Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unter Fremden: Abgrenzung zum entgeltlichen Anschaffungsvorgang, widerlegbare Vermutung der Entgeltlichkeit, Anhaltspunkte für Widerlegung der Vermutung - Einkünfteerzielung bei Vorbehaltsnießbrauch
Leitsatz (amtlich)
Eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist mit steuerrechtlicher Wirkung grundsätzlich auch unter Fremden möglich.
Orientierungssatz
1. Wird bei der Übertragung eines Grundstücks gleichzeitig ein Nießbrauchrecht für den bisherigen Eigentümer bestellt --hier als Sicherungsfunktion--, so verwirklicht der neue Eigentümer, dem der Nießbraucher die Ausübung des Nießbrauchs überlassen hat, den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn er tatsächlich anstelle des Nießbrauchers in ein Mietverhältnis eintritt und die Rechte und Pflichten daraus übernimmt (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Versorgungsleistungen aus einer Vermögensübergabe sind generell den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben zuzurechnen, ohne im Einzelfall zu prüfen, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Leibgedinges erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 5.7.1990 GrS 4-6/89).
3. Ob die Übertragung eines Mietwohngebäudes gegen wiederkehrende Leistungen unter Fremden als entgeltlicher Leistungsaustausch oder als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu beurteilen ist, hängt davon ab, inwieweit die Versorgungszusage im Rahmen des Austausches von als gleichwertig angesehenen Leistungen erteilt wird, oder ob der Übernehmer nach dem Willen der Beteiligten wenigstens teilweise eine Zuwendung erhalten soll und sich die Übergabe damit auch als Schenkung darstellt, ob die Versorgungsleistungen nach dem Wert der Gegenleistung, oder aber nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen worden sind. Maßgebend sind insoweit die Vorstellungen des Erwerbers (vgl. BFH-Urteil vom 9.2.1994 IX R 110/90).
4. Unter Fremden besteht die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, daß bei der Übertragung von Vermögen Leistung und Gegenleistung kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind, es sich mithin um ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft handelt.
5. Eine steuerrechtlich anzuerkennende Vermögensübergabe unter Fremden kann gegeben sein, wenn der Übernehmer aufgrund besonderer persönlicher (insbesondere familienähnlicher) Beziehungen zum Übergeber ein persönliches Interesse an der lebenslangen angemessenen Versorgung des Übergebers hat oder bei einem Fehlen der persönlichen Beziehung der Vertragsparteien, aus anderen Beweisanzeichen eindeutig zu entnehmen ist, daß die Vertragsbedingungen allein nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers und der Leistungsfähigkeit des Übernehmers vereinbart worden sind. Dabei ist die unter Fremden geltende Vermutung für einen entgeltlichen Leistungsaustausch um so leichter zu widerlegen, je weiter der Wert des übertragenen Vermögens und der Barwert der wiederkehrenden Leistungen voneinander abweichen.
6. Übersteigen bei der Übertragung von Vermögen unter Fremden die Versorgungsleistungen --aus der Sicht zum Zeitpunkt der Übertragung-- auf Dauer die erzielbaren Erträge, spricht dies gegen die Vermutung, daß bei der Übertragung von Vermögen unter Fremden Leistung und Gegenleistung kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagten (Kläger) erwarben mit notariellem "Übertragungsvertrag" ein viergeschossiges Mietwohngebäude von der damals 78 Jahre alten, alleinstehenden Frau B, die im Erdgeschoß des Gebäudes wohnte. Frau B ist mit den Klägern nicht verwandt oder verschwägert, hat diese aber --einem im Klageverfahren eingereichten handschriftlichen Testament zufolge-- als ihre alleinigen Erben eingesetzt. Der Kläger ist ihr langjähriger Steuerberater. Nach dem Übertragungsvertrag sollte Frau B ab 1. Juli 1981 auf Lebenszeit an dem übertragenen Gebäude der Nießbrauch zustehen, dessen Jahreswert mit ca. 15 000 DM angegeben wurde. Ferner war vereinbart, daß Frau B im Laufe des Jahres 1981 in ein Altenheim aufgenommen werde. Die dadurch entstehenden Kosten sollten in erster Linie aus den mit dem übertragenen Gebäude erzielten Einnahmen aufgebracht werden. Die Kläger verpflichteten sich, den nicht aus den "Hauseinnahmen" zu deckenden Mehrbetrag der Heimkosten, den die Vertragsparteien damals mit 300 DM monatlich ansetzten, zu übernehmen und Frau B außerdem zur Bestreitung ihrer persönlichen Ausgaben einen angemessenen Betrag (damals 200 DM monatlich) ab Aufnahme ins Altenheim zu zahlen. Nach Abschluß des Übertragungsvertrages zog Frau B aus dem Haus aus. Für die Zeit bis zu ihrer Aufnahme ins Altenheim (Dezember 1981) trugen die Kläger die Kosten einer angemieteten Übergangswohnung, die sie mit 5 727 DM beziffern.
Bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung machten die Kläger für das übertragene Gebäude Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend. Für die Errechnung der Anschaffungskosten legten sie einen Kaufpreis von 110 208 DM zugrunde (Jahreswert des Nießbrauchs 15 000 DM zuzüglich Zahlungsverpflichtung von 6 000 DM, insgesamt also 21 000 DM, multipliziert mit 5,248 gemäß § 14 des Bewertungsgesetzes --BewG-- i.V.m. Anlage 9). Ferner begehrten sie, für den Nießbrauch einen Betrag in Höhe des anteiligen Jahreswerts für sieben Monate (8 750 DM) abzuziehen, und zwar zunächst als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), im Einspruchsverfahren dagegen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Die Kosten der Übergangswohnung (5 727 DM) machten die Kläger in ergänzender Auslegung des Übertragungsvertrages als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geltend.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das Finanzamt --FA--), dessen Bausachverständiger den Verkehrswert des übertragenen Mietwohngrundstücks auf 170 000 DM bezifferte, änderte --insoweit einvernehmlich mit den Klägern-- die jeweils auf das Gebäude und auf Grund und Boden entfallenden Anteile der Anschaffungskosten, zog jedoch die als Sonderausgaben (dauernde Lasten) geltend gemachten Beträge von (8 750 DM + 5 727 DM =) 14 477 DM weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur in geringem Umfang statt. Die Kläger hätten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem übertragenen Haus erzielt, weil der Nießbrauch für Frau B nur eine Sicherungsfunktion erfüllt habe. Die Zahlungen an Frau B seien nicht in vollem Umfang als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abzuziehen und auch nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu berücksichtigen. Im Streitfall seien die Grundsätze der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht anwendbar. Eine Vermögensübergabe im Generationenverbund liege nur vor, wenn der Vermögensübernehmer wenigstens potentiell gesetzlich erbberechtigt sei. Der Übertragungsvertrag zwischen den Klägern und Frau B sei danach als entgeltliches Anschaffungsgeschäft zu beurteilen. Die als Entgelt vereinbarten wiederkehrenden Leistungen, deren Barwert das FG mit 136 448 DM bezifferte, seien in einen Zins- und einen Tilgungsanteil aufzuteilen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Im Streitfall liege eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vor, die auch unter Fremden möglich sei. Frau B sei nicht mehr in der Lage gewesen, das Haus selbst zu bewirtschaften. Sie habe für die Vermögensübernahme entsprechend der testamentarischen Erbfolge sie --die Kläger-- als Vertrauenspersonen ausgewählt, weil sie die Gewähr dafür geboten hätten, das Haus weiter zu bewirtschaften und daraus die Versorgung von Frau B sicherzustellen. Aufgrund einer 21jährigen Bekanntschaft habe eine besondere Beziehung zu der Übergeberin als Nachbarin und "Nenntante" bestanden. Die Leistungen an Frau B seien nach deren Bedürfnissen bemessen worden und nicht nach dem Wert des übertragenen Vermögens. In den Folgejahren hätten die Erträge aus der Vermietung des Hauses die Versorgungsleistungen in vollem Umfang gedeckt und sogar geringfügig überstiegen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1981 unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben, hilfsweise weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, von insgesamt 14 477 DM --nach entsprechender AfA-Berichtigung-- herabzusetzen.
Das FA, das die von ihm zunächst eingelegte Revision wieder zurückgenommen hat, beantragt, die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.
Eine Vermögensübergabe unter Fremden setze ein besonderes Näheverhältnis voraus, das den Versorgungszweck des Vertrages begründe. Dafür reiche eine rein geschäftliche Beziehung wie die Tätigkeit des Klägers als langjähriger Steuerberater nicht aus. Die unter Fremden geltende Vermutung für einen entgeltlichen Leistungsaustausch sei nicht widerlegt.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und hat wie folgt Stellung genommen: Empfänger einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen könnten grundsätzlich nur Abkömmlinge oder gesetzlich erbberechtigte entferntere Verwandte sein. Zwischen Nichtverwandten sei eine solche Vermögensübergabe nur in Ausnahmefällen anzuerkennen. Wenn gesetzliche Erben fehlten, komme eine Vermögensübergabe auch an nahestehende Dritte in Betracht. Nahestehen in diesem Sinne könnten sich nur Personen, zwischen denen familienähnliche persönliche Beziehungen bestehen, wie etwa gegenüber nichtehelichen Kindern oder zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und deren Kindern.
Eine Vermögensübergabe bestehe in der Übertragung einer teilweise existenzsichernden Wirtschaftseinheit. Diese müsse ihrer Natur nach ertragbringend sein. Die Deckung der Versorgungsleistungen aus den Erträgen sei eine idealtypische Vorstellung, nicht aber zwingende Voraussetzung einer Vermögensübergabe. Reichten die Erträge nicht aus, um die wiederkehrenden Leistungen zu erbringen, liege gleichwohl eine Vermögensübergabe vor, wenn der Wert des übertragenen Vermögens bei überschlägiger und großzügiger Berechnung mindestens die Hälfte des Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistungen betrage. Diese 50 v.H.-Grenze, die der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, 239 f., BStBl II 1992, 78) zur Abgrenzung der nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbaren Versorgungsleistungen von den nach § 12 EStG nicht abziehbaren Unterhaltsleistungen herangezogen habe, sei darüber hinaus für die Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen "typusbegründend".
Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat mit unzutreffender Begründung die Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zwischen den Klägern und Frau B verneint.
1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Kläger im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem übertragenen Grundstück erzielt haben. Den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG verwirklicht auch der Eigentümer, dem der Nießbraucher die Ausübung des Nießbrauchs überlassen hat, wenn er tatsächlich anstelle des Nießbrauchers in das Mietverhältnis eintritt und die Rechte und Pflichten daraus übernimmt (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 X R 130/90, BFH/NV 1992, 807; ferner Senatsurteile vom 15. April 1986 IX R 52/83, BFHE 146, 415, BStBl II 1986, 605; vom 14. März 1989 IX R 107/85, BFH/NV 1989, 694; vom 8. März 1994 IX R 37/90, BFH/NV 1994, 868). Diese Voraussetzungen sind nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG erfüllt. Die Auslegung eines Vertrags obliegt, soweit es um die Aufhellung des Willens der Vertragsparteien geht, dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Urteil vom 6. Februar 1985 I R 80/81, BFHE 143, 426, BStBl II 1985, 420). Das FG hat den Übertragungsvertrag dahin gewürdigt, der Nießbrauch habe für Frau B lediglich Sicherungsfunktion gehabt; es sei Aufgabe der Kläger gewesen, anstelle von Frau B das Grundstück weiter zu vermieten. Diese Würdigung ist möglich und gemäß § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend.
2. Zutreffend ist ferner die Auffassung des FG, daß dann, wenn der Übertragungsvertrag zwischen den Klägern und Frau B nicht als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, sondern als entgeltliches Anschaffungsgeschäft zu beurteilen ist, in Höhe des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen (§ 14 BewG i.V.m. Anlage 9) Anschaffungskosten vorliegen und lediglich die in den wiederkehrenden Zahlungen enthaltenen Zinsanteile nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abziehbar sind. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil vom 9. Februar 1994 IX R 110/90 (BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47).
3. Zu Unrecht hat das FG jedoch im Streitfall die Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen allein deshalb verneint, weil die Kläger nicht potentielle gesetzliche Erben der Übergeberin sind.
a) Eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist mit steuerrechtlicher Wirkung grundsätzlich auch unter Fremden möglich (ebenso Fischer, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 22 Rdnr. B 289 --unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 5. März 1964 IV 417/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 416, 417--; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 10 EStG Rn. 40a). Der Große Senat des BFH hat dieses steuerrechtliche Rechtsinstitut in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung aus dem Recht der zivilrechtlichen Übergabeverträge hergeleitet. Danach besteht die Besonderheit eines Übergabevertrages darin, daß er der folgenden Generation unter Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil sichert (Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. a). Eine solche Übergabe findet in aller Regel zwar unter Angehörigen statt, ist aber unter Fremden nicht ausgeschlossen. Ebenso wie der Steuerpflichtige nach dem Grundsatz der Testierfreiheit (§ 2302 des Bürgerlichen Gesetzbuches; Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) einen Fremden als Erben einsetzen kann, kann er sein Vermögen in vorweggenommener Erbfolge an einen Fremden gegen die Zusage lebenslanger Versorgung übergeben. Es gibt keinen rechtfertigenden Grund, steuerrechtlich hiervon abzuweichen und die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen steuerrechtlich auf Vereinbarungen unter Angehörigen zu beschränken. Dies gilt um so mehr, als der Große Senat des BFH die steuerrechtlichen Voraussetzungen der Vermögensübergabe weiter gefaßt hat als vom Zivilrecht vorgegeben; danach sind Versorgungsleistungen aus einer Vermögensübergabe generell den wiederkehrenden Bezügen und Sonderausgaben zuzurechnen, ohne im Einzelfall zu prüfen, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Leibgedinges erfüllt sind (Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. c).
Mit dieser Beurteilung weicht der erkennende Senat nicht von dem Urteil des X. Senats vom 27. November 1996 X R 85/94 (BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284) ab, nach dem ein dem zivilrechtlichen Typus des Altenteilsvertrages vergleichbarer Versorgungsvertrag dadurch gekennzeichnet ist, daß er einen bereits bestehenden familienrechtlichen Unterhaltsanspruch der Höhe nach festlegt. Diese Ausführungen betrafen die Abgrenzung von Leibrente und dauernder Last, nicht aber die steuerrechtlichen Voraussetzungen einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.
b) Ob die Übertragung eines Mietwohngebäudes gegen wiederkehrende Leistungen unter Fremden als entgeltlicher Leistungsaustausch (Anschaffungsvorgang) oder als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu beurteilen ist, hängt davon ab, ob die Versorgungszusage im Rahmen des Austausches von als gleichwertig angesehenen Leistungen erteilt wird, oder ob der Übernehmer nach dem Willen der Beteiligten wenigstens teilweise eine Zuwendung erhalten soll und sich die Übergabe damit auch als Schenkung darstellt (Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. II. 1. a), ob die Versorgungsleistungen nach dem Wert der Gegenleistung, oder aber nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen worden sind (Beschluß in BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78 unter C. II. 4. b). Maßgebend sind insoweit die Vorstellungen des Erwerbers. Für den Empfänger der wiederkehrenden Leistungen ist regelmäßig das Versorgungsbedürfnis bestimmend; es bildet für ihn auch bei einem entgeltlichen Leistungsaustausch das Motiv der Veräußerung (Senatsurteil in BFHE 175, 212, 214, BStBl II 1995, 47).
c) Zur Abgrenzung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unter Fremden von einem entgeltlichen Anschaffungsgeschäft ist die nach ständiger Rechtsprechung maßgebende und vom Großen Senat des BFH bestätigte Vermutung, nach der eine Vermögensübertragung auf Abkömmlinge auf familiären Gründen beruht (Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. I.; BFH-Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 6/87, BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526), umzukehren: Unter Fremden besteht danach die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, daß bei der Übertragung von Vermögen Leistung und Gegenleistung kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind, es sich mithin um ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft handelt.
aa) Diese für die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs sprechende Vermutung kann zum Beispiel dann widerlegt sein, wenn der Übernehmer aufgrund besonderer persönlicher (insbesondere familienähnlicher) Beziehungen zum Übergeber ein persönliches Interesse an der lebenslangen angemessenen Versorgung des Übergebers hat.
bb) Eine steuerrechtlich anzuerkennende Vermögensübergabe unter Fremden kann aber auch dann gegeben sein, wenn es zwar an einer persönlichen Beziehung der Vertragsparteien fehlt, aber aus anderen Beweisanzeichen eindeutig zu entnehmen ist, daß die Vertragsbedingungen nicht in Abwägung von Leistung und Gegenleistung, sondern allein nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers und der Leistungsfähigkeit des Übernehmers vereinbart worden sind. Dies ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die Aufgabe der FG als Tatsacheninstanz ist.
Insoweit kann sich ein Anhaltspunkt auch aus einem Vergleich des Werts des übergebenen Vermögens mit dem Barwert der zugesagten wiederkehrenden Leistungen ergeben (vgl. zu objektiv gleichwertigen Leistungen BFH-Urteil vom 27. August 1997 X R 54/94, BStBl II 1997, 813, unter 5. a; zu lediglich subjektiv als gleichwertig angesehenen Leistungen BFH-Urteil vom 16. Dezember 1993 X R 67/92, BFHE 173, 152, 156, BStBl II 1996, 669). Die unter Fremden geltende Vermutung für einen entgeltlichen Leistungsaustausch ist um so leichter zu widerlegen, je weiter der Wert des übertragenen Grundstücks und der Barwert der wiederkehrenden Leistungen voneinander abweichen.
Ein weiterer Anhaltspunkt kann sich daraus ergeben, inwieweit die zugesagten Versorgungsleistungen aus dem übertragenen Grundstück zu erwirtschaften sind. Übersteigen die Versorgungsleistungen --aus der Sicht zum Zeitpunkt der Übertragung-- auf Dauer die erzielbaren Erträge, spricht dies dafür, daß der Übergeber nicht nur aus dem Grundstück versorgt werden, sondern darüber hinaus ein Entgelt für die Übertragung erhalten soll. Danach scheidet eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen jedenfalls aus, wenn es sich aufgrund der Höhe der vereinbarten wiederkehrenden Leistungen schlechterdings nicht um Versorgungsleistungen handeln kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 86, 89, BStBl II 1992, 526), oder wenn der Übertragende nach der Übertragung eines Hauses offensichtlich mehr an Barmitteln zur Verfügung hat als er zuvor aus der Vermietung des Hauses hatte erwirtschaften können (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1993 X R 123/90, BFH/NV 1994, 704; Senatsurteil vom 27. August 1996 IX R 86/93, BFHE 181, 175, BStBl II 1997, 47).
4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird nach den vorstehenden Maßstäben zu prüfen haben, ob im Streitfall die für ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft sprechende Vermutung widerlegt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 66899 |
BFH/NV 1998, 788 |
BFH/NV 1998, 788-789 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 718 |
BFHE 185, 208 |
BFHE 1998, 208 |
BB 1998, 1293 |
BB 1998, 630 |
DB 1998, 600 |
DStR 1998, 484 |
DStRE 1998, 303 |
DStRE 1998, 303 (Leitsatz) |
HFR 1998, 356 |
StE 1998, 164 |
WPg 1998, 470 |
WPg 1998, 470-472 (Leitsatz und Gründe) |
StRK, R.66 (Leitsatz und Gründe) |
FR 1998, 605 |
FR 1998, 605-607 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0145450 |
NJW 1998, 1510 |
SteuerBriefe 1998, 573 |
SteuerBriefe 1998, 9 |
GStB 1998, Beilage zu Nr 4 (Leitsatz) |
KFR, 2/98, S 291-292 (H 9/1998) (Leitsatz und Gründe) |
NWB 1999, 3112 |
BetrAV 1998, 227 (Leitsatz) |
Erbinfo 1998, Nr 4, 6-7 (Leitsatz und Gründe) |
MittBayNot 1999, 101-103 (Leitsatz und Gründe) |
NJWE-FER 1998, 166 (Leitsatz) |
NZM 1998, 416 |
NZM 1998, 416 (Leitsatz) |
ZEV 1998, 153-155 (Leitsatz und Gründe) |
stak 1998 |