Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen sind steuerpflichtig
Hintergrund: Veräußerung verschiedener Kryptowährungen
X erwarb, tauschte und veräußerte im Streitjahr 2017 verschiedene Kryptowährungen. Es handelte sich um privat getätigte Geschäfte mit Bitcoins, Etherum und Monero. In 2017 erzielte er daraus (unstreitig) einen Gewinn von 3,4 Mio. EUR.
Dementsprechend erklärte X für 2017 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.v. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG von insgesamt 3,4 Mio. EUR. Das FA veranlagte erklärungsgemäß und setzte ESt fest (wohl rund 1.5 Mio. EUR).
Dagegen erhob X Klage und wandte ein, es liege kein (privates) Veräußerungsgeschäft vor. Denn bei Kryptowährungen liege eine Kette aus digitalen Signaturen und damit kein Wirtschaftsgut i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor. Außerdem sei die Besteuerung wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits gleichheitswidrig. Das FG folgte nicht dieser Argumentation und wies die Klage ab.
Entscheidung: Steuerpflichtige Veräußerungsgewinne bei Kryptowährungen
Der BFH bestätigte die Auffassung des FG und wies die Revision zurück. Ebenso wie das FG bejaht der BFH sowohl das Vorliegen eines Wirtschaftsguts als auch die Verneinung eines strukturellen Vollzugsdefizits.
Weiter Begriff des Wirtschaftsguts
Der Begriff des (anderen) "Wirtschaftsguts" i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG entspricht dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands. Er auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise weit auszulegen. Der Begriff umfasst nicht nur Gegenstände im Sinne des BGB (Sachen und Rechte), sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile, die nach der Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich sind (z.B. BFH v. 12.3.2020 - IV R 9/17, BStBl II 2021, S. 226, zur Wärmeenergie als Wirtschaftsgut). Daher kann auch eine zivilrechtlich nicht übertragbare (Rechts-)Position steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn sie in der Rechtspraxis entgeltlich einem Dritten überlassen und dadurch wirtschaftlich verwertet werden kann (BFH v. 12.6.2019, X R 20/17, BStBl II 2020, S. 3).
Kryptowährungen als Wirtschaftsgüter
Hiervon ausgehend stellen die von X erworbenen, getauschten und wieder veräußerten Kryptowährungen (Bitcoin, Etherum, Monero) Wirtschaftsgüter i.S. dieser weiten Begriffsbestimmung dar. Es handelt sich wirtschaftlich betrachtet um Zahlungsmittel. Sie können für Bezahlvorgänge zwischen den Beteiligten genutzt werden und verfügen über zeitaktuelle Kurse. Der für den jeweiligen Token und die jeweilige Transaktion ermittelte (Kurs-)"Wert" belegt dessen Realisierbarkeit. Es liegen somit objektiv werthaltige, selbständig bewertbare Positionen (im Sinne einer Chance bzw. einer Möglichkeit) vor. Dies zeigt sich schon daran, dass die Erwerber tatsächlich ein Entgelt für die Übertragung der von X in handelbare Untereinheiten "verselbständigten" Token gezahlt haben. Die im Einzelnen komplexen technischen Zusammenhänge sind für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht entscheidend.
Zurechnung der Kryptowährungen
Die durch Kauf oder Tausch erworbenen Currency Token waren dem X nach § 39 Abs. 1 AO als Wirtschaftsgüter zuzurechnen. Wegen des weiten Eigentumsbegriffs im Sinne wirtschaftlichen Eigentums kann eine werthaltige Position einer Person zugerechnet werden, wenn sie eine faktische Berechtigung (im Sinne einer "unbeschränkten Herrschaftsmacht") an der als Wirtschaftsgut zu qualifizierenden Position besitzt. Danach waren die von X erworbenen Currency Token ihm schon deshalb zuzurechnen, weil ihm aufgrund des "Private Key" in tatsächlicher Hinsicht die unbeschränkte Herrschaftsmacht zustand. Die Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge haben jeweils zu einem Rechtsträgerwechsel und damit zu einem Veräußerungsgewinn bei X geführt.
Frage des Vollzugsdefizits
Eine gesetzliche Besteuerungsgrundlage (hier § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) ist verfassungswidrig, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens in prinzipieller Weise verfehlt wird. Eine Gleichheitswidrigkeit folgt dabei nicht bereits aus der (vorgeblichen) empirischen Ineffizienz einer Norm, sondern nur aus einem Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
Verfassungsrechtlich untersagt ist somit der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der Steuernorm und einer nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel (BVerfG v. 9.3.2004, 2 BvL 17/02, BStBl II 2005, S. 56). Es genügt daher nicht schon jeder tatsächlich feststellbare Vollzugsmangel, um eine Abweichung von der erforderlichen Ausrichtung zu belegen. Nur wenn das Umsetzungsdefizit bereits in der Regelung selbst angelegt ist oder wenn Verstöße nicht konsequent unterbunden werden, prägt dies die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf Defizite der normativen Sicherung schließen (BFH v. 7.9.2021, IX R 5/19, BFH/NV 2022, S. 131, Rz. 65).
Kein strukturelles Vollzugsdefizit im Streitfall
Es fehlt schon an widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten gesetzlichen Regelungen. Unbeschadet möglicher Vollzugsschwierigkeiten bei der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Currency Token, liegt nach Meinung des BFH jedenfalls keine der materiellen Regelung strukturell gegenläufige Erhebungsregelung vor. Auch eine bewusst geschaffene oder gesetzlich vorgegebene Kontrolllücke ist nach Auffassung des BFH nicht feststellbar.
Die dem Gesetzgeber zustehende Reaktionszeit bei der Prüfung und Einführung neuer (d.h. zusätzlicher) Kontrollmaßnahmen ist weder im Streitjahr 2017 noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt überschritten. Die Finanzbehörden können schon heute zur Feststellung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts Auskünfte im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen auch bei den Betreibern von Krypto-Handelsplattformen einholen (§ 93 Abs. 1a AO). Zudem bestehen auf internationaler Ebene u.a. in Gestalt des "Crypto-Asset Reporting Framework" (CARF) der OECD Bestrebungen, einen einheitlichen Rahmen für den internationalen Austausch steuerlich relevanter Daten zu Kryptowährungen zu schaffen. Damit sollen Vollzugserschwernisse auf internationaler Ebene vermieden werden.
Hinweis: BMF-Schreiben v. 10.5.202
Die vorliegende Grundsatzentscheidung überzeugt in beiden Streitpunkten: Wirtschaftsgut und Vollzugsdefizit. Das Urteil nimmt ergänzend Bezug auf das aktuelle BMF-Schreiben betr. "Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token" (BStBl I 2023, S. 668). Der BFH stimmt mit der Auffassung des BMF zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung im Privatvermögen (Rz. 53 ff.) überein. Das BMF war dem Revisionsverfahren beigetreten.
Berücksichtigung von Verlusten
Mit der Bejahung der Steuerbarkeit von Veräußerungsgewinnen ist zugleich die Anerkennung von Verlusten aus Krypto-Geschäften verbunden. Dabei ist allerdings der eingeschränkte Verlustausgleich nach § 23 Abs. 3 Sätze 7, 8 EStG zu beachten.
Keine "Dummensteuer"
Der Entscheidung ist auch hinsichtlich der Verneinung eines Vollzugsdefizits zuzustimmen. Dass es in Einzelfällen Steuerpflichtigen trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden (z.B. in Form von Sammelauskunftsersuchen) beim Handel mit Kryptowährungen gelingt, sich der Besteuerung zu entziehen, kann ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht begründen.
"Normatives" und "strukturelles" Vollzugsdefizit
Die unterschiedlichen Begriffe verdeutlichen, dass ein Vollzugsdefizit in der Ausgestaltung einer Norm wie auch in der praktischen Durchsetzung angelegt sein kann. Der BFH verwendet die Begriffe mit im Wesentlichen gleicher Bedeutung.
BFH Urteil vom 14.02.2023 - IX R 3/22 (veröffentlicht am 28.02.2023)
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