betrieb durch den Eigentümer an einen Flüchtling veräußert oder weiterverpachtet wird.

 

Normenkette

2. StDVO-SHG § 7

 

Tatbestand

I.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers (Bf.), eines praktischen Arztes, war am Währungsstichtag Eigentümerin eines bebauten Grundstücks, in dem sich die Einrichtung für einen Fleischereibetrieb befand. Im Jahre 1951 erwarb ein Fleischermeister (Flüchtling im Sinne des Soforthilfegesetzes) einen Teil des Grundstücks mit dem Fleischereibetrieb samt dem zugehörigen Inventar als Trenngrundstück. Streitig ist, ob der Bf. die Vergünstigung des § 7 der Zweiten Durchführungsverordnung zum ersten Teil des Soforthilfegesetzes (2. StDVO-SHG) bei Veräußerung gewerblicher Betriebe an Flüchtlinge in Anspruch nehmen kann. Durch Bescheid des zuständigen Soforthilfeamts vom 27. August 1951 wurde dem Vertrag über die Veräußerung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 2. StDVO-SHG zugestimmt. Gleichwohl haben die Vorbehörden die Vergünstigung versagt mit der Begründung, nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 a. a. O. sei unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift, daß die Veräußerung oder Verpachtung eines gewerblichen Betriebs im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes vorliege. Da das Grundstück, zu dem der abveräußerte Grundstücksteil gehört, nicht zum Betriebsvermögen eines gewerblichen Betriebs zu rechnen sei und auch niemals als Betriebsgrundstück bewertet worden sei, könne auch keine Veräußerung eines gewerblichen Betriebs angenommen werden. Das gleiche gelte von dem mitveräußerten Fleischereiinventar, das dem sonstigen Vermögen zugerechnet und daher überhaupt nicht zur Soforthilfeabgabe herangezogen worden sei. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) bringt der Bf. vor, die strittige Bestimmung des § 7 a. a. O. sei nicht nach dem Wortlaut, sondern nach dem allgemeinen Volksempfinden anzuwenden. Bei der durch die Vorbehörden vorgenommenen Auslegung würden sich tatsächlich für die Vertriebenen gar keine Vorteile bieten. Der Erwerber des Grundstücks schloß sich im Rechtsbeschwerdeverfahren dem Verfahren als "Streitgenosse" an und bat, seinen Beitritt zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rb. ist nicht begründet.

1. Nach § 241 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) kann nur der Steuerpflichtige (Stpfl.) selbst von sich aus einem Rechtsmittel in den Fällen beitreten, in denen ein Bescheid gegen jemand erlassen ist, der befugt ist, nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung die Interessen eines Stpfl. wahrzunehmen. Dagegen können nach § 241 Abs. 2 AO auch andere Personen durch Beschluß der Rechtsmittelbehörde als Beteiligte zugezogen werden, wenn ihre Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere wenn sie auf Grund dieser Gesetze neben dem Stpfl. haften oder haftbar gemacht werden können. Nach § 287 Ziff. 1 AO kann auch der Bundesfinanzhof, wenn die Voraussetzungen des § 241 AO gegeben sind, jemand als Beteiligten zuziehen. Im vorliegenden Fall haftet der Erwerber zwar nicht auf Grund der Steuergesetze für die strittige Soforthilfeabgabe, hat sie aber im Kaufvertrag intern der Verkäuferin gegenüber übernommen. Bei der besonderen Art der Verknüpfung der Interessen des Verkäufers und des Erwerbers in den Fällen des § 7 2. StDVO-SHG hält der Senat dabei die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 AO für die Zuziehung des Erwerbers als Beteiligter als gegeben. Der Erwerber wird daher im Verfahren über die Rb. als Beteiligter zugezogen.

2. Der Umstand, daß das zuständige Soforthilfeamt dem Vertrag zugestimmt hat, ist für die Entscheidung der vorliegenden Frage ohne Bedeutung, da über sie allein das Finanzamt zu befinden hat (vgl. Ziff. 17 der Anlage 8 zum 3. Soforthilfeabgabe-Sammelerlaß -- Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1951 I S. 165 --).

Das in Frage stehende Grundstück wurde bei der letzten Einheitsbewertung zum 1. Januar 1935 in die Grundstückshauptgruppe "gemischtgenutzte Grundstücke" eingereiht. Es wurde bei der Einheitsbewertung weder als Betriebsgrundstück bezeichnet noch wurde für den Bf. bzw. seine Ehefrau ein Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt, da der Fleischereibetrieb verpachtet war und daher keinen gewerblichen Betrieb in der Hand des Eigentümers darstellte. Voraussetzung der Anwendung des § 7 a. a. O. ist jedoch, daß ein gewerblicher Betrieb im Sinne des Reichbewertungsgesetzes veräußert oder verpachtet wird. An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Auch im Wege der Gesetzesauslegung kann im Streitfall die Vergünstigung des § 7 a. a. O. nicht gewährt werden. Wenn auch zuzugeben ist, daß in einem Fall, in dem einem Flüchtling die Schaffung einer selbständigen Existenz dadurch ermöglicht wird, daß ein bisher verpachteter Betrieb durch den Eigentümer an den Flüchtling veräußert wird, eine ähnliche Situation wie die durch § 7 a. a. O. begünstigte geschaffen wird, so unterscheidet sich dieser Fall doch in wesentlichen Punkten von den Fällen des § 7 a. a. O. Nach dieser Begünstigungsvorschrift soll einem Soforthilfabgabepflichtigen, der selbst ein Gewerbe betreibt, ein Anreiz gegeben werden, entweder seinen Betrieb zugunsten eines Flüchtlings aufzugeben oder einem Flüchtling an seinem Betrieb zu beteiligen. Für den Eigentümer eines verpachteten Betriebs ist ein solcher Anreiz entbehrlich, da es für ihn sowohl bei einer Veräußerung als auch bei einer Verpachtung ohne besondere Bedeutung ist, ob der Erwerber oder Pächter Flüchtling ist oder nicht. Bei dieser Sachlage erscheint trotz einer gewissen Ähnlichkeit des vorliegenden Falles mit den Fällen des § 7 a. a. O. eine rechtliche Gleichstellung durch entsprechend weite Gesetzesauslegung nicht angängig. Der Bf. hat im früheren Verfahren darauf hingewiesen, daß Grundstücke, in denen sich ein Handwerksbetrieb befindet, in sehr vielen Fällen in die Grundstückshauptgruppe "gemischtgenutzte Grundstücke" eingereiht seien, und sich aus diesem Grunde für die Vergünstigung des § 7 a. a. O. Schwierigkeiten ergeben könnten. Das ist dann richtig, wenn ein solches Grundstück, dessen Eigentümer im übrigen Inhaber eines gewerblichen Betriebs im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes ist, deshalb nicht als Betriebsgrundstück im Sinne des § 57 des Reichsbewertungsgesetzes anzusehen und dem Einheitswert des Betriebsvermögens zuzurechnen ist, weil es nur zur Hälfte seines Werts oder zu einem geringeren Teil dem gewerblichen Betrieb dient. Die Frage, ob in einem solchen Fall für denjenigen Teil des Grundstücks, der tatsächlich einem eigenen Gewerbebetrieb des Grundstückseigentümers dient, die Vergünstigung des § 7 a. a. O. zu gewähren ist, taucht jedoch im vorliegenden Fall nicht auf. Sie braucht daher in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Hiernach war die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407428

BStBl III 1952, 185

BFHE 1953, 480

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge