Leitsatz (amtlich)
Anzahlungen (Vorleistungen auf schwebende Verträge, auf die die Lieferung oder Leistung des anderen Teiles am Bilanzstichtag noch aussteht) sind ohne Rücksicht auf die Aktivierbarkeit des Wirtschaftsguts, das den Gegenstand der Leistung oder Lieferung bildet, zu aktivieren.
Normenkette
EStG § 5; AktG § 131 Abs. 1 A III Nr. 7
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte wegen unterlassener Reparaturarbeiten am Fabrikgebäude P.-Straße 2-8 (Vornahme einer notwendig gewordenen Fassadenverklinkerung) in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1964 eine Rückstellung in Höhe von 52 000 DM gebildet. Mit der Durchführung dieser Arbeiten wurde im Juli 1965 begonnen; sie waren im Oktober 1965 beendet. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das FA) erkannte die Rückstellung nicht als gewinnmindernd an, da die Arbeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag abgeschlossen gewesen seien (Urteil des BFH vom 15. Februar 1955 I 54/54 U, BFHE 60, 448, BStBl III 1955, 172). Ferner aktivierte das FA - mangels einer Gegenleistung bis zum Bilanzstichtag - eine am 30. Dezember 1964 vom Kläger auf die vorzunehmenden Arbeiten geleistete Anzahlung in Höhe von 5 000 DM, die als Aufwand gebucht worden war, sowie (zu den Bilanzstichtagen vom 31. Dezember 1965 und 1966) die Anschaffungskosten für zwei größere Posten Delfter-Kacheln, die zur Kachelung des Treppenaufgangs in dem dem Kläger gehörenden historischen Gebäude O.-Straße 1 bestimmt waren.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG führte aus:
Wie die mündliche Verhandlung ergeben habe, sei die Verklinkerung des Gebäudes P.-Straße 2-8 nicht in einem Zuge durchgeführt worden. Es habe abgewartet werden sollen, wie die Verklinkerung des Gebäudes ausgesehen und gewirkt habe. Es sei deshalb zunächst ein erster Bauabschnitt vorgesehen worden, für dessen Durchführung auch ein gesonderter Bauauftrag erteilt worden sei. Die Kosten dieses ersten Bauabschnitts hätten lt. Voranschlag 57 000 DM betragen, von denen 52 000 DM in der Bilanz zum 31. Dezember 1964 zurückgestellt und 5 000 DM am 30. Dezember 1964 als Anzahlung an die bauausführende Firma zur Beschaffung der benötigten Klinker, die auf Abruf bei der Ziegelei bereitgelegen hätten, geleistet worden sei. Dieser erste Bauabschnitt sei im Oktober 1965 abgeschlossen gewesen. Über die weitere Verklinkerung des Gebäudes sei erst danach erneut mit der bauausführenden Firma verhandelt worden. Die Kosten der gesamten Reparatur hätten sich auf rd. 150 000 DM belaufen. Danach sei der erste Bauabschnitt für sich zu betrachten und die vom Kläger gebildete Rückstellung zulässig gewesen. Wenngleich die Rechtsprechung eine Rückstellung für unterlassene Instandhaltungsarbeiten nur dann anerkannt habe, wenn diese innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag durchgeführt worden seien, so beruhe auf dieser Rechtsprechung doch die Vorschrift des § 152 Abs. 7 Nr. 1 AktG 1965, nach der es für die Zulässigkeit der Rückstellung genüge, wenn die unterlassenen Aufwendungen im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt würden. Da diese die Rechtsprechung erweiternde Vorschrift in ihrer Tendenz an den Bedürfnissen der Praxis ausgerichtet sei, halte das FG im vorliegenden Streitfall die Rückstellung in Ansehung der tatsächlichen Verhältnisse auch steuerrechtlich für vertretbar. Während es sich in dem Urteilsfalle I 54/54 U um die Reparatur eines Baggers gehandelt habe, für deren Durchführung eine Frist von drei Monaten als angemessen angesehen werden könne, sei eine solche Frist für Instandhaltungsarbeiten an Gebäuden angesichts der damals auf dem Baumarkt gegebenen Verhältnisse (Arbeitskräftemangel, Materialknappheit) zu kurz.
Wie die Verhandlung weiter ergeben habe, sei die bauausführende Firma beauftragt gewesen, die Klinker zu liefern und die Verklinkerung durchzuführen. Die erforderlichen Klinker hätten am 29. Dezember 1964 auf Abruf bei der Ziegelei bereitgestanden. Insoweit sei der Vertrag am 30. Dezember 1964 bereits durchgeführt gewesen, so daß der geleisteten Anzahlung von 5 000 DM eine echte Gegenleistung gegenübergestanden habe und die Verbuchung der 5 000 DM als Betriebsausgabe berechtigt gewesen sei.
Dagegen habe die Klage hinsichtlich der Aktivierung der Aufwendungen für die Delfter-Kacheln keinen Erfolg haben können. Wie die Verhandlung ergeben habe, sei rd. 1/6 des Treppenaufgangs im Hause O.-Straße 1 bereits zuvor mit Delfter-Kacheln ausgestattet gewesen, die Einzelmotive enthalten und keine zusammenhängenden Bilder dargestellt hätten. Der Rest des Treppenhauses sei mit gepreßten Tapeten versehen gewesen, die nunmehr durch neue Delfter-Kacheln, die nach Bildern zusammengestellt wurden, ersetzt worden seien. Hier handele es sich nach Ansicht des FG nicht um Erhaltungs-, sondern um Herstellungsaufwand. Die Aufwendungen im Gesamtbetrage von 75 829 DM (allein für die Anschaffung der Kacheln) habe eine erhebliche Wertsteigerung des Hauses bewirkt.
Gegen diese Entscheidung richten sich die form- und fristgerecht eingelegten Revisionen des FA und des Klägers.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Die ausnahmsweise Zulassung einer Rückstellung für unterlassene Reparaturarbeiten sei in der Rechtsprechung davon abhängig gemacht worden, daß es sich um umfangreiche, unaufschiebbare Arbeiten handele, deren Inangriffnahme sich trotz ihrer Dringlichkeit um kurze Frist verzögert habe. Die angefochtene Entscheidung erweitere diese Grundsätze, wenn sie die Überschreitung der - unabhängig vom Einzelfall gesetzten (starren) - Frist von drei Monaten für die Nachholung der Arbeiten, gerechnet vom Bilanzstichtag, gutheiße. Der BFH habe im Urteil vom 1. März 1960 I 201/59 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 223) zur eindeutigen Abgrenzung der Ausnahme vom Regelfall ausgeführt, daß "derartige Rückstellungen dann noch als zulässig angesehen (werden könnten), wenn die Instandhaltungsarbeiten innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtage durchgeführt wurden". Demgegenüber könne der Hinweis auf die Vorschrift des § 152 Abs. 7 Nr. 1 AktG 1965 und die in ihr vom FG als wirksam gesehene Tendenz einer Ausdehnung dieser Frist nicht durchgreifen.
Zu Unrecht habe das FG auch die Aktivierungspflicht der Anzahlung von 5 000 DM verneint. Abgesehen davon, daß der mit der bauausführenden Firma geschlossene Vertrag nicht in einen Kaufvertrag und einen Werkvertrag zerlegt werden könne, von denen der Kaufvertrag bereits im Jahre 1964 erfüllt worden sei, seien - wenn man dem FG insoweit folge - die Klinker zu aktivieren und mit den Anschaffungskosten zu bewerten gewesen. Die Absicht, sie im folgenden Jahr bei Erhaltungsarbeiten einzusetzen, rechtfertige es nicht, die Anschaffungskosten für die Steine vor deren tatsächlicher Verwendung als Aufwand zu behandeln (BFH-Urteil vom 21. Mai 1957 I 56/57 U, BFHE 65, 11, BStBl III 1957, 237).
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen, ferner unter Aufhebung der Vorentscheidung die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 1965 unter Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von minus 68 350 DM festzusetzen. Die in den Jahren 1965 und 1966 angeschafften Delfter-Kacheln seien als Reparaturmaterial für die Reparatur des Treppenaufgangs des im Jahre 1530 errichteten und unter Denkmalschutz stehenden Hauses O.-Straße 1 angeschafft und deshalb nicht aktiviert worden. Wenn das FG die vom FA vorgenommene Aktivierung der Kacheln mit den Anschaffungskosten unter dem Gesichtspunkt des Herstellungsaufwands bestätigt habe, so habe es übersehen, daß Art und Umfang des Erhaltungsaufwands wesentlich vom Charakter des zu erhaltenden Gebäudes abhingen. Es handele sich bei dem in Rede stehenden Gebäude ausweislich der Schreiben des Landeskonservators und des städtischen Museumsdirektors um eine historische Kostbarkeit. Daß der Treppenaufgang verbraucht und instandsetzungsbedürftig gewesen sei, habe das FA hinsichtlich der Einbaukosten für eine neue Treppe anerkannt. Dasselbe habe aber auch hinsichtlich der vorhanden gewesenen, verbrauchten Ledertapeten zu gelten (deren seinerzeitige Verwendung nur als Stilbruch bezeichnet werden könne).
Das FA beantragt, die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
I. 1. Der erkennende Senat trägt erhebliche Bedenken, seine Rechtsprechung zur Frage der Bildung einer Rückstellung für die Nachholung unterbliebener Instandhaltungsarbeiten aufrechtzuerhalten. Wie bereits im Urteil I 201/59 eingehend dargelegt und im Urteil vom 17. Februar 1971 I R 121/69 (BFHE 101, 513, BStBl II 1971, 391) noch einmal bestätigt, bildet die unterlassene Instandhaltung keine selbständig bewertungs- und bilanzierungsfähige Last. Die - nunmehr in § 152 Abs. 7 Nr. 1 AktG 1965 in der Form eines Wahlrechts für die Aktiengesellschaft gesetzlich geregelte - Zulassung einer Rückstellung für im laufenden (abzuschließenden) Geschäftsjahr unterlassene Instandhaltungsarbeiten ist somit eine Ausnahme von der Regel, die für den Bereich des Steuerrechts an strenge Voraussetzungen gebunden bleiben muß. Der Referenten-Entwurf eines EStG 1974 fordert deshalb in § 12 Abs. 2 Nr. 2c für die Zulässigkeit der Rückstellung die Nachholung der Instandhaltungsarbeiten innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag.
Der Senat braucht über die grundsätzliche Zulassung einer Rückstellung in diesen Fällen im vorliegenden Streitfall indes nicht abschließend zu entscheiden. Er kann es im Streitfall auch dahingestellt lassen, ob das Steuerrecht - wie vielfach gefordert - der weitergehenden Regelung des Handelsrechts folgen sollte. Die Vorschrift des § 152 Abs. 7 Nr. 1 AktG (1965) enthält keinen allgemeinen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung. Angesichts ihrer Ausgestaltung als Wahlrecht greift der Folgezwang der Steuerbilanz nicht Platz. Waren auch im vorliegenden Streitfalle technische Zwänge für die Verzögerung der Inangriffnahme der Arbeiten noch im Streitjahr (1964) bestimmend, war nach den unbestrittenen Ausführungen des Klägers vor dem FG der Auftrag zur Inangriffnahme des ersten Bauabschnitts bereits im Herbst 1964 erteilt, die Fertigstellung bis spätestens Anfang 1965 zugesagt worden, waren Arbeitskräftemangel, langanhaltende Regenperioden im Herbst und Winter 1964/65 trotz wiederholter Aufforderung durch den Kläger für die Verzögerung der Aufnahme der Arbeiten durch die bauausführende Firma verantwortlich, so sind jedenfalls die für die Zulassung der Rückstellung von der Steuerrechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt.
2. Wie das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, belief sich der Aufwand des Klägers für den ersten Bauabschnitt der Verklinkerung auf 57 000 DM, von denen 52 000 DM in Rücklage gestellt und 5 000 DM am 30. Dezember 1964 als Anzahlung zur Beschaffung der Klinker geleistet und als Ausgabe verbucht wurden.
Der Senat kann in der rechtlichen Beurteilung der Zahlung der 5 000 DM weder dem FA noch dem FG zustimmen.
a) Die Behandlung der Zahlung als Anschaffung eines aktivierungsfähigen und damit aktivierungspflichtigen Wirtschaftsguts entfällt, weil die für die bauausführende Firma bei der Ziegelei auf Abruf bereitstehenden Klinker trotz Zahlung der 5 000 DM durch den Kläger nicht in dessen Eigentum gelangten, die Gefahr des zufälligen Untergangs der Klinker vielmehr bei der bauausführenden Firma verblieb.
b) Die Zahlung ist vielmehr als Anzahlung (Vorleistung des Klägers auf einen schwebenden Vertrag) anzusehen. Derartige Vorleistungen sind - und zwar ohne Rücksicht auf die Aktivierbarkeit der Lieferung oder Leistung des anderen Teiles - zu aktivieren (§ 5 EStG, § 131 Abs. 1 A III Nr. 7 AktG 1937; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Tz. 133, 134 zu § 151 AktG 1965). Denn solange die Lieferung oder Leistung des anderen Teiles noch aussteht, ist offen, ob im Falle der Vertragserfüllung Aktivierungspflicht besteht oder nicht; im Falle der Nichterfüllung seitens des anderen Teiles wandelt sich die Rechtsgrundlage der Anzahlung in der Regel in ein Rückforderungsrecht. Dies alles kann - im Streitfalle - erst nach Abschluß der Arbeiten beurteilt werden, für die der Kläger die 5 000 DM als Vorleistung erbracht hat.
Etwas anderes würde zu gelten haben, wenn ein der Zahlung entsprechender Teil der vereinbarten Leistung am Bilanzstichtag bereits von der bauausführenden Firma erbracht gewesen wäre.
II. Soweit der BFH im Beschluß vom 22. August 1966 GrS. 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand Ausführungen gemacht hat, betreffen sie den sogenannten anschaffungsnahen Aufwand und geben sie für die hier zu entscheidende Frage nichts her, ob nämlich - bei Hintansetzung des vom FG für seine Auffassung betonten Gesichtspunkts der Werterhöhung - in der Beschaffung der Kacheln als zweckgebundenen Materials für die im Jahre 1967 durchgeführten Instandhaltungsarbeiten bereits in den Jahren 1965 und 1966 nicht aktivierungspflichtiger Erhaltungsaufwand zu sehen ist.
Der Senat geht davon aus, daß bei der Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand in besonderen Fällen, zu denen auch die Durchführung von Arbeiten an Gebäuden rechnet, die unter Denkmalschutz stehen, nicht engherzig verfahren werden soll (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 3. Dezember 1964 IV 358/62 U, BFHE 81, 463, BStBl III 1965, 168 - die Aufwendungen zur Ausbesserung und Verstärkung der Fundamente und zur Begradigung der Geschoßdecken eines Betriebsgebäudes betreffend, das sich im Laufe der Zeit seitlich geneigt hatte). Aber selbst wenn man dem Kläger darin folgen wollte, daß die Ersetzung der Tapeten (über deren tatsächlichen Zustand und ihre objektive Erneuerungsbedürftigkeit das FG nichts festgestellt hat) durch Kacheln als Erhaltungsaufwand anzusehen ist, fehlt es an jeder rechtlichen Möglichkeit, in der Beschaffung der Kacheln bereits Erhaltungsaufwendungen der streitigen Veranlagungszeiträume zu sehen. Erhaltungsaufwand ist in der Regel Aufwand für Arbeiten, die der Erhaltung eines Wirtschaftsguts dienen (auch wenn sie mit Herstellungsaufwendungen in engem Zusammenhang stehen: BFH-Urteil IV 358/62 U). Die Aufwendungen für solche Arbeiten umfassen auch die Kosten des für die Erhaltung aufgewendeten Materials. Sie mindern den Gewinn des Steuerpflichtigen in demjenigen Geschäftsjahr, in dem sie angefallen sind.
Solange die Kacheln deshalb nicht ihrer Zweckbestimmung zugeführt sind, ihre anderweitige Verwendung (und sei es durch Wiederverkauf) nicht ausgeschlossen ist, sind sie, da aus Mitteln des Betriebsvermögens beschafft, dem Betriebsvermögen zuzurechnen und mit den Anschaffungskosten zu aktivieren.
Fundstellen
Haufe-Index 70690 |
BStBl II 1974, 25 |
BFHE 1974, 325 |