Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der in den Urteilen III R 89/66 vom 18. April 1969 (BFH 97, 87, BStBl II 1970, 2) und III 170/65 vom 2. Mai 1969 (BFH 96, 540, BStBl II 1969, 700) vertrenen Auffassung fest, daß eine Verpflichtung zur Einlösung diskontierter Wechsel bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ausnahmsweise dann als Betriebsschuld abgezogen werden kann, wenn die Diskontierung auch wirtschaftlich nicht zur Erfüllung der zugrunde liegenden Forderung führt. Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nur vor, wenn der Aussteller des Wechsels von vornherein mit dem Diskontgeber vereinbart hat, daß sämtliche Wechsel bei Fälligkeit nicht dem Akzeptanten zur Zahlung vorgelegt, sondern dem Aussteller zurückbelastet werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1
Tatbestand
Das FA hat bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1959 die in der Steuerbilanz der Klägerin passivierten Rückstellungen für Verpflichtungen aus Kundenwechseln nicht abgezogen. Ebenso hat es bei den Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1960 und zum 1. Januar 1961 die in den Vermögenserklärungen der Klägerin angegebenen Rückstellungen für Verpflichtungen aus Kundenwechseln nicht zum Abzug zugelassen. Die Einsprüche hatten in diesem Punkte keinen Erfolg. Die Klage wurde ebenfalls abgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit der Revision, die Rückstellungen für die Inanspruchnahme aus der Nichteinlösung diskontierter Kundenwechsel als Verbindlichkeit abzuziehen, und zwar mit den Beträgen, die nach Abzug der nur pauschal mit 3,5 v. H. der diskontierten und an Lieferanten weitergegebenen Kundenakzepte gebildet seien. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe in Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des BFH in der Klage nicht mehr die Berücksichtigung des allgemeinen Obligos aus diskontierten Kundenwechseln verfolgt, sondern die Anerkennung echter Verbindlichkeiten aus Rückzahlungsverpflichtungen für diskontierte Kundenwechsel.
Die Klägerin habe einen festen Anhaltspunkt für die Berechtigung zur Bildung von Rückstellungen in allen Fällen, in welchen wegen mangelnder Bonität der Bezogenen die Verpflichtung zur Rückzahlung des diskontierten Betrages im Verfallszeitpunkt des Wechsels bekannt sei. Durch die Finanzierung zahlungsunfähiger Kunden über den Wechselkredit habe die Klägerin als Ausstellerin die Haftung nach Art. 9 des Wechselgesetzes und durch die Diskontierung als Indossantin die Haftung nach Art. 15 des Wechselgesetzes übernommen. Da der Klägerin und der diskontgebenden Bank die mangelnde Bonität bekannt gewesen sei, sei die Inanspruchnahme nicht bedingt, sondern auf den Verfallszeitpunkt des Wechsels befristet gewesen. Es handle sich dann bei den Rückstellungen, die die Klägerin gebildet habe, um echte Schulden. Es komme nicht darauf an, ob die Inanspruchnahme bereits im Feststellungszeitpunkt gegeben sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es ist der Auffassung, es liege keine Verletzung des § 62 Abs. 1 BewG vor.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Der Senat hat in der Entscheidung III 345/57 S vom 8. Januar 1960 (BFH 70, 222, BStBl III 1960, 83), bei der es sich allerdings um die Zulässigkeit einer Garantierückstellung handelte, das Problem der Rückstellungen bei der Einheitsbewertung der gewerblichen Betriebe eingehend erörtert. Er hat dort hinsichtlich des Wechselobligos seine in den Urteilen III 132/56 S vom 23. November 1956 (BFH 64, 34, BStBl III 1957, 14) und III 106/57 U vom 5. Juli 1957 (BFH 65, 165, BStBl III 1957, 297) vertretene Auffassung aufgegeben, daß ein Unternehmer auch bewertungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Delkrederes die Gefahr der Nichteinlösung von zum Diskont weitergebenen Wechseln durch eine entsprechende Rückstellung berücksichtigen könne. Diese Rechtsauffassung hat der Senat im Urteil III 366/58 vom 7. Oktober 1960 (BFH 71, 690, BStBl III 1960, 508) bestätigt, ebenso mit ausführlicher Begründung in dem Urteil III 238/63 vom 17. März 1967 (BFH 88, 554, BStBl III 1967, 486). Er hält auch im Streitfall an dieser Auffassung fest. Sie führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dazu, daß eine Rückstellung wenigstens insoweit zugelassen werden könnte, als an den jeweiligen Stichtagen die völlige oder teilweise Zahlungsunfähigkeit der Schuldner, deren Wechsel weitergegeben worden sind, bereits feststeht. Wie der Senat in den zitierten Urteilen, insbesondere in dem Urteil III R 23/68 vom 18. April 1969 (BFH 96, 276, BStBl II 1969, 576) ausführlich dargelegt hat, handelt es sich bei den geltend gemachten Abzugsposten nicht um eine Wertberichtigung auf Kundenforderungen, weil diese Kundenforderungen durch die Diskontierung wirtschaftlich als erfüllt angesehen werden und deshalb auch nicht mehr als Besitzposten erscheinen. Deshalb geht auch der Einwand der Klägerin fehl, daß es widersinnig sei, zwar Wertberichtigungen auf Kundenforderungen und noch in ihrem Besitz befindliche Kundenwechsel zuzulassen, die Rückstellungen für die Inanspruchnahme aus weitergegebenen Kundenwechseln jedoch nicht abziehen zu lassen. Diese unterschiedliche Behandlung ergibt sich gerade daraus, daß es sich in den beiden ersten Fällen um echte Wertberichtigungen auf Besitzposten handelt, während es bei den weitergegebenen Wechseln um eine Rückstellung für einen noch ungewissen Rückgriff geht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die bewertungsrechtliche Anerkennung einer Rückstellung voraus, daß hinsichtlich des Sachverhalts, für den die Rückstellung gebildet worden ist, im Feststellungszeitpunkt sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich eine Verpflichtung besteht. Bei den weitergegebenen Kundenwechseln fehlt es aber schon an der rechtlichen Verpflichtung, solange der Wechsel noch nicht verfallen ist. Deshalb muß es außer Betracht bleiben, daß wirtschaftlich bereits eine Belastung vorliegt, wenn feststeht, daß der Schuldner den Wechsel am Verfallstag nicht einlösen kann. Es steht damit noch nicht einmal fest, ob am Verfallstag tatsächlich eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Einlösung des Wechsels zur Entstehung kommen wird. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, daß sie einen Teil der notleidenden Wechsel prolongiert. In der Prolongation vor dem Verfallszeitpunkt ist aber nach dem Urteil des Senats III R 23/68 (a. a. O.) keine Inanspruchnahme aus dem Wechselobligo im Sinne des Urteils III 238/63 (a. a. O.) zu erblicken.
Die Klägerin beruft sich auch zu Unrecht auf das Urteil des Senats III 225/61 U vom 13. März 1964 (BFH 79, 400, BStBl III 1964, 378), das sich mit dem Abzug von hinterzogenen Steuern an Stichtagen vor Aufdeckung der Steuerhinterziehung beschäftigt. Dieser Fall unterscheidet sich von der hier zu entscheidenden Rechtsfrage ganz wesentlich dadurch, daß eine hinterzogene Steuerschuld auch rechtlich bereits mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes oder mit dem Ablauf des betreffenden Veranlagungszeitraums entsteht und nur deswegen nicht abgezogen werden kann, weil sie vor ihrer Aufdeckung den Steuerpflichtigen wirtschaftlich nicht belastet.
Es liegt schließlich entgegen der vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung kein Fall vor, in dem nach der Rechtsprechung des Senats ausnahmsweise der Abzug einer Verpflichtung zur Einlösung der diskontierten Wechsel zulässig wäre. Der Senat hat in den Urteilen III R 89/66 vom 18. April 1969 (BFH 97, 87, BStBl II 1970, 2) und III 170/65 vom 2. Mai 1969 (BFH 96, 540, BStBl II 1969, 700) den Abzug einer solchen Verpflichtung dann zugelassen, wenn aufgrund einer Vereinbarung mit dem Diskontgeber sämtliche diskontierten Wechsel bei Fälligkeit nicht dem Akzeptanten zur Zahlung vorgelegt, sondern unter Rückbelastung an den Aussteller und Diskontnehmer zurückgegeben werden. Nur wenn von vornherein eine solche Vereinbarung besteht, kann nicht mehr wie im Regelfall davon ausgegangen werden, daß die Weitergabe des Wechsels wirtschaftlich zunächst zur Erfüllung der zugrunde liegenden Forderung führt. Das ist aber die Voraussetzung dafür, daß dieser wirtschaftlich noch bestehenden Grundforderung die Verpflichtung zur Einlösung des Wechsels gegenübergestellt wird. Als eine derartige Vereinbarung kann es nicht angesehen werden, wenn - wie es im Streitfall gewesen sein soll - der diskontgebenden Bank von vornherein bekannt ist, daß einzelne Akzeptanten nicht in der Lage sein werden, den Wechsel am Verfallstag einzulösen und sie deshalb bei dem Aussteller kurz vor dem Verfallstag anfragt, ob sie diesem Akzeptanten am Verfallstag den Wechsel zur Zahlung vorlegen soll oder ob er vom Aussteller selbst eingelöst werden wird.
Fundstellen
Haufe-Index 69595 |
BStBl II 1971, 796 |
BFHE 1972, 210 |