Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung eines Pkw gegenüber einem Lkw
Leitsatz (NV)
Personenkraftwagen i.S. von § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV sind solche Fahrzeuge, die objektiv und nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt sind, bei Privatfahrten Personen zu befördern. Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Eintragung im Kfz-Brief, sind nicht entscheidend.
Ein Hochdachtransporter mit lediglich 2 Seitenfenstern im rückwärtigen Fahrzeugteil stellt aufgrund seines durch die erhöhte Dachkonstruktion erweiterten Laderaumes und die eingeschränkte Sicht möglicher Mitfahrer bereits vom Grundtypus her kein zum Transport von Personen geeignetes und bestimmtes Fahrzeug dar.
Normenkette
InvZV § 2 S. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Fuhrunternehmer im früheren Ostteil von Berlin. Er schaffte im November 1990 für dieses Unternehmen einen sog. Hochdachtransporter mit der Marken- und Typenbezeichnung DAF, VH 428 ET an. Der Nettokaufpreis betrug 42145 DM. Im Kfz-Brief ist das Fahrzeug als Pkw-Kombi bezeichnet.
Tatsächlich ist es - nach der im angefochtenen Urteil in bezug genommenen Niederschrift über die vom Finanzgericht (FG) durchgeführte Augenscheinseinnahme - jedoch wie folgt gestaltet und eingerichtet:
Hinter dem Fahrersitz befindet sich eine vom Hersteller eingebaute Kunststoffrückwand, die ein kleines Sichtfenster hat. Hinter der Beifahrertür ist eine Schiebetür angebracht, die ebenfalls mit einem Sichtfenster versehen ist. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein ebensolches, gleich großes Fenster. Auf dem Boden des rückwärtigen Fahrzeugteils sind vier Metallabdeckungen angebracht, bei deren Entfernung sich hinter dem Fahrersitz eine zusätzliche Sitzgelegenheit einbauen läßt. Ein Heizungssystem befindet sich lediglich im Fahrerhaus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte die vom Kläger für die Anschaffungskosten gemäß der Investitionszulagenverordnung (InvZV) vom 4. Juli 1990 (GBl DDR I 1990, 621) begehrte Zulage. Das FA war der Auffassung, daß es sich bei dem vom Kläger angeschafften Fahrzeug um einen Pkw handele, für den nach § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV Investitionszulage nicht gewährt werden könne. Entscheidend für die zulagenrechtliche Einordnung eines Fahrzeugs seien nämlich die (straßen-)verkehrsrechtlichen Vorschriften; ihnen folgend sei das Fahrzeug des Klägers im Kfz-Brief aber als Pkw bezeichnet.
Die Klage hingegen hatte Erfolg. Das FG lehnte in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 762 veröffentlichten Entscheidung den vom FA für die Klassifizierung des Fahrzeugs gewählten Ausgangspunkt (der Maßgeblichkeit der verkehrsrechtlichen Vorschriften) ab. Es nahm vielmehr in Anlehnung an die zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles vor und gelangte so zu dem Ergebnis, daß der Kläger im Sinne der InvZV einen Lkw angeschafft habe. Das Fahrzeug sei so ausgestattet, daß eine Personenbeförderung nahezu unzumutbar wäre. In dem vom Fahrerhaus abgetrennten Wagenteil gebe es keine Be- und Entlüftungsmöglichkeit, da sich die hier befindlichen Seitenfenster nicht öffnen ließen; auch reiche die im Fahrerhaus vorhandene Heizung nicht aus, den Wagen insgesamt zu beheizen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beruft sich dabei im wesentlichen auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28. August 1991 (BStBl I 1991, 768). Danach richte sich der Begriff des Pkw in § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV - wie bei Anwendung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) - nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften. Für die Abgrenzung des Pkw von anderen Fahrzeugen gelte demgemäß grundsätzlich die erste Eintragung im Kfz-Brief.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß der vom Kläger angeschaffte Hochdachtransporter kein Pkw i.S. des § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV ist.
1. Die Gewährung der beantragten Investitionszulage richtet sich nach der InvZV. Gemäß Anlage II Kap. IV Abschn. III Nr. 3 zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl II 1990, 889, 1199) gilt die InvZV als Bundesrecht im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG). Die mit Wirkung vom 1. Januar 1991 außer Kraft getretene Verordnung (vgl. Art. 25 Abs. 2 Satz 1 des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1991, BStBl I 1991, 665, 684) ist bei Investitionen, die - wie hier - vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen worden sind, weiter anzuwenden (§ 11 Abs. 1 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes - InvZulG - 1991).
2. Begünstigte Investitionen, für die nach der InvZV eine Investitionszulage zu gewähren ist, sind die Anschaffung und die Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen u.a. die in § 2 InvZV genannten Voraussetzungen gegeben sind. Pkw sind nach § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV von der Begünstigung ausgeschlossen.
a) In der InvZV wird der Begriff des PKW nicht näher umschrieben. Der erkennende Senat hat zu § 19 Abs. 2 BerlinFG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß ein Kfz grundsätzlich dann als Pkw im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, auch bei Privatfahrten Personen zu befördern (BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Der Senat hat weiter entschieden, daß Fahrzeuge, die von ihrer ursprünglichen Konzeption her zur privaten Personenbeförderung geeignet und bestimmt sind, durch eine Umgestaltung zum Lkw nur dann ihre Eigenschaft als Pkw im Sinne des Zulagenrechts verlieren, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt ist, d.h., wenn sie nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann (so schon Urteil in BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Bei der Frage, ob ein Fahrzeug den Zweck der Personenbeförderung erfüllen kann, sei schließlich nicht die mehr theoretische Möglichkeit der privaten Personenbeförderung entscheidend. Es sei vielmehr in diesem Zusammenhang die Lebenserfahrung in Betracht zu ziehen (Senatsurteil in BFH/NV 1990, 731; so inzwischen auch FG Leipzig, Urteil vom 3. September 1992 2 K 2/92, EFG 1993, 54).
b) Der erkennende Senat ist - entgegen den Ausführungen des FA und des BMF in dessen Schreiben im BStBl I 1991, 768 - der Auffassung, daß diese Grundsätze auch für die Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV heranzuziehen sind. Er läßt sich dabei von folgenden Überlegungen leiten:
Die Regelungen in der InvZV lehnen sich in ihrer Gliederung und Wortwahl eng an § 19 BerlinFG, insbesondere i.d.F. ab 1. Januar 1991 an. Weiter schließt das InvZulG 1991 für Investitionen nach dem 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet bzw. nach dem 30. Juni 1991 im Gebiet des früheren Berlin (West) unmittelbar an die Regelungen der InvZV bzw. des § 19 BerlinFG an (§ 11 InvZulG 1991). Die Zusammenführung der Vorschriften über die Investitionszulage nach der InvZV und nach § 19 BerlinFG in der Neuregelung durch das InvZulG 1991 unter Fortführung der sowohl in § 19 BerlinFG als auch in der InvZV verwandten Begriffe verdeutlicht, daß bereits mit der Verabschiedung der InvZV eine Entwicklung eingeleitet wurde, wonach Investitionszulagen im (künftigen) Fördergebiet ausgehend von den auf § 19 BerlinFG basierenden Grundsätzen zu gewähren sind.
Der erkennende Senat orientierte sich bei seiner Rechtsprechung hauptsächlich an dem Sinn und Zweck, der mit dem weitgehenden Ausschluß der Pkw von der Berlinförderung verbunden war. Dieser besteht darin, daß Pkw im allgemeinen nicht ausschließlich betrieblich, sondern regelmäßig auch privat genutzt werden, und den FÄ die zügige Bearbeitung der Investitionszulageanträge dadurch erleichtert werden soll, daß nicht in jedem Fall der Umfang der privaten Nutzung ermittelt zu werden braucht (BFH/NV 1990, 731).
Die von der Finanzverwaltung erstrebte Anlehnung an die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen würde sicher in vielen Fällen zu einer weiteren Vereinfachung und Beschleunigung des Zulagenverfahrens führen. Doch ist diese Anbindung an das Straßenverkehrsrecht - anders als z.B. in § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG - nicht in das Gesetz aufgenommen worden. Hinzu kommt, daß auch nach Auffassung der Finanzverwaltung Ausnahmen von der straßenverkehrsrechtlichen Einordnung von Kfz zu machen sind. So gehören nach Tz. 37 des BMF-Schreibens in BStBl I 1991, 768 etwa Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8t - abweichend von der Eintragung im Kfz-Brief - zu den Pkw.
3. Bei Anwendung der zu § 19 BerlinFG entwickelten Grundsätze auf den vom FG im Streitfall festgestellten und nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Sachverhalt ist der vom Kläger angeschaffte Hochdachtransporter kein Pkw i.S. von § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV.
Ausschlaggebend dafür ist zunächst das äußere Erscheinungsbild. Ein Hochdachtransporter mit lediglich 2 Seitenfenstern im rückwärtigen Fahrzeugteil stellt aufgrund seines durch die erhöhte Dachkonstruktion erweiterten Laderaumes und die eingeschränkte Sicht möglicher Mitfahrer bereits vom Grundtypus her kein zum Transport von Personen geeignetes und bestimmtes Fahrzeug dar. Mit einem Hochdachtransporter werden üblicherweise keine Privatfahrten unternommen. Hinzu kommen die konkrete Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Trennwand hinter dem Fahrerhaus sowie das Fehlen von weiteren Sitzgelegenheiten und einer ausreichenden Be- und Entlüftung in dem vom Fahrerhaus abgetrennten Teil. Schließlich reicht die Heizung nur für das Fahrerhaus aus. Ein solchermaßen ausgestattetes Fahrzeug dient üblicherweise nicht der Beförderung von Personen, sondern als Lieferwagen dem Transport von Gütern. Der Kläger hat das Fahrzeug von vornherein zum Gütertransport erworben.
Die sonach ursprünglich durch die Bauart und die Einrichtung vorgegebene Nutzungsbestimmung (zur Güterbeförderung) war auch auf Dauer angelegt. Nach den Feststellungen des FG war eine Umrüstung zur Personenbeförderung durch den Einbau weiterer Sitze ohne größeren Aufwand nicht möglich (vgl. zum umgekehrten Fall der Umrüstung eines ursprünglich zur Personenbeförderung bestimmten Fahrzeugs zum Lkw das Urteil in BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864). Eine derartige Umrüstung war auch nach der Lebenserfahrung nicht zu erwarten.
Fundstellen
Haufe-Index 419331 |
BFH/NV 1994, 412 |