Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugte Person ist gemäß § 60 Abs. 3 FGO nicht zum Verfahren beizuladen, wenn sie vom Ausgang eines Rechtsstreits unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt betroffen wird. Das ist der Fall, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits allenfalls dazu führen könnte, daß einer aufgelösten und im Handelsregister gelöschten Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG über ihren bisherigen Ergebnisanteil von 0 DM hinaus noch Verlustanteile zuzurechnen wären.
2. Zur Zuweisung von Verlustanteilen an einen Kommandltisten mit negativem Kapitalkonto, wenn nach dem Bilanzstichtag das Konkursverfahren eröffnet wurde, dieses aber bei Aufstellung der Jahresschlußbilanz noch nicht abgeschlossen war.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3; EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2; HGB § 161 ff.
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Zuweisung von Verlustanteilen an Kommanditisten.
Der während des Revisionsverfahrens verstorbene Kläger zu 1 und Revisionsbeklagte zu 1, R (Kläger zu 1), und der Kläger zu 2 waren Kommanditisten der durch Vertrag vom 24. März 1966 errichteten ... GmbH & Co. KG (KG). Über deren Vermögen wurde am 19. August 1971 das Konkursverfahren eröffnet. Vor der Entscheidung durch das Finanzgericht (FG) war der Schlußtermin abgehalten und das Konkursverfahren beendet. Dasselbe gilt für das Konkursverfahren über das Vermögen der Komplementär-GmbH (GmbH).
An der KG waren nach dem Gesellschaftsvertrag die persönlich haftende Gesellschafterin, die GmbH, mit einer Kapitaleinlage von 3 000 DM und die beiden Kläger als Kommanditisten mit Kapitaleinlagen von je 13 500 DM beteiligt. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags waren an dem nach Abzug der Zinsen für Darlehenskonten, der Tätigkeitsvergütungen und der an die persönlich haftende Gesellschafterin zu zahlenden Vorabvergütungen verbleibenden Restgewinn die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitaleinlagen beteiligt. Die gleiche Regelung sollte für die Verteilung des Verlustes gelten. Ein die Kommanditisten treffender Verlust war jedoch zunächst von ihrer Kommanditeinlage abzubuchen. Die Kommanditisten waren nicht nachschußpflichtig.
Die KG erwirtschaftete von Anfang an - mit Ausnahme des Jahres 1968 - Verluste, so daß die Kapitalkonten der Kommanditisten bereits in der Steuerbilanz auf den 31. Dezember 1966 negativ ausgewiesen waren.
Die Ergebnisanteile für die Jahre 1966 bis 1969 wurden - nach vorausgegangenem Einspruchsverfahren - den Kommanditisten zugerechnet. Nach einer Betriebsprüfung, die die vom Konkursverwalter aufgrund nichtordnungsmäßiger Buchführung aufgestellten, am 4. Mai 1973 vorgelegten Bilanzen 1970 und 1971 zum Gegenstand hatte, hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erstmals für 1970 die entstandenen Verluste (262 672 DM) mit Ausnahme der Vorabvergütungen für die Kommanditisten ausschließ-lich der GmbH zugerechnet.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der beiden Kläger hatte Erfolg.
Das FG hat es nicht für erforderlich gehalten, die Komplementär-GmbH gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beizuladen. In materiell-rechtlicher Hinsicht ging das FG von der Anerkennung negativer Kapitalkonten im Steuerrecht aus. Es war der Ansicht, den Kommanditisten seien jedenfalls Verluste für Wirtschaftsjahre vor Konkurseröffnung noch zuzuweisen, auch wenn die Bilanzen bei Konkurseröffnung noch nicht aufgestellt gewesen seien. Die Verlustzuweisungen entfielen zwar, sobald und soweit feststehe, daß die Kommanditisten den Verlust wirtschaftlich endgültig nicht mehr tragen würden.
Mit Konkurseröffnung allein stehe dies aber noch nicht fest. Gerade im Konkursverfahren würden gewöhnlich durch Aufdeckung stiller Reserven bei der Versilberung der Masse noch Gewinne erzielt, die den Kommanditisten zuzurechnen und von ihnen zunächst zur Wiederauffüllung ihrer Kapitalkonten verwendet werden müßten. Die Konkurseröffnung schließe auch eine Sanierung der Gesellschaft nicht aus, wenn diese auch im Wirtschaftsleben selten erreicht werden könne. Das FG teilte die Verluste entsprechend den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag auf die Gesellschafter der KG auf.
Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß, das FG habe die Zurechnungsgrundsätze im Falle negativer Kapitalkonten an die Gesellschafter verkannt. Bei Konkurseröffnung könne nicht auf erhebliche stille Reserven geschlossen werden, weil die Konkurseröffnung gemäß § 102 der Konkursordnung (KO) die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners voraussetze. Der Gemeinschuldner werde aber, falls im Unternehmen stille Reserven ruhten, vor Konkursanmeldung versuchen, diese zu realisieren, um den Konkurs zu vermeiden. Seien aber die stillen Reserven zu gering um den Konkurs abzuwenden, könne auch im Konkursverfahren nicht davon ausgegangen werden, daß bereits negative Kapitalkonten der Kommanditisten noch ausgeglichen werden könnten.
Das FA beantragt (sinngemäß), das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger zu 2 und der Revisionsbeklagte zu 1 beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten. Er schließt sich - nach Klärung der Grundsatzfrage über die Anerkennung negativer Kapitalkonten von Kommanditisten durch den Bundesfinanzhof (BFH) - der Beurteilung des FA an.
Während des Revisionsverfahrens ist der Kläger zu 1 verstorben. Seine Erben konnten, auch nachdem zahlreiche Personen die Erbschaft ausgeschlagen hatten, nicht ermittelt werden. Herr Dipl.-Kfm. Dr. F wurde gerichtlich zum Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben bestellt. Dieser (Revisionsbeklagter zu 1) hat mitgeteilt, daß er das Verfahren aufnehme.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
I.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, die GmbH als (frühere) Komplementärin gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beizuladen.
Die KG ist durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst worden (§ 161 Abs. 2 i. V. m. § 131 Nr. 3 HGB). Damit sind die Beschränkungen der Klagebefugnisse bestimmter Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 FGO entfallen. Nach Konkurseröffnung ist jeder Gesellschafter ohne Einschränkung berechtigt, einen Rechtsbehelf einzulegen (BFH-Beschluß vom 24. Juli 1975 IV B 38/75, BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774). Erheben nur einzelne Gesellschafter Klage, mit dem Ziel, den Gesamtgewinn (Gesamtverlust), anders als vom FA vorgenommen, auf die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft zu verteilen, so müssen grundsätzlich die nichtklagenden Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beigeladen werden.
Diese Voraussetzungen treffen jedoch auf die GmbH im vorliegenden Fall nicht zu. Zwar würde - rein rechnerisch - die GmbH davon betroffen, wenn den Klägern (den Kommanditisten) kein Verlustanteil nach Aufzehrung ihres Kapitalkontos mehr zugerechnet werden könnte. Gleichwohl könnte eine solche Entscheidung unter keinen denkbaren Gesichtspunkten steuerrechtliche Folgen gegen die GmbH auslösen. Die formale Erhöhung des Verlustanteils der GmbH würde nichts daran ändern, daß die Körperschaftsteuerschuld der GmbH - wie bereits bisher - null DM betragen würde und daß sich - da die GmbH nicht mehr besteht - Verluste auch in künftigen Jahren nicht mehr bei ihrer Besteuerung auswirken könnten. Der erkennende Senat hat auch schon in anderem Zusammenhang ausgesprochen, daß eine notwendige Beiladung unterbleiben muß, wenn ein Gesellschafter von dem Ergebnis eines Feststellungsverfahrens in keinem Fall berührt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 226/70, BFHE 113, 428, BStBl II 1975, 236). Dem steht das Urteil des erkennenden Senats vom 26. März 1980 I R 111/79 (BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587) nicht entgegen, da der erkennende Senat - wie das FA zutreffend ausgeführt hat - in jenem Verfahren davon ausgegangen war, eine bereits aufgelöste und im Handelsregister gelöschte GmbH werde durch die Veränderung ihres Gewinnanteils noch berührt.
II.
Die bisherigen Feststellungen des FG erlauben nicht den Schluß, die Verlustanteile könnten den Kommanditisten auch noch für das Jahr 1970 zugerechnet werden.
1. Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79 (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) zur Anerkennung negativer Kapitalkonten von Kommanditisten einer KG folgendes entschieden:
a) Einem Kommanditisten, dessen gesellschaftsrechtliche Stellung sich - wie hier - im Innen- und Außenverhältnis nach den Vorschriften des HGB, insbesondere des § 167 Abs. 3 HGB, bestimmt, ist ein Verlustanteil, der nach dem allgemeinen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel der KG auf ihn entfällt, einkommensteuerrechtlich auch insoweit zuzurechnen, als er in einer den einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften entsprechenden Bilanz der KG zu einem negativen Kapitalkonto des Kommanditisten führen würde. Dies entspricht auch der Auffassung des erkennenden Senats.
b) Die unter a) dargestellten Grundsätze gelten nicht, soweit bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, daß ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt. Danach ist der Zeitpunkt der Bilanzaufstellung nur insofern von Bedeutung, als zwischen Bilanzstichtag und Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz Umstände zutage treten, die erkennen lassen, daß schon am Bilanzstichtag mit einem Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr zu rechnen war.
2. Im Streitfall besteht die Besonderheit, daß die Bilanz auf den 31. Dezember 1970 erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens vom Konkursverwalter aufgrund nichtordnungsmäßiger Buchführung erstellt und daß die Bilanz erst am 4. Mai 1973 dem FA vorgelegt wurde. Sieht man von dieser (eingeschränkten) Beweiskraft der vom Konkursverwalter aufgestellten Bilanz ab, so galt es zwar bei Aufstellung dieser Bilanz als bekannt, daß inzwischen das Konkursverfahren eröffnet, die Klägerin daher gesellschaftsrechtlich aufgelöst worden war (§ 161 Abs. 2 HGB i. V. m. § 131 Nr. 3 HGB). Die zwischen Bilanzstichtag und Aufstellung der Bilanz eingetretene Konkurseröffnung ist für sich gesehen kein Grund, davon auszugehen, bereits am Bilanzstichtag habe festgestanden, Verlustanteile des Kommanditisten könnten nicht mehr mit späteren Gewinnanteilen ausgeglichen werden. Ob ein solcher Rückschluß im einzelnen Fall möglich ist, bedarf der tatsächlichen Feststellung. In der Regel werden Rückschlüsse dann möglich sein, wenn bereits bei Aufstellung der Bilanz der Konkurs mangels Masse eingestellt worden war (BFH-Urteil vom 26. März 1981 IV R 134/78, BFHE 133, 197, BStBl II 1981, 572). Ist das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen, so könnten im Rahmen der Liquidation stille Reserven realisiert werden und deshalb noch Gewinne zu erwarten sein, durch die ein negatives Kapitalkonto eines Kommanditisten ganz oder teilweise ausgeglichen wird (BFH-Urteil vom 26. Mai 1981 IV R 17/81, BFHE 133, 409, BStBl II 1981, 668). Einer solchen Möglichkeit muß insbesondere dann nachgegangen werden, wenn der Kläger (die Kläger) einen entsprechenden Sachverhalt substantiiert vortragen (BFH-Urteil vom 19. März 1981 IV R 42/75, BFHE 133, 202, BStBl II 1981, 570).
3. Das FG ist im Streitfall von der Auffassung ausgegangen, daß den Kommanditisten jedenfalls Verlustanteile für Wirtschaftsjahre vor Konkurseröffnung noch zugewiesen werden müßten, auch wenn die Bilanz bei Konkurseröffnung noch nicht aufgestellt sei. Dem kann - wie unter 2. dargestellt - in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Vielmehr ist für den Streitfall gesondert zu prüfen, ob aus der zwischen Bilanzstichtag und Tag der Bilanzerstellung eingetretenen Eröffnung des Konkursverfahrens Erkenntnisse dafür gewonnen werden können, ob schon zum Bilanzstichtag nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung feststand, daßmit einem Ausgleich der für das Streitjahr in Betracht kommenden Verlustanteile mit künftig zu erwartenden Gewinnanteilen der Kommanditisten nicht mehr zu rechnen war. Das FG hat hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die dem erkennenden Senat eine abschließende Entscheidung ermöglichen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben; die Sache ist nicht spruchreif. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung des FG kann von Bedeutung sein, ob zwischen Bilanzstichtag und Konkurseröffnung Entwicklungen eingetreten sind, die als Erhellung der Verhältnisse am Bilanzstichtag gewertet werden können. Ferner wird das FG erforderlichenfalls prüfen müssen, welche Folgerungen sich aus der (allerdings zu einem späteren Zeitpunkt und nicht aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung erstellten, aber - wie das FG durch Bezugnahme festgestellt hat - vom FA als Schätzungsgrundlage anerkannten) Bilanz auf den 31. Dezember 1970 ergeben. Dabei können die Aussichten aus der Verwertung der aktivierten Wirtschaftsgüter einerseits und die Höhe der Schulden andererseits von Bedeutung sein.
Fundstellen
Haufe-Index 74284 |
BStBl II 1982, 474 |
BFHE 1982, 271 |