Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung der Bewertungsfreiheit geringwertiger Wirtschaftsgüter.
Werden Webstühle durch mit ihnen technisch verbundene Motoren betrieben, so ist der einzelne Motor einer selbständigen Nutzung nicht fähig.
Für die Auslegung von Rechtsbegriffen ist die Verkehrsauffassung dort von Bedeutung, wo der Begriff Inhalt des allgemeinen Wirtschaftslebens geworden ist und sich deshalb im Geschäftsleben eine eindeutige Auffassung über den Rechtsbegriff gebildet hat.
Normenkette
EStDV § 7; StAnpG § 1 Abs. 2; EStG § 6/2
Tatbestand
In der Weberei der Beschwerdegegnerin (Bgin.) wird jeder einzelne Webstuhl durch einen besonderen Elektromotor angetrieben, der neben dem Webstuhl so befestigt ist, daß er mit wenigen Handgriffen wieder entfernt werden kann. Bei den Motoren handelt es sich um Serienfabrikate, die nicht für die besonderen Zwecke des Webstuhlantriebs angefertigt sind und nicht von den Herstellern der Webstühle zusammen mit diesen geliefert werden. Streitig ist, ob die Bgin. für die von ihr im Jahre 1950 mit einem Gesamtaufwand von 11 401 DM und im Jahre 1951 mit einem Gesamtaufwand von 9689 DM angeschafften Motoren Bewertungsfreiheit nach § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in der Fassung vom 28. Dezember 1950, Bundesgesetzblatt (BGBl) 1951 I S. 22, - EStDV 1950 - und der EStDV in der Fassung vom 17. Januar 1952, BGBl 1952 I S. 54 - EStDV 1951 - in Anspruch nehmen kann.
Das Finanzgericht hat diese Frage im Gegensatz zum Finanzamt mit der folgenden Begründung bejaht. Die Anschaffungskosten der einzelnen Motoren hätten im Jahre 1950 500 DM und im Jahre 1951 200 DM nicht überschritten. Die Motoren seien selbständig bewertbar und nutzbar. Sie stellten mit den Webstühlen, zu denen auch die Webstuhlschalter gehörten, keine die Bewertungsfreiheit ausschließende Sachgesamtheit dar. Entscheidend für den Begriff der Sachgesamtheit sei die Verkehrsauffassung. Gegenstände der verschiedensten Art, die einzeln käuflich und verwertbar seien, bildeten danach nicht schon dadurch eine Sachgesamtheit, daß sie einem gemeinschaftlichen Zweck dienten, sondern erst dann, wenn sie nach Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise nach Art, Zahl, Stil und Aufmachung zu einem neuen einheitlichen Wirtschaftsgut vereinigt würden und der einzelne Gegenstand damit seine Selbständigkeit verliere. Von einer solchen Verbindung könne hier deshalb keine Rede sein, weil die Webstühle und Motoren nicht nach bestimmten Merkmalen aufeinander abgestimmt und nicht zu einem einheitlichen Ganzen vereinigt seien. Der Umstand, daß die Motoren lediglich zum Antrieb der Webstühle angeschafft und bestimmt seien, rechtfertige nicht die Annahme einer Sachgesamtheit.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt in der Rechtsbeschwerde (Rb.) ungenügende Sachaufklärung durch das Finanzgericht. Das Finanzgericht habe nur die Fälle gewürdigt, in denen die die Webstühle treibenden Motoren an einem im Fußboden befestigten Gestell angebracht seien. Nicht berücksichtigt habe es die Fälle, in denen die Motoren an der Seite der Webstühle oben oder unten entweder unmittelbar fest am Webstuhl oder an einer mit dem Webstuhl verbundenen Platte befestigt seien. Schließlich habe das Finanzgericht die Aktivierung der Nebenkosten, zum Beispiel des Transports und der Montage, nicht berücksichtigt, bei deren Hinzurechnung zu den eigentlichen Anschaffungskosten der Motoren jedenfalls im Jahre 1951 die maßgebliche Wertgrenze von 200 DM für jeden einzelnen Motor überschritten werde.
Das Finanzgericht verlange offenbar zur Annahme einer die Bewertungsfreiheit ausschließenden Sachgesamtheit, daß die verbundenen Wirtschaftsgüter, hier die Webstühle und die Motoren, durch die Verbindung ihre selbständige Nutzungsfähigkeit verloren hätten. Es genüge aber schon, daß sie infolge der Verbindung nicht mehr selbständig bewertbar seien. Bei der Entscheidung dieser Frage müßten die technischen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Nach dem Wegfall des bisherigen gemeinsamen Transmissionsantriebs könne der einzelne Webstuhl nur durch Anbau eines Motors wieder zu einem nutzbaren Wirtschaftsgut werden, und zwar zu einem Webstuhl mit Selbstantrieb. Die theoretische Möglichkeit der anderweiten Verwendung der Motoren im Betrieb sei ohne Bedeutung, weil die einmal mit den Webstühlen verbundenen Motoren in der Regel von diesen nicht mehr getrennt würden. Auf die mehr oder weniger feste Verbindung zwischen Motor und Webstuhl komme es deshalb nicht an, weil die Rechtsprechung eine Sachgesamtheit selbst bei körperlich nicht miteinander verbundenen Gegenständen für möglich halte (zum Beispiel Urteil des Bundesfinanzhofs IV 360/53 U vom 19. November 1953, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 18, Slg. Bd. 58 S. 271).
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Nach § 7 EStDV 1950 und 1951 darf die Bgin. absetzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig sind, im Jahr der Anschaffung voll abschreiben, wenn die Anschaffungskosten 500 DM (für 1950) und 200 DM (für 1951) nicht übersteigen. Zu der Frage, ob Webstühle und Motoren ein einheitliches Wirtschaftsgut im Sinne der bezeichneten Vorschriften sind oder ob die Motoren, wenn man in den Webstühlen und in den dazu gehörigen Motoren jeweils selbständige Wirtschaftsgüter sieht, durch die Verbindung mit den Webstühlen die selbständige Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit verlieren, haben sich auf Ersuchen des Senats der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen und der Deutsche Industrie- und Handelstag geäußert.
I. Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen
Der Bundesminister der Finanzen kommt aus der Betrachtung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den folgenden Ergebnissen. Ein Wirtschaftsgut sei grundsätzlich nur dann einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig, wenn es im Betrieb selbständig, das heißt ohne in räumlicher oder sonstiger Beziehung zu anderen Wirtschaftsgütern zu stehen, benutzt werde. Von einer selbständigen Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit könne man jedenfalls dann nicht sprechen, wenn das Wirtschaftsgut für seine betriebliche Nutzung mit anderen Wirtschaftsgütern zu einer neuen einheitlichen Sache dergestalt verbunden sei, daß es wesentlicher Bestandteil der neuen Sache im Sinne des BGB werde, von dieser also nicht getrennt werden könne, ohne daß es selbst, andere Teile der neuen Sache oder die Sache selbst zerstört oder in ihrem Wesen verändert würden. Zwischen diesen beiden Grundtatbeständen liege eine Fülle von Fällen, die nach der einen oder der anderen Richtung nicht zweifelsfrei abgegrenzt werden könnten.
Um weitere Abgrenzungsmerkmale zu finden, habe die Rechtsprechung den Begriff der sogenannten Sachgesamtheit herausgearbeitet und den Rechtssatz aufgestellt, daß die Zugehörigkeit zu einer Sachgesamtheit die selbständige Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit der einzelnen zur Sachgesamtheit gehörenden Wirtschaftsgüter ausschließe. Aber auch dieser Begriff der Sachgesamtheit bedürfe wieder der Auslegung. Die Voraussetzungen der Sachgesamtheit ließen sich ebensowenig eindeutig festlegen wie die Abgrenzung der selbständigen Nutzbarkeit. Die Rechtsprechung habe zwar in der Regel das Vorhandensein eines nach Zahl, Art, Stil oder anderen Merkmalen bestimmten und als solches nach außen in Erscheinung tretenden einheitlichen Ganzen gefordert, von Fall zu Fall aber auch auf andere Merkmale, zum Beispiel die Zusammenfassung in den Büchern, die Unentbehrlichkeit des einzelnen Gegenstandes für die Gesamtanlage, in die es eingefügt sei, die Verwendbarkeit nur im Rahmen der Gesamtanlage, die einheitliche Zweckbestimmung und schließlich die Verkehrsauffassung, Gewicht gelegt.
Bei dieser Sachlage ergebe sich die Frage, ob es nicht möglich oder zweckmäßig sei, für die Auslegung des Begriffs der selbständigen Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit von der Verwendung des Begriffs der Sachgesamtheit abzusehen und die Auslegung auf andere Merkmale abzustellen. Die bisherigen Versuche in dieser Richtung hätten allerdings noch nicht zu der Formulierung eines klareren und besseren Begriffs als dem der Sachgesamtheit geführt. Das müsse im allgemeinen auch für den Begriff des "einheitlichen Ganzen" gelten, der vielfach zur Umschreibung oder als Ersatz für den Begriff der Sachgesamtheit verwendet werde, aber ebenso wie jener einer genaueren Bestimmung bedürfe. In einer solchen Definition müßte dem Sinn nach zum Ausdruck gebracht werden, daß ein die selbständige Nutzbarkeit des eingefügten Wirtschaftsguts ausschließendes einheitliches Ganzes dann nicht vorliege, wenn sowohl das eingefügte Wirtschaftsgut als auch das einheitliche Ganze auch getrennt voneinander und jedes für sich oder mit anderen Wirtschaftsgütern, mit denen es kein einheitliches Ganzes bilde, für den Betrieb nutzvoll und ohne wesentliche änderung oder Wertminderung verwendet werden könnten und auch verwendet zu werden pflegten. Diese Voraussetzungen ließen sich in der Regel einwandfrei nur mit Hilfe der Verkehrsauffassung feststellen. Einheitliche Grundsätze, wann die Verkehrsauffassung eine selbständige Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit annehme, ließen sich nicht aufstellen.
Was den gesetzgeberischen Zweck der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter anlange, so ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der in Betracht kommenden Vorschriften, daß entscheidende Gründe der Vereinfachung maßgebend gewesen seien. Als die Bewertungsfreiheit für kurzlebige Wirtschaftsgüter durch das Gesetz zur änderung des Einkommensteuergesetzes vom 1. Februar 1938, Reichsgesetzblatt 1938 I S. 99, deshalb aufgehoben worden sei, weil es verfehlt wäre, sie in Zeiten der Vollbeschäftigung aufrechtzuerhalten (vgl. Begründung zum Gesetz vom 1. Februar 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 99), habe man aus Vereinfachungsgründen trotzdem die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter bestehen lassen. Auch als der Gesetzgeber für diese Bewertungsfreiheit in § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine gesetzliche Grundlage geschaffen habe (vgl. Gesetz über die änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953, BGBl 1953 I S. 413), sei in der Begründung zu diesem Gesetz, das eine Einschränkung der Selbstfinanzierung und dafür eine Tarifsenkung gebracht habe, ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß trotz der Tendenz der Einschränkung der Selbstfinanzierung die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter ins EStG übernommen werde und sogar aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung von Auseinandersetzungen mit den Steuerpflichtigen die Grenze der Anschaffungskosten von bisher 200 DM auf 500 DM erhöht werden solle (Drucksache Nr. 4092 des Deutschen Bundestags 1. Wahlperiode S. 46).
Gehe man von den im Vorstehenden entwickelten Grundsätzen aus, so ergebe sich für den hier zu entscheidenden Fall folgendes. Der einzelne Webstuhl mit dem dazu gehörigen Motor diene dem gemeinsamen Zweck der Herstellung von Webwaren. Die Motoren könnten zwar möglicherweise auch ohne wesentliche Veränderung als Antriebsmittel anderer Maschinen verwendet werden. Nachdem jedoch der Transmissionsantrieb entfernt und in die Webstühle Spezialschalter eingebaut worden seien, könnten die Webstühle im Betrieb nur noch mit einem Motor benutzt werden. Damit seien die Webstühle und Motoren derart aufeinander abgestimmt, daß sie beide ihre selbständige Nutzungsfähigkeit verloren und sich zu dem neuen einheitlichen Wirtschaftsgut "Webstühle mit elektrischem Einzelantrieb" verbunden hätten. Auf die Art der jeweiligen Verbindung von Webstuhl und Einzelmotor komme es nicht an. Es fehle dem Motor zumindest die selbständige Nutzungsfähigkeit, so daß er nur zusammen mit dem Webstuhl bewertet werden dürfe.
II. Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelstages
Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat sich zu dem Problem wie folgt geäußert. Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut einer selbständigen Bewertung fähig sei, müsse nach den Grundsätzen der Einzelbewertung beurteilt werden. Danach sei jedes Wirtschaftsgut, dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gesondert berechnet würden, auch selbständig bewertbar. Die im Wege der Sammelbewertung gleichartiger oder ähnlicher Gegenstände vorgenommene buchmäßige Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter in einen Buchungsposten hebe die selbständige Bewertbarkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter nicht auf. Auch die Bestimmung der selbständigen Nutzbarkeit bereite keine besonderen Schwierigkeiten. Entscheidend sei die wirtschaftliche und technische Nutzungsfähigkeit, die auch bei technisch miteinander verbundenen Wirtschaftsgütern vorliege, wenn sie losgelöst von der jeweiligen technischen Verbindung selbständig genutzt werden könnten. Ihre Grenze finde die selbständige Nutzungsfähigkeit nur dort, wo bei wirtschaftlicher Betrachtung technisch selbständig nutzungsfähige Wirtschaftsgüter auf die Dauer zu einem gemeinsamen Zweck miteinander verbunden würden und damit notwendigerweise auf die Dauer das gleiche Schicksal teilten. Bei dieser Beurteilung habe die von den beteiligten Wirtschaftskreisen gebildete Verkehrsauffassung maßgebliche Bedeutung.
Der von der Rechtsprechung gebildete vage Begriff der Sachgesamtheit sei zur Abgrenzung der selbständigen Nutzungsfähigkeit ungeeignet. Die Einführung dieses Begriff habe in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu einer ungerechtfertigten Einschränkung der Bewertungsfreiheit geführt. So habe zum Beispiel eine von der Industrie- und Handelskammer Köln durchgeführte Umfrage darüber, ob Leuchtstoffröhren einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig seien, im Gegensatz zu der Auffassung im Urteil des Bundesfinanzhofs I 133/56 U vom 5. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 376, Slg. Bd. 63 S. 465) zu dem klaren und überzeugenden Ergebnis geführt, daß die Bewertungsfreiheit zu bejahen sei. Entsprechendes gelte auch für die Urteile des Bundesfinanzhofs I 191/56 U vom 30. Oktober 1956 (BStBl 1957 III S. 7, Slg. Bd. 64 S. 17) - Wassermesser -, I 84/56 U vom 18. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 27, Slg. Bd. 64 S. 70) - Gerüstteile - und I 91/56 U vom 13. August 1957 (BStBl 1957 III S. 440, Slg. Bd. 65 S. 533) - Hausanschlüsse -. In diesen Urteilen habe sich der Bundesfinanzhof bemüht, alle erdenklichen Gründe, die für eine Sachgesamtheit sprechen könnten, heranzuziehen und habe sich damit immer mehr von dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes entfernt.
III. Entscheidung des Senats Der Senat nimmt zu dem Problem wie folgt Stellung. Es ist zu prüfen, ob ein Motor, der mit dem Webstuhl zum Zwecke des Antriebs technisch verbunden ist, einer selbständigen Bewertung und Nutzung fähig ist. Durch das Erfordernis der selbständigen Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit wird der Kreis der beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, eingeschränkt, so daß nicht für jedes einzelne Wirtschaftsgut die Bewertungsfreiheit in Anspruch genommen werden kann. Unabhängig von dem Erfordernis der selbständigen Nutzungsfähigkeit muß zunächst entschieden werden, ob der Gegenstand einer selbständigen Bewertung fähig ist.
Diese Voraussetzung ist dann nicht erfüllt, wenn der Gegenstand mit anderen Gegenständen zusammen ein einziges Wirtschaftsgut des Anlagevermögens bildet, wie dies zum Beispiel beim Getriebe eines Personenkraftwagens der Fall ist. Die Abgrenzung des Begriffs des Wirtschaftsgutes hat auch für die Frage der Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung (vgl. zum Beispiel die Rechtsprechung zur Teilwertabschreibung bei mehreren Gebäuden, Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 533/36 vom 19. Januar 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 179, Slg. Bd. 43 S. 93) und für die Aktivierung von Aufwendungen für ein schon bestehendes Wirtschaftsgut (zum Beispiel bei den Kosten für einen Ladenumbau durch den Kaufmann und Grundstückseigentümer) Bedeutung. Die Rechtsprechung läßt erkennen, daß eine weitgehende Atomisierung des Begriffs des Wirtschaftsguts nicht zulässig ist.
Es liegt die Annahme nahe, daß der Webstuhl und der zu ihm gehörige Motor ebenso ein als Einheit zu bewertendes Wirtschaftsgut bilden, wie das bei dem im Kraftwagen eingebauten Motor der Fall ist. Denn auch der Motor des Kraftwagens hat eine kürzere Nutzungsdauer als das Fahrgestell und kann leicht ausgewechselt werden. Das Ausmaß der Verbindung kann für die Frage, ob ein einheitlich zu bewertendes Wirtschaftsgut vorliegt, nicht allein entscheidend sein. Die angeschnittene Frage braucht indessen nicht entschieden zu werden, weil auch bei der Annahme, daß der Webstuhl und der Motor zwei selbständig zu bewertende Wirtschaftsgüter darstellen, die Bewertungsfreiheit deshalb verneint werden muß, weil der Motor keiner selbständigen Nutzung fähig ist.
Die selbständige Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes wird insbesondere in den Fällen zweifelhaft, in denen als solche selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter zur Erfüllung ihres Zwecks im Betriebe mit anderen Wirtschaftsgütern technisch oder wirtschaftlich verbunden werden müssen. Die Rechtsprechung hat sich bemüht, allgemeine Abgrenzungsmerkmale zu finden und Grundsätze aufzustellen, nach denen im Falle einer derartigen Verbindung mehrerer Wirtschaftsgüter die selbständige Nutzungsfähigkeit des einzelnen Wirtschaftsgutes zu beurteilen ist. Sie hat sich dabei in vielen Fällen des auch im Umsatzsteuerrecht verwandten Begriffs der Sachgesamtheit bedient und bei Bejahung einer Sachgesamtheit keine selbständige Nutzungsfähigkeit der zur Sachgesamtheit gehörenden Wirtschaftsgüter angenommen. Damit waren die Schwierigkeiten der Abgrenzung der Bewertungsfreiheit jedoch nicht behoben. Es war nunmehr notwendig, den Begriff der Sachgesamtheit zu bestimmen. Dabei ergeben sich die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten wie bei der Auslegung des Begriffs der selbständigen Nutzungsfähigkeit. Da der Begriff der Sachgesamtheit bei der Umsatzsteuer eine wichtige Rolle spielt, dort aber die selbständige Nutzungsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes im Betrieb nicht von entscheidender Bedeutung ist, erscheint es dem Senat zweckmäßig, den bei der Abgrenzung der Bewertungsfreiheit umstrittenen Begriff der Sachgesamtheit aufzugeben und nur von dem gesetzlichen Erfordernis der selbständigen Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit auszugehen.
Bei der Entscheidung, ob ein Wirtschaftsgut einer selbständigen Nutzung fähig ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung Sache des Gerichts ist. Die Schwierigkeiten liegen in der Regel nicht darin, daß die zu würdigenden Tatbestände vom Gericht nicht voll übersehen werden; sie ergeben sich vielmehr daraus, daß die selbständige Nutzungsfähigkeit ähnlich wie die unbestimmten Rechtsbegriffe "Treu und Glauben" und "billiges Ermessen" nicht eindeutig abgegrenzt werden kann. Bei der Entscheidung dieser Rechtsfrage kann die Auslegung und Anwendung des Rechtsbegriffs durch die beteiligten Wirtschaftskreise nicht anders gewertet und gewürdigt werden als sonstige Rechtsausführungen des Steuerpflichtigen oder der vom Gericht gehörten Wirtschaftsverbände oder Verwaltungsdienststellen. Der Verkehrsauffassung kommt dort eine entscheidende Bedeutung zu, wo es sich um die Auslegung von Begriffen handelt, deren Bedeutung und Abgrenzung sich aus dem Geschäftsverkehr der Beteiligten ergibt, wie das zum Beispiel bei Warenbezeichnungen im Zolltarif (Urteil des Bundesfinanzhofs V z 150/52 S vom 25. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 254, Slg. Bd. 57 S. 668) oder bei dem Begriff der ordnungsmäßigen Buchführung der Fall ist. Ergibt sich nicht aus dem Willen des Gesetzgebers, daß die Handhabung und Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise bei der Abgrenzung bestimmter Begriffe von gestaltender und entscheidender Bedeutung sein soll, und bildet der abzugrenzende Begriff auch keinen Gegenstand des Geschäftsverkehrs der beteiligten Kaufleute, so hat die sogenannte Verkehrsauffassung nur die Bedeutung einer Stellungnahme zu einer Rechtsfrage, die das Gericht zu entscheiden hat. Der Senat kann deshalb im Rahmen der Bewertungsfreiheit bei erneuter überprüfung der Verkehrsauffassung nicht die Bedeutung beimessen, die sich aus früheren Urteilen, zum Beispiel aus der Entscheidung I 133/56 U vom 5. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 376, Slg. Bd. 63 S. 465, ergibt.
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat verschiedene Merkmale für die Beurteilung der selbständigen Nutzungsfähigkeit bezeichnet. Bei der Verschiedenheit des Sachverhalts, insbesondere der unterschiedlichen Gestaltung der technischen und wirtschaftlichen Verbindung der Gegenstände und der Auswirkung ihrer Trennung haben diese Grundsätze nicht in allen Fällen gleichbleibendes Gewicht.
Allgemeine Bedeutung hat es, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht betont, ob nach außen ein einheitliches Ganzes in Erscheinung tritt. Das Bild des einheitlichen Ganzen wird sich in vielen Fällen schon aus der betrieblich bedingten Art und Dauer der Verbindung und der Abstimmung der verbundenen Wirtschaftsgüter aufeinander ergeben. Die Festigkeit der Verbindung, ihre technische Gestaltung und ihre Dauer können im Einzelfall von Bedeutung sein. Sie sind nicht immer entscheidend. Dies zeigt sich zum Beispiel bei den technisch aufeinander abgestimmten und genormten Gerüstteilen der Bauwirtschaft, die einzeln keiner selbständigen Nutzung fähig sind (Urteil des Bundesfinanzhofs I 84/56 U), obwohl sie nach Erfüllung eines zeitlich begrenzten Zwecks jeweils wieder voneinander getrennt und erneut in anderer Form verbunden werden. Die Fälle, in denen das Bild des einheitlichen Ganzen nur auf einem bestimmten Stil beruhen soll, werden verhältnismäßig selten sein (Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 381/33 vom 23. Juni 1933, Reichssteuerblatt 1933 S. 1246, und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 360/53 U vom 19. November 1953, BStBl 1954 III S. 18, Slg. Bd. 58 S. 271). Der Senat hat Bedenken, die selbständige Nutzungsfähigkeit einzelner Möbelstücke nur deshalb zu verneinen, weil sie einen gleichen Stil aufweisen oder in ihrer Gestaltung zueinander passen. Mit dieser Begründung könnte die Bewertungsfreiheit wohl nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen verneint werden.
Die Zusammenfassung von Wirtschaftsgütern in Büchern und Bilanzen, die weitgehend von dem Belieben des Kaufmanns abhängt und nach der im allgemeinen auch nicht die Möglichkeit der getrennten Absetzungen oder Teilwertabschreibungen beurteilt wird, hat in der Regel für die Abgrenzung der selbständigen Nutzungsfähigkeit keine Bedeutung. Bei dieser Abgrenzung kann man nur von den Verhältnissen ausgehen, die in dem bestimmten Betrieb für die zu beurteilenden Gegenstände gegeben sind. Trennungsmöglichkeiten und technische Erörterungen darüber, was mit den getrennten Gegenständen getan werden könnte, aber tatsächlich im Betrieb nicht getan wird, sind in der Regel ohne Bedeutung. Sind die miteinander verbundenen Gegenstände technisch aufeinander abgestellt, so treten sie nach außen in der Regel als einheitliches Ganzes in Erscheinung und sind im Betrieb nur in dieser Verbindung nutzbar. Verliert im Fall der Trennung nicht nur der zu beurteilende Gegenstand, sondern auch das Wirtschaftsgut, aus dem er getrennt wird, die selbständige Nutzungsfähigkeit im Betrieb, weil die technische Gestaltung auf diese Verbindung eingestellt ist, so wird in der Regel die Verbindung ein einheitliches Ganzes darstellen und die Bewertungsfreiheit einzelner Teile zu verneinen sein. In übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen wird man darüber hinaus im allgemeinen eine ein einheitliches Ganzes begründende und damit die selbständige Nutzungsfähigkeit der einzelnen Teile ausschließende Verbindung schon dann annehmen müssen, wenn durch die Trennung nur einer der Teile seine Nutzungsfähigkeit verliert, weil lediglich seine technische Gestaltung eine Nutzung nur bei einer dauernden Verbindung mit dem getrennten Teil ermöglicht. Welcher Art und welchen Umfangs die Beeinträchtigung sein muß, die der getrennte Gegenstand und das übrigbleibende Wirtschaftsgut erfahren, um die selbständige Nutzungsfähigkeit zu beseitigen, läßt sich allgemein nicht näher bestimmen.
Die im Vorstehenden entwickelten Abgrenzungsmerkmale führen nicht in allen Fällen zu einer zweifelsfreien Entscheidung. Es bleibt eine große Zahl von Grenzfällen bestehen, bei denen vielleicht auch andere Gesichtspunkte von Bedeutung sind. Das läßt sich bei der Verschiedenheit der technischen und wirtschaftlichen Verbindungen und ihrer Auswirkungen nicht vermeiden.
Betrachtet man unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die bisher in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle, so ergibt sich folgendes.
Das Urteil I 91/56 U mußte für Hausanschlüsse bei elektrischen Leitungen die selbständige Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit schon deshalb ablehnen, weil die Hausanschlüsse Teile des einheitlichen Wirtschaftsgutes der Gesamtleitung darstellen. In dem Wassermesser einer Versorgungsanlage betreffenden Urteil des Bundesfinanzhofs I 191/56 U führte die Entfernung des Wassermessers unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Betriebs zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzungsfähigkeit der übrigbleibenden Anlage. Dabei war es ohne Bedeutung, daß ein Wassermesser auch an anderer Stelle verwendet werden konnte, was in der Regel nicht geschah, oder daß es Versorgungsanlagen gibt, die noch ohne Wassermesser auskommen. Der Wassermesser ist nur in Verbindung mit der Versorgungsanlage nutzbar. Das sich mit der Bewertungsfreiheit von Leuchtstoffröhren befassende Urteil des Bundesfinanzhofs I 133/56 U behandelte einen Grenzfall. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Grundsätze dieses Urteils aufzugeben. Stellt man es bei einer Beleuchtungsanlage, die einen ganzen Fabrikraum durch zu Lichtbändern zusammengestellte Leuchtröhren ausleuchten soll, auf das nach außen in Erscheinung tretende Ganze ab, das durch Entfernung einzelner Röhren eine in Gewicht fallende Beeinträchtigung erfährt, so ist die Ablehnung der Bewertungsfreiheit gerechtfertigt. Für die Annahme, daß die einzelnen Röhren anders als individuell gestaltete, meist auch der Ausschmückung des Raums dienende Beleuchtungskörper einen Teil einer einheitlichen Beleuchtungsanlage bilden, sprechen beachtliche Gesichtspunkte.
Wendet man die eben entwickelten Grundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Fall an, so ist dem Bundesminister der Finanzen darin beizustimmen, daß die Webstühle technisch so gestaltet sind, daß sie nur in Verbindung mit je einem Einzelmotor genutzt werden. Die Trennung des Motors, die im übrigen wohl praktisch selten ist, bewirkt, daß der Webstuhl ohne technische Veränderungen im Betrieb nicht mehr genutzt werden kann. Damit verliert nicht nur der Webstuhl, sondern auch der Motor die selbständige Nutzungsfähigkeit. Es ist im Streitfall kein Grund ersichtlich, der eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 409259 |
BStBl III 1959, 77 |
BFHE 1959, 198 |
BFHE 68, 198 |
BB 1959, 189 |
DB 1959, 220 |