Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für die Beschaffung einer Wohnung sind auch dann nicht abzugsfähige Kosten der Lebenshaltung, wenn sie aus betrieblichen Erwägungen veranlaßt wurden.
Nutzt ein Gewerbetreibender gemietete Räume teils privat, teils betrieblich, so stellt im Falle der Freimachung der privat genutzten Räume für betriebliche Zwecke das für die privat genutzten Räume bestehende Mietrecht keine Einlage dar, wenn auf das Mietrecht außer der laufenden Miete keine zusätzlichen Aufwendungen gemacht wurden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 3, § 4/4, §§ 5, 6 Abs. 1 Ziff. 5, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, die den Großhandel mit und die Herstellung von technischen Glaswaren betreibt, ermittelt den Gewinn nach § 5 EStG. In der Verlust- und Gewinnrechnung 1957 setzte sie als betrieblichen Aufwand einen Baukostenzuschuß in Höhe von 12 000 DM ab. Dieser Betrag war Teil eines Aufwandes, den die Steuerpflichtige zur Beschaffung einer neuen Wohnung in H. aufwenden mußte, um ihre bisherigen Wohnräume in der A.-Straße, wo sich auch der Gewerbebetrieb befindet, wegen des zunehmenden Geschäftsumfangs für neue Betriebsräume freizumachen. Das Finanzamt rechnete den Betrag in vollem Umfang dem Gewinn hinzu, weil es der Ansicht war, daß es sich hierbei um Aufwendungen im Sinne von § 12 Ziff. 1 EStG handle. Entfernter betrieblicher Anlaß sei nicht ausreichend, um eine Betriebsausgabe zu bejahen.
Mit der Sprungberufung begehrte die Steuerpflichtige nur noch die Anerkennung eines betrieblichen Aufwandes von 2 000 DM. Mit der Zurechnung eines Betrages von 10 000 DM zum Gewinn erklärte sie sich einverstanden. Den Aufwand von 2 000 DM errechnet und begründet die Steuerpflichtige wie folgt: In der A.-Straße habe sie ausreichend Wohnraum, nämlich drei Zimmer mit Küche sowie Bad und Keller gehabt. Für geschäftliche Zwecke seien ihr dagegen außer der Werkstatt und zwei Lagerräume nur ein ca. 10,46 qm großes Kontor zur Verfügung gestanden. Infolge der Geschäftsausweitung habe sie dringend größere Geschäftsräume gebraucht. Da es für ihren Betrieb von großer Wichtigkeit sei, die Räume im Bereich des Hafengebietes zu haben, habe sie ihren Betrieb nicht in die neu geschaffene Wohnung H. verlegen können; sie habe vielmehr die bisher privat genutzten Räume in der A.-Straße voll dem Betrieb zur Verfügung gestellt und ihre Wohnung nach H. verlegt. Hierfür habe sie aus rein betrieblicher Veranlassung einen Aufwand in Höhe von rund 20 000 DM gehabt, der als Anschaffungskosten im Sinne von § 6 Abs. 1 Ziff. 5 EStG anzusehen sei. Dieser Aufwand sei entsprechend der voraussichtlichen Nutzungsdauer der neuen Räumlichkeiten analog der Bewertung eines Nießbrauchsrechts auf zehn Jahre zu verteilen, so daß 2 000 DM den Gewinn im Veranlagungszeitraum 1957 minderten.
Die Sprungberufung hatte im Ergebnis Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, daß der Aufwand in Höhe von 20 000 DM zu den nach § 12 Ziff. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung gehöre, auch wenn für die Wohnungsbeschaffung in erster Linie betriebliche Interessen maßgebend gewesen seien. Die Steuerpflichtige habe aber durch die Freimachung der bisher privat genutzten Räume für betriebliche Zwecke in der A.-Straße diese Räume und das für sie bestehende Mietrecht in das Betriebsvermögen eingelegt. Diese Einlage sei mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Einbringung in das Betriebsvermögen zu bewerten. Den Teilwert schätze das Gericht auf 2 000 DM. Maßgebend hierfür sei einesteils die Erwägung, daß der Besitz an den Mieträumen nicht durch einen langfristigen Mietvertrag gesichert gewesen sei, und andererseits die Steuerpflichtige trotz einer in Jahre 1959 formell ausgesprochenen Kündigung mit Rücksicht auf das gute Einvernehmen mit der Vermieterin ihren Betrieb in den Räumen habe fortführen können. Unter Berücksichtigung der im Jahre 1957 für langfristige Mietverträge gezahlten Abstandssummen und verlorenen Baukostenzuschüsse gehe das Gericht davon aus, daß ein Erwerber des Betriebs für die Räume eine Abstandssumme in Höhe von 2 000 DM gezahlt haben würde. Eine Verteilung dieses Betrages auf die mutmaßliche Nutzungsdauer komme jedoch nicht in Betracht. Es setze daher diesen Betrag in voller Höhe von dem Gewinn der Steuerpflichtigen ab.
Mit der Rb. vertritt der Vorsteher des Finanzamts die Auffassung, das als Einlage behandelte und mit 2000 DM bewertete Mietrecht sei unter Zugrundelegung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Mietvertrages auf zehn Jahre zu verteilen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Dem Finanzgericht wird darin beigetreten, daß die Aufwendungen der Steuerpflichtigen für die Beschaffung der neuen Wohnräume zu den gemäß § 12 Ziff. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung gehören. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß Anlaß der Wohnungsbeschaffung in erster Linie betriebliche Gründe waren. Kosten der Wohnungsbeschaffung sind Lebenshaltungskosten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1128/32 vom 3. November 1932, RStBl 1933 S. 78, und Urteil des Bundesfinanzhofs VI 61/59 vom 27. November 1959, Der Betrieb 1960 S. 75).
Es kann jedoch dem Finanzgericht und den Beteiligten nicht darin gefolgt werden, das für die freigemachten, bisher privatgenutzten Räume bestehende Mietrecht sei als Einlage zu behandeln. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 5 EStG 1957 sind Einlagen mit dem Teilwert, unter bestimmten Voraussetzungen mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, anzusetzen. Einlagen sind Wirtschaftsgüter (Bareinlagen und sonstige Wirtschaftsgüter) , die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat ( § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist zwar der Begriff des Wirtschaftsguts im steuerlichen Sinne weit auszulegen. Er umfaßt nicht nur Sachen und Rechte im bürgerlich-rechtlichen Sinne, sondern auch andere Güter positiver und negativer Art, die dem Betrieb dienen und die nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertungsfähig sind. Ob ein Wirtschaftsgut vorliegt, beurteilt sich bei positiven Wirtschaftsgütern vor allem danach, ob ein Erwerber des gesamten Betriebes nach kaufmännischer überlegung einen durch Aufwendungen geschaffenen Gegenstand für so greifbar und so wertvoll halten würde, daß er dafür im Rahmen des gesamten Kaufpreises ein besonderes Entgelt ansetzen würde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 27/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 260, Slg. Bd. 66 S. 677; I 209/55 U vom 13. März 1956, BStBl 1956 III S. 149, Slg. Bd. 62 S. 401; I 46/57 U vom 13. August 1957, BStBl 1957 III S. 350, Slg. Bd. 65 S. 307).
An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. In übereinstimmung mit dem Urteil des I. Senat I 132/57 vom 4. März 1958 (Steuerrechtsprechung im Karteiform, Einkommensteuergesetz § 5, Rechtsspruch 175) ist der erkennende Senat der Ansicht, daß ein Mietrecht solange keine bilanzmäßige Auswirkung hat, wie sich die laufenden Leistungen und Gegenleistungen im wesentlichen ausgleichen und keine darüber hinausgehenden Aufwendungen bewirkt worden sind. Die Steuerpflichtige hat selbst nicht behauptet, daß sie auf das ihr im Zeitpunkt der Freimachung der Räume bereits zustehende Mietrecht außer den laufenden Mieten zusätzliche Aufwendungen gemacht hätte. Das Mietrecht hatte demnach keine Anschaffungskosten. Nur wenn die Steuerpflichtige z. B. eine Abstandssumme im Sinne einer vorausgezahlten Miete an den Vermieter bezahlt hätte, käme eine Aktivierung und Verteilung dieses Aufwandes in Betracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 195/56 U vom 25. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 346, Slg. Bd. 65 S. 294). Auf die Frage, ob ein Erwerber des Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises auf die frei gewordenen Mieträume eine Abstandssumme bezahlt hätte, kann es unter diesen Umständen nicht mehr ankommen. Mangels eines durch Aufwendung geschaffenen Gegenstandes konnte daher die Steuerpflichtige kein Wirtschaftsgut in ihr Betriebsvermögen einlegen.
Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Dem Finanzamt ist im Ergebnis darin beizutreten, daß der geltend gemachte Aufwand von 12 000 DM den Gewinn des Streitjahres nicht mindern kann. Die Sprungberufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1957 vom 8. September 1959 war deshalb als unbegründet zurückzuweisen. Bei der Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes für die Rb. blieb die durch die Entscheidung des Senats zugunsten des Vorstehers des Finanzamts eingetretene Verbesserung außer Betracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 202/57 U vom 6. Oktober 1960, BStBl 1961 III S. 40 Slg. Bd. 72 S. 105).
Fundstellen
Haufe-Index 410834 |
BStBl III 1963, 400 |
BFHE 1964, 220 |
BFHE 77, 220 |
BB 1963, 1045 |
DB 1963, 1207 |
DStR 1962/63, 616 |