Leitsatz (amtlich)
Mitgliedsbeiträge einer Kapitalgesellschaft an einen eingetragenen Verein, der die allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Interessen der Industriefirmen des Vereinsgebiets wahrnimmt, sind in der Regel vollen Umfangs als Betriebsausgaben abzugsfähig. Gelegentliche Vereinsveranstaltungen, die möglicherweise dem gesellschaftlich-repräsentativen Bereich zuzuordnen sind, stehen dem nicht entgegen.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1, § 12; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Mitglied des ... - im folgenden: Industrie-Club -. In den Streitjahren (1969 bis 1975) zahlte die Klägerin unterschiedlich hohe Mitgliedsbeiträge.
Der Industrie-Club hat seinen Sitz in X und umfaßt das Gebiet der Stadt X und ihrer Umgebung. Mitglieder können werden nach § 3 der Satzung 1968 jede im Vereinsgebiet ansässige Industriefirma, nach § 3 der Satzung 1972 alle Inhaber von Einzelfirmen, Offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und juristischen Personen, die im Vereinsgebiet ein Industrieunternehmen betreiben, natürliche Personen aus Handel, Wissenschaft, Kunst und öffentlichem Leben, sowie zum Eintritt eingeladen Personen (außerordentliche Mitglieder). Nach der Satzung von 1968 (§ 2) war Zweck des Industrie-Clubs "die Wahrnehmung der allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Interessen der Industriefirmen des Vereinsgebiets". Dabei sollte auch der Meinungsaustausch gepflegt und die Beziehungen zu anderen Berufskreisen des In- und Auslandes gefördert werden. Informationen über den Berufsstand berührende allgemeine, ideelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Fragen sollten durch Rundschreiben oder in anderer Weise erteilt werden. In der Satzung 1972 (§ 2) ist das Erreichen des gleichgebliebenen Vereinszwecks näher umschrieben. Danach soll der Industrie-Club der Zusammenführung sowie dem Informations- und Erfahrungsaustausch unter den ... Industriefirmen in freier Meinungsbildung dienen und dabei die folgenden Ziele verfolgen: Erhaltung der sozialen Marktwirtschaft, Darstellung der Bedeutung des freien Unternehmers, Beobachtung der Stellung der Industrie und ihrer Mitarbeit an Reformen der Verwaltung, des Verkehrs und anderer infrastruktureller Einrichtungen im Vereinsgebiet, insbesondere im Großraum X, Mitarbeit an der Entwicklung wissenschaftlicher und bildender Einrichtungen, Kontakt zu und unter den nachwachsenden Führungskräften sowie Pressearbeit.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die aufgewendeten Beiträge zunächst in voller Höhe als Betriebsausgaben zum Abzug zu.
Anläßlich einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer, einer Anweisung der Oberfinanzdirektion (OFD) ... folgend, die Auffassung, 35 v. H. der Mitgliedsbeiträge seien nicht abzugsfähig, da 35. v. H der Gesamttätigkeit des Industrie-Clubs auf den gesellschaftlich-repräsentativen Bereich der Mitglieder entfalle. Das FA folgte dieser Auffassung bei dem Erlaß der - auch hinsichtlich sonstiger Punkte - berichtigten Körperschaftsteuerbescheide 1969 bis 1973. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch. Das FA berichtigte auf Wunsch der Klägerin die Körperschaftsteuerbescheide 1974 und 1975 in der Weise, daß es statt des vollen Abzugs der Mitgliedsbeiträge nur einen Abzug von 65 v. H. gewährte. Auch dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.
Die Klage der Klägerin hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wertete die Mitgliedsbeiträge als in vollem Umfang abzugsfähige Betriebsausgaben und setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre entsprechend niedriger fest. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1982 S. 44 (EFG 1982, 44) abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung des § 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. § 4 Abs. 4 § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat die Mitgliedsbeiträge der Klägerin zum Industrie-Club zutreffend in voller Höhe als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen.
1. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. Juli 1976 I R 180/74 (BFHE 119, 434, BStBl II 1976, 753) seine Rechtsauffassung zur steuerlichen Behandlung solcher Aufwendungen von Kapitalgesellschaften im einzelnen dargelegt, die mit der Lebensführung von Gesellschaftern oder anderen Personen zusammenhängen (vgl. auch das neuere Urteil vom 24. September 1980 I R 88/77, BFHE 131, 494, BStBl II 1981, 108). Von diesen Grundsätzen, auf die der Senat verweist, ist das FG in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.
2. Die Anwendung dieser Grundsätze durch das FG auf die im Streitfall getroffenen tatsächlichen Feststellungen verstößt weder gegen Verfahrensgrundsätze noch gegen materielles Recht, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze. Der Senat ist bei seiner Würdigung des Revisionsvorbringens an die tatsächlichen Feststellungen des FG und an die von diesem daraus gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil zulässige und begründete Revisionsgründe gegen die Feststellungen nicht vorgebracht sind oder nicht durchgreifen.
a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 4. Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Welche Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sein müssen, damit Aufwendungen durch den Betrieb veranlaßt und daher Betriebsausgaben sind, wird in § 4 Abs. 4 EStG nicht festgelegt. "Veranlassung" kann sowohl als Verursachung (kausal) wie auch als Zweckbestimmung (final) verstanden werden. Auf den dazu entstandenen Meinungsstreit in wissenschaftlichem Schrifttum und Rechtsprechung (vgl. insbesondere Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Januar 1970 IV R 32/69, BFHE 98, 343, BStBl II 1970, 379; vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, besonders unter B II 3 a und b; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 4 EStG Anm. 46 d und f; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4, 5 Anm. 126, 130 ff.; Söhn, Betriebsausgaben, Privatausgaben, gemischte Aufwendungen in Söhn - Hrsg. -, Die Abgrenzung der Betriebs- und Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, 1980, S. 13 ff. mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur) braucht der Senat nicht einzugehen. Darauf kommt es für die Entscheidung nicht an. Sowohl nach kausaler Betrachtung als auch nach dem Gesichtspunkt der Finalität sind die Aufwendungen der Klägerin Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG: Der Anlaß der Aufwendungen liegt im Rahmen des Unternehmens der Klägerin; die Mitgliedsbeiträge zahlt die Klägerin als juristische Person im betrieblichen Interesse.
b) Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG seine Auffassung, die Mitgliedschaft der Klägerin im Industrie-Club sei betrieblich veranlaßt und nicht im gesellschaftlich-repräsentativen Bereich begründet, aus dem in der Satzung verankerten Zweck des Industrie-Clubs, dem Kreis der zugelassenen Mitglieder und dem Charakter der zur Zweckerreichung durchgeführten Veranstaltungen herleitet. Zwar ist es, wie das FA vorbringt, richtig, daß die Mitgliedsbeiträge unabhängig von Art und Anzahl der Veranstaltungen des Vereins zu leisten sind. Das FA übersieht jedoch dabei die satzungsgemäße Verpflichtung des Industrie-Clubs, zur Erreichung des Vereinszwecks unter Berücksichtigung bestimmter Ziele tätig zu werden. Die im einzelnen und ausführlich in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Auffassung (vgl. insbesondere II 2 der Entscheidungsgründe S. 12 bis 24 des Urteils) ist frei von Rechtsirrtum.
(1) Der Senat teilt nicht die auch vom FG mißbilligte Auffassung des FA, der Industrie-Club verfolge nach seiner Satzung ausschließlich politische, wissenschaftliche, bildende und gesellschaftlich-repräsentative Zwecke. Falsch ist schon der diesbezügliche Ausgangspunkt des FA, der Industrie-Club entfalte keine Tätigkeit nach außen hin und den einzelnen Mitgliedern erwachse aus ihrer Mitgliedschaft allein kein wirtschaftlicher Nutzen. Das folgt bei objektiver Betrachtung aus § 2 Nrn. 1 bis 3 der Satzung des Industrie-Clubs. Der in Nr. 1 aufgeführte Vereinszweck soll nach Nr. 2 durch die "Zusammenführung sowie den Informations- und Erfahrungsaustausch unter den ... Industriefirmen in freier Meinungsbildung" mit den in Nr. 2 Buchst. a bis f genannten Zielen erreicht werden.
Die in den Buchst. a ("Erhaltung der sozialen Marktwirtschaft") und b ("Darstellung der Bedeutung des freien Unternehmers") aufgeführten Ziele umschreiben nicht eine ausschließlich politische Forderung, sondern legen eine wirtschaftspolitische Grundeinstellung fest, die Erhaltung und Fortbestand der bestehenden privatfreiheitlichen Verfassung und Form der Mitgliedsunternehmen sicherstellen will. Diese Zielsetzung und ihre Verwirklichung haben deshalb nicht die geschäftlichen Interessen einzelner Mitglieder zum Inhalt, sondern haben unmittelbar allgemein-wirtschaftliche und unternehmerische Bedeutung für die Vereinsmitglieder in ihrer Gesamtheit (vgl. das zur steuerlichen Behandlung eines Berufsverbandes erstellte Gutachten des BFH vom 17. Mai 1952 I D 1/52 S, BFHE 56, 591, BStBl III 1952, 228). Das persönliche Interesse des einzelnen Mitglieds tritt danach hinter das allgemein-wirtschaftliche Interesse aller Mitglieder zurück. Dementsprechend hebt die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung zu Recht hervor, daß die Mitglieder des Industrie-Clubs die Vereinszwecke im Interesse ihrer Unternehmen auch durch wirtschaftspolitische Einflußnahmen fördern.
Die Ziele des Industrie-Clubs in Buchst. c ("Beobachtung der Stellung der Industrie und ihrer Mitarbeit an Reformen ... im Vereinsgebiet, insbesondere im Großraum" X) berühren - wie das FG zutreffend angenommen hat - das wirtschaftliche Interesse der Mitgliedsunternehmen unmittelbar. Diese sind an einer rationellen Verwaltung, optimalen Verkehrsbedingungen und kostengünstigen Verkehrswegen im Großraum X besonders interessiert. Demgegenüber tritt die mit der Verfolgung dieser Ziele möglicherweise verbundene staatspolitische Tätigkeit des Industrie-Clubs weit in den Hintergrund.
Die Mitarbeit an der Entwicklung wissenschaftlicher und bildender Einrichtungen (Buchst. d) kommt sowohl den Mitgliedsunternehmen als auch den Einrichtungen zugute. Der Informationsfluß in beiden Richtungen liegt im Interesse der einzelnen Mitgliedsunternehmen: Es kann, worauf die Klägerin mit Recht hinweist, den Mitgliedsunternehmen nur förderlich sein, wenn einerseits die wissenschaftlichen und bildenden Einrichtungen die wirtschaftlich-praktischen und personellen Bedürfnisse der Unternehmen kennenlernen und in ihrer Arbeit, insbesondere bei der Ausbildung von künftigen Mitarbeitern der Unternehmer berücksichtigen und andererseits die unternehmerisch wertvollen Erkenntnisse der wissenschaftlichen und bildenden Einrichtungen den Unternehmen bekanntwerden und deren geschäftlichen Tätigkeiten zugute kommen.
Auch die Ziele nach Buchst. e ("Kontakt zu und unter den nachwachsenden Führungskräften") gehören nicht oder doch nur in unbedeutendem Umfange dem gesellschaftlich-repräsentativen Bereich an. Die Mitgliedsunternehmen haben ein echtes betriebliches Interesse daran, die künftigen Führungskräfte ihrer Unternehmen in jeder nur möglichen Weise zu fördern und auf ihre künftigen Aufgaben wirkungsvoll vorzubereiten. Dazu tragen auch die erwähnten Kontakte bei.
(2) Die Erwägungen des FG zum Kreise der Mitglieder sowie dessen erschöpfende Würdigung und Einordnung der Veranstaltungen des Industrie-Clubs hat das FA im wesentlichen nicht angefochten. Sie lassen im übrigen keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Das FG hat schließlich zu Recht den vollen Abzug der Mitgliedsbeiträge als Betriebsausgaben zugelassen und diese nicht - wie es das FA hilfsweise für richtig hält - auf 65 v. H. der Beiträge beschränkt. § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG bilden für die abweichende Auffassung des FA keine Rechtsgrundlage. Die streitigen Aufwendungen der Klägerin sind - abgesehen davon, daß § 12 EStG für den Bereich des Körperschaftsteuergesetzes nicht anzuwenden ist -, wie dargelegt, Betriebsausgaben und keine "Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt". Sie fallen auch nicht unter die in § 12 KStG aufgeführten nichtabzugsfähigen Aufwendungen. Eine Aufteilung kommt deshalb nicht in Betracht. Daß die Veranstaltungen des Industrie-Clubs möglicherweise in geringem Umfang (5 Veranstaltungen von 114 in 6 1/2 Jahren) nichtbetrieblichen Charakter hatten, beeinflußt dieses Ergebnis nicht. Dabei läßt der Senat offen, in welche Veranlagungszeiträume diese Veranstaltungen fallen und ob alle 5 Veranstaltungen wirklich und ausschließlich dem gesellschaftlichrepräsentativen Bereich zuzuordnen sind. Ihre Zahl ist - insbesondere unter Berücksichtigung des langen Zeitraums - so unbedeutend im Verhältnis zu den Veranstaltungen insgesamt, daß sie den Gesamtaufwendungen der Klägerin die Eigenschaft als Betriebsausgaben nicht nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 74281 |
BStBl II 1982, 465 |
BFHE 1982, 278 |