Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld bei mehreren Berechtigten; keine Beiladung möglicher Berechtigter; Ablehnung der Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen ausreichend
Leitsatz (NV)
- Zieht ein 17-jähriges Kind unbefristet aus der Wohnung der Mutter weg zu einer dritten Person und zahlt die Mutter keine Unterhaltsrente, verliert sie unabhängig von ihrem fortbestehenden zivilrechtlichen Sorgerecht ihren Kindergeldanspruch, wenn das Kind entweder in den Haushalt der dritten Person aufgenommen ist oder der Vater eine Unterhaltsrente zahlt.
- Unterhaltsrente i.S. des § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG ist nur der laufende Barunterhalt und sind keine Sach- und Betreuungsleistungen.
- Zu dem Klageverfahren wegen Rückforderung des Kindergeldes für die Zeit nach dem Auszug des Kindes aus der Wohnung der Mutter sind weder die dritte Person (als mögliche Pflegemutter) noch der leibliche Vater (als Barunterhaltszahler) als weitere mögliche Anspruchsberechtigte nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen.
- Es begründet keinen Verfahrensfehler des FG, dass es die Anregung eines Beteiligten, die Revision zuzulassen, nicht im Urteilstenor, sondern nur in den Entscheidungsgründen ablehnt.
Normenkette
EStG §§ 64, 70 Abs. 2; FGO § 60 Abs. 3, § 76 Abs. 2, § 96 Abs. 1 S. 2, § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat einen im September 1979 geborenen Sohn. Ihr stand für den streitigen Zeitraum von November 1996 bis Juni 1997 das Sorgerecht für ihren Sohn zu. Sie erhielt mit dem Einverständnis des Vaters des Sohnes, ihres geschiedenen Ehemannes, bis einschließlich Juni 1997 Kindergeld. Der Vater zahlte Unterhalt für seinen Sohn.
Der Sohn verließ ab 1. November 1996 die Wohnung der Klägerin gegen deren Willen und zog zu einer Tante. Die persönlichen, familiären Kontakte des Kindes zu seinen Eltern und umgekehrt waren insoweit abgebrochen, als jegliche gegenseitige Besuche entfielen.
Eine Zivilklage des Sohnes gegen seine Mutter auf Zahlung von Barunterhalt wurde durch Vergleich vom 8. Oktober 1997 in der Weise beendet, dass sich die Klägerin verpflichtete, ab Oktober 1997 monatlichen Unterhalt in Höhe von 315 DM zu Händen der Tante zu zahlen.
Nachdem dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter) bekannt geworden war, dass der Sohn nicht mehr im Haushalt der Klägerin lebt, hob er gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Bescheid vom 15. September 1997 die Festsetzung von Kindergeld für die Monate November 1996 bis Juni 1997 auf und forderte gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) das bezahlte Kindergeld zurück. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, dass zwar die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG erfüllt seien. Nach § 64 Abs. 1 EStG werde das Kindergeld bei mehreren Berechtigten jedoch nicht aufgeteilt, sondern nur einem Berechtigten gezahlt. Sei das Kind in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, erhalte dieser das Kindergeld (§ 64 Abs. 2 EStG). Sei das Kind nicht in einen Haushalt aufgenommen, erhalte derjenige das Kindergeld, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahle (§ 64 Abs. 3 EStG). Im Streitfall könne offen bleiben, ob das Kindergeld der Tante als der Anspruchsberechtigten für ein Pflegekind (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG) oder dem Vater wegen der Barunterhaltsgewährung (§ 64 Abs. 3 Satz 1 EStG) zustehe. Jedenfalls stehe das Kindergeld nicht der Klägerin zu. Der Verzicht eines Berechtigten sei unerheblich, weil er für die im Streitfall in Betracht kommenden Fälle nicht vorgesehen sei. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung des Vaters und der Tante nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) lägen nicht vor. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1656 veröffentlicht.
Den fristgerechten Antrag der Klägerin, den Tatbestand des Urteils u.a. dahin zu berichtigen, dass sie ihren Sohn auch nach dem 1. November 1996 mit Wäsche versorgt, ihm Kleidung gekauft, Kontakte mit ihm wegen des Besuchs der Schule gehabt und Probleme eines Krankenhausaufenthaltes geklärt habe und dass ab November 1996 die Tante das Kindergeld erhalten habe, hat das FG mit Beschluss vom 22. September 1998 abgelehnt. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass für die beantragten "Berichtigungen" und Ergänzungen kein Rechtsschutzinteresse bestehe, da sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet seien, die Entscheidung zu beeinflussen.
Die Klägerin rügt mit ihrer vom Bundesfinanzhof zugelassenen Revision eine Verletzung der §§ 118, 119 Nr. 3 FGO sowie die Nichtbeiladung von Beteiligten, einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht und das Recht auf Gehör. Sie beanstandet außerdem, dass das FG ihren Hilfsantrag auf Zulassung der Revision nicht im Tenor des Urteils beschieden habe.
Sie beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid des Beklagten vom 15. September 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Klägerin im streitigen Zeitraum von November 1996 bis Juni 1997 kein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld zugestanden hat und der Beklagte berechtigt war, die Festsetzung des Kindergeldes für diesen Zeitraum gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG auch keine Verfahrensfehler begangen.
1. Es stellt keinen Mangel des angefochtenen Urteils dar, dass das FG das Begehren der Klägerin, hilfsweise die Revision zuzulassen, nicht im Tenor des Urteils, sondern nur in den Entscheidungsgründen beschieden hat. Es handelt sich bei der Entscheidung des FG, ob es die Revision zulässt, um eine prozessuale, in der eigentlichen Streitsache neutrale Nebenentscheidung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. April 1970 VII R 88/68, BFHE 99, 107, BStBl II 1970, 573; BFH-Beschluss vom 16. Juli 1986 I R 169/85, BFH/NV 1987, 386). Über die Zulassung der Revision hat das FG gemäß § 115 Abs. 1 FGO unabhängig von Anträgen der Beteiligten von Amts wegen zu entscheiden (BFH-Urteil vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139). Beantragt ein Beteiligter ausdrücklich hilfsweise die Zulassung der Revision, handelt es sich dabei nicht um einen Antrag i.S. der §§ 76 Abs. 2, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, sondern lediglich um eine Anregung an das Gericht, die ihm von Amts wegen obliegende Entscheidung in dem gewünschten Sinne zu treffen. Auch wenn die Entscheidung, die Revision zuzulassen, wegen der erforderlichen Rechtsklarheit in die Urteilsformel aufgenommen werden sollte, genügt es, wenn die Zulassung in den Urteilsgründen ausgesprochen wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1987, 386; BFH-Urteil vom 4. Mai 1993 VII R 119/92, BFH/NV 1994, 594). Enthält eine Entscheidung des FG weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen einen Ausspruch über die Zulassung der Revision, ist dies kein Verfahrensfehler, sondern bedeutet, dass sie versagt ist (BFH-Beschluss vom 28. Juli 1977 IV R 127/76, BFHE 123, 117, BStBl II 1977, 819, unter 3. der Gründe). Dies gilt erst recht, wenn das FG ―wie im Streitfall― in den Entscheidungsgründen ausdrücklich ausführt, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht erfüllt seien.
2. Die Klägerin rügt auch zu Unrecht, das FG habe den Vater und die Tante ihres Sohnes notwendig zum Verfahren beiladen müssen. Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH liegt bei einem Streit zur Klärung der Konkurrenzsituation des § 64 EStG kein Fall der notwendigen Beiladung vor, weil die Entscheidung des FG nicht unmittelbar die Rechte des anderen Elternteils berührt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. September 2001 VI B 153/01, BFH/NV 2002, 160; vom 4. Juli 2001 VI B 301/98, BFHE 195, 50, BStBl II 2001, 729). Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Er hat mit Beschluss vom 16. April 2002 VIII B 171/01 (BFHE 198, 300, BStBl II 2002, 578) entschieden, dass bei der Klage eines Elternteils mit dem Ziel, ihm das Kindergeld zu gewähren, der andere Elternteil selbst dann nicht notwendig zum Verfahren beizuladen ist, wenn er bei Stattgabe der Klage das bisher zu seinen Gunsten festgesetzte Kindergeld verliert. Er hat den Umstand, dass die Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des einen Elternteils Auswirkungen für den anderen Elternteil haben werde, nicht als ausreichenden sachlogischen und verfahrensrechtlichen Zusammenhang angesehen, weil die Entscheidung des FG gegenüber dem einen Elternteil nicht ―wie § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO dies voraussetzt― unmittelbar in die Rechtssphäre des anderen Elternteils eingreift. Es sei Sache der Verwaltung, diesem gegenüber bei Erfolg der Klage durch Aufhebung der Kindergeldfestsetzung die materiell-rechtlich zutreffende Rechtslage herzustellen. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
Danach lagen im Streitfall die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung nicht vor. Denn die Entscheidung über den mit der vorliegenden Klage angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid greift nicht unmittelbar gestaltend in die Rechtssphäre des Vaters oder der Tante des Sohnes der Klägerin ein.
3. Das FG hat rechts- und verfahrensfehlerfrei entschieden, dass der Klägerin für den umstrittenen Zeitraum von November 1996 bis Juni 1997 kein Anspruch auf Kindergeld zugestanden hat.
a) Es ist unstreitig, dass die Klägerin für ihren Sohn "Berechtigte" i.S. der §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist. Es ist ferner unbestritten, dass auch der Vater des Sohnes der Klägerin im Inland wohnt und damit nach den zitierten Vorschriften kindergeldberechtigt ist. Ob der Sohn der Klägerin hingegen ein Pflegekind seiner Tante i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG und diese damit für den Sohn ebenfalls "Berechtigte" i.S. der §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, ist zwischen den Prozessbeteiligten umstritten und vom FG nicht abschließend geklärt worden.
Da aber auf jeden Fall der Vater und damit mehr als eine Person nach den §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG für den Sohn der Klägerin kindergeldberechtigt ist und da nach § 64 Abs. 1 EStG für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird, ist nach den Regeln, die in § 64 Abs. 2 und 3 EStG für dieses Konkurrenzverhältnis aufgestellt sind, zu entscheiden, ob das Kindergeld an die Klägerin zu zahlen war. Dies hat das FG zutreffend verneint.
b) Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Eine Haushaltsaufnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt u.a. voraus, dass das Kind in diesem Haushalt wohnt und dort versorgt und betreut wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 VI R 224/98, BFHE 195, 564, BStBl II 2001, 713).
Das für eine Haushaltsaufnahme erforderliche Merkmal des örtlichen Bezugs zur Wohnung des Berechtigten ist trotz einer auswärtigen Unterbringung des Kindes dann noch gegeben, wenn die Aufenthalte des Kindes in der Wohnung einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und nicht nur als bloße Besuche zu werten sind (BFH-Urteil vom 14. November 2001 X R 24/99, BFHE 197, 296, BStBl II 2002, 244; Urteil des Bundesozialgerichts ―BSG― vom 8. Dezember 1993 10 Rkg 8/92, SozR 3-5870, § 2 des Bundeskindergeldgesetzes Nr. 22). Auch ein vorübergehender Aufenthalt des Kindes außerhalb der Wohnung mit Einwilligung des Berechtigten steht der Annahme einer Haushaltszugehörigkeit nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 197, 296, BStBl II 2002, 244).
Im Streitfall ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG der Sohn nicht nur vorübergehend, d.h. für einen von vornherein befristeten Zeitraum, z.B. für eine bestimmte Ausbildungsmaßnahme, aus der Wohnung der Klägerin ausgezogen, sondern er ist auf unbestimmte Zeit zu seiner Tante gezogen. Das FG hat außerdem festgestellt, dass ab dem 1. November 1996 jegliche gegenseitigen Besuche zwischen den Eltern und ihrem Sohn entfallen seien. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, da die Klägerin gegen sie keine zulässigen und begründeten Rügen erhoben hat (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat weder in ihrem Antrag auf Tatbestandsberichtigung noch im Revisionsverfahren behauptet, dass sich ihr Sohn seit dem 1. November 1996 noch in ihrer Wohnung aufgehalten habe. Da es somit an dem für eine Haushaltsaufnahme zwingend erforderlichen örtlichen Bezug des Sohnes zur Wohnung seiner Mutter gemangelt hat, war das Kindergeld nicht gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an die Klägerin zu zahlen.
c) Würde man bejahen, dass die Tante den Sohn der Klägerin in ihren Haushalt aufgenommen hat, und würde man weiter annehmen, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr bestanden und die Tante einen nicht unwesentlichen Teil der Unterhaltskosten für den Sohn getragen hat (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG), dann wäre das Kindergeld gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an die Tante auszuzahlen. Für diese Rechtsfolge hat das FG den von der Klägerin beanstandeten Begriff verwendet, dass die Kindergeldberechtigung der Klägerin durch den Anspruch eines anderen Berechtigten "überlagert" sei. Ob diese Rechtsfolge treffender damit umschrieben worden wäre, dass die Berechtigung der Klägerin durch diejenige der Tante "verdrängt" werde, kann der Senat offen lassen. Entscheidend ist, dass die Auffassung des FG zutrifft, dass der Klägerin kein Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes zustünde, wenn eine andere Person nach den §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG kindergeldberechtigt wäre und den Sohn in ihren Haushalt aufgenommen hätte. Es ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht rechtsfehlerhaft, dass das FG die Frage, ob die Tante kindergeldberechtigt gewesen sei, nicht abschließend entschieden, sondern offen gelassen hat. Denn selbst wenn das Kindergeld nicht an die Tante auszuzahlen wäre, könnte die Klage keinen Erfolg haben. Denn dann stünde das Kindergeld nach zutreffender Ansicht der Vorinstanz nicht der Klägerin, sondern dem Vater des Sohnes zu.
d) Nach § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG erhält dann, wenn das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen ist, das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Dies war im Streitfall allein der Vater des Sohnes der Klägerin.
Unterstellt man, dass die Tante nicht kindergeldberechtigt war, dann wäre der Sohn nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen. Denn er war ―wie oben dargelegt― nicht in den Haushalt der Klägerin und unstreitig auch nicht in den Haushalt seines Vaters aufgenommen. Nach den weiteren tatsächlichen Feststellungen des FG hat der Vater eine Unterhaltsrente gezahlt. Unter Unterhaltsrente ist der laufende Barunterhalt i.S. des § 1612 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verstehen. Etwaige Sach- oder Betreuungsleistungen bleiben außer Betracht (vgl. Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, § 64 Rz. 12).
Im Streitfall hat die Klägerin keine Unterhaltsrente gezahlt. Denn das FG hat nicht festgestellt und die Klägerin hat auch nicht behauptet, laufend Geldzahlungen an oder für ihren Sohn an einen Dritten geleistet zu haben. Da Sach- und Betreuungsleistungen nicht den Tatbestand des § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllen, ist es für die Entscheidung nicht erheblich, ob und ggf. welche derartige Leistungen die Klägerin nach dem Wegzug ihres Sohnes für diesen erbracht hat. Ein für die Entscheidung nicht erhebliches Vorbringen musste das FG nicht berücksichtigen. Deshalb begründet es entgegen der Rüge der Klägerin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) und auch keinen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), wenn das FG dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin nicht weiter nachgegangen ist.
e) Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des FG der Vater des Sohnes der Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin zugestimmt hatte. Denn die Entscheidung, an welchen der mehreren Berechtigten das Kindergeld gezahlt wird, richtet sich nach den in § 64 Abs. 2 und 3 EStG für das Konkurrenzverhältnis getroffenen Regelungen und kann nur dann einvernehmlich zwischen mehreren Berechtigten getroffen werden, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Eine einvernehmliche Bestimmung, an wen das Kindergeld gezahlt werden soll, ist bei fehlender Aufnahme in den Haushalt eines Berechtigten in § 64 Abs. 3 Satz 3 EStG aber nur für den Sachverhalt vorgesehen, dass von den Berechtigten gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt werden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
4. Der Beklagte war auch gemäß § 70 Abs. 2 EStG befugt, die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab November 1996 aufzuheben. Die Tatsache, dass der Sohn aus der Wohnung der Klägerin ausgezogen und seitdem nicht mehr in den Haushalt der Klägerin aufgenommen war, war eine Änderung der Verhältnisse, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, unter II.1.c der Gründe; vom 9. April 2001 VI B 271/00, BFH/NV 2001, 1254). Dabei versteht der Senat die tatbestandliche Feststellung, der Sohn habe die Wohnung der Klägerin "ab 1.11.1996" verlassen, dahin, dass sich der Sohn an diesem Tag bereits zu keinem Zeitpunkt mehr in dem Haushalt seiner Mutter aufgehalten hat. Denn nur bei diesem Sachverhalt stand der Klägerin das Kindergeld bereits für den Monat November 1996 nicht mehr zu (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 64.4 Abs. 3, BStBl I 1998, 386, 389, 442).
5. Der Senat hat es trotz des Verzichts auf mündliche Verhandlung für zweckmäßig gehalten, durch Gerichtsbescheid (§ 90a Abs. 1 FGO) zu entscheiden, um den Beteiligten rechtliches Gehör zu der Frage zu gewähren, ob sich der Sohn der Klägerin am 1. November 1996 noch zeitweise in ihrem Haushalt aufgehalten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1147767 |
BFH/NV 2004, 934 |