Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung des Handels vom verarbeitenden Gewerbe
Leitsatz (NV)
1. Für die Bestimmung der Branchenzugehörigkeit eines Betriebes mit Betriebsstätten innerhalb und außerhalb des Fördergebietes gilt die Gesamtheit aller Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb.
2. Die Zuordnung eines Mischbetriebes zum Handel oder zum verarbeitenden Gewerbe hängt davon ab, welche Tätigkeit überwiegt; dies ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Wertschöpfungsanteile zu beurteilen.
3. Der Vertrieb selbst hergestellter oder bearbeiteter Waren ist kein von der Förderung ausgeschlossener Handel, sondern dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen.
4. Außendienstmitarbeiter - und die von ihnen erbrachte Wertschöpfung - sind derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, mit der sie überwiegend betrieblich verbunden sind; dies ist i.d.R. diejenige, von der aus die auswärtigen Tätigkeiten begonnen und geleitet werden oder in der sie ihr Büro haben.
5. Von einer Betriebsstätte erzielte Umsätze können dieser auch dann zugerechnet werden, wenn sie buchhalterisch nur für eine andere erfasst wurden.
6. Die Zurechnung eines Wertschöpfungsanteils unter dem Gesichtspunkt des Vertriebes setzt nicht mehr als die bloße Akquise voraus; es bedarf keiner weiteren Tätigkeiten wie der Auslieferung oder einer Nachbearbeitung der Waren.
Normenkette
InvZulG 1996 § 2 S. 1, § 3 Sätze 2-3; InvZulG 1999 § 2 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform der GmbH & Co. in A bzw. im Landkreis A (alte Bundesländer) ein Säge-, Hobel- und Holzimprägnierwerk sowie einen Holzfachmarkt und im Fördergebiet einen Baumarkt mit Groß- und Einzelhandel (Baumarkt).
In dem Baumarkt werden neben Handelsware auch im Sägewerk gefertigte Holzteile verkauft (sog. Vertriebsweg 2), die in den Streitjahren 1997 und 1998 jeweils weniger als 13 v.H. des Handelsumsatzes ausmachten. Für die Streitjahre 1999 und 2000 hat das Finanzgericht (FG) mangels Angaben der Klägerin keine Feststellungen getroffen.
Beim Baumarkt ist ein Außendienstmitarbeiter beschäftigt; dieser hat dort auch ein Büro. Sowohl der Außendienstmitarbeiter als auch die Verwaltung des Baumarktes akquirieren Umsätze, die dann vom Sägewerk ausgeführt werden (sog. Vertriebsweg 1). Deren Höhe und die durch den Verkauf erzielte Wertschöpfung hat das FG nicht festgestellt. Buchhalterisch werden diese Umsätze beim Sägewerk erfasst. Die Klägerin hat dies damit erklärt, dass eine Verdreifachung des Buchführungsaufwandes vermieden werden sollte (Ausgangsumsatz Sägewerk --Eingangsumsatz Baumarkt-- Ausgangsumsatz Baumarkt).
Für die Jahre 1997 bis 2000 beantragte die Klägerin jeweils Investitionszulage für Investitionen in den Baumarkt, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) antragsgemäß gewährte.
Nach einer Betriebsprüfung änderte das FA die unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Investitionszulagenbescheide für 1997 bis 2000 und setzte die Investitionszulage jeweils auf 0 DM fest, weil der Baumarkt nicht zum verarbeitenden Gewerbe gehöre. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG wies die Klage ab. Es entschied, der Ausschlusstatbestand des § 3 Satz 3 des Investitionszulagengesetzes --InvZulG 1996-- (keine Begünstigung von Investitionen in Betriebsstätten des Handels) sei betriebsstättenbezogen; auf die Einordnung des gesamten Betriebes komme es nicht an. Bei dem Baumarkt handele es sich um eine Betriebsstätte des Handels. Selbst wenn der aus dem "Vertriebsweg 2" entstandene Wertschöpfungsanteil zum verarbeitenden Gewerbe gehören würde, bilde dieser nicht den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Baumarktes. Die Umsätze des "Vertriebswegs 1" könnten dem Baumarkt nicht zugerechnet werden, da Lieferung und Rechnungserteilung von der Betriebsstätte in A aus erfolgten und die Lieferungen --anders als die Lieferung von Material für Investitionen und Arbeitsleistungen der Mitarbeiter in A-- dem Baumarkt auch nicht intern belastet worden seien. Der örtliche Außendienstmitarbeiter habe zwar ein Büro im Baumarkt gehabt, sei aber doch unabhängig von diesem in einer Weise tätig geworden, wie es bei Außendienstmitarbeitern üblicherweise geschehe.
Mit der Revision trägt die Klägerin vor, das FG habe die im Baumarkt entfaltete Vertriebstätigkeit mit entsprechenden Wertschöpfungsanteilen nicht dieser Betriebsstätte zugerechnet und sei deshalb zu dem unzutreffenden Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Baumarkt nicht um eine Betriebsstätte des verarbeitenden Gewerbes handele.
Für die vom Baumarkt auf dem "Vertriebsweg 1" erbrachten Leistungen sei diesem ein Wertschöpfungsanteil zuzurechnen. Die Erfassung von Außendienstmitarbeitern bei derjenigen Betriebsstätte, mit der sie überwiegend betrieblich verbunden seien, entspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Gewerbesteuer nach der Lohnsumme (BFH-Urteil vom 6. November 1956 I 25/56 U, BFHE 63, 496, BStBl III 1956, 386). Auf die Verbuchung der Leistungen komme es nicht an (BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 49/84, BFHE 154, 465, BStBl II 1989, 140). Soweit das FG aus der Rechnung vom 10. April 1997 schließe, es seien im Übrigen alle Leistungsbeziehungen zwischen den Betriebsstätten exakt verrechnet worden, liege ein Sachaufklärungsmangel bzw. eine Versagung rechtlichen Gehörs vor.
Für die Einordnung des Baumarktes sei im Übrigen maßgeblich, dass das Statistische Landesamt den Gesamtbetrieb dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet habe. Diese Einordnung sei nach dem BFH-Urteil vom 7. März 2002 III R 44/97 (BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545) vom FA zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führe. Dies sei nicht der Fall, da der Baumarkt unstreitig auch Vertriebstätigkeiten ausführe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Baumarkt errichtet worden sei, um für das kurz zuvor gebaute Sägewerk in A einen erweiterten Absatzmarkt zu schaffen. Zudem dürfe Investoren kein Nachteil daraus entstehen, dass der Gesetzgeber die Einordnung von Mischbetrieben nicht eindeutig geregelt habe (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 27/86, BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242).
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die geänderten Investitionszulagenbescheide für 1997 bis 2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 sind die Anschaffung und Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter zulagenbegünstigt, die --neben anderen nicht streitigen Voraussetzungen-- mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Investition in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes nach dem 30. Juni 1994 begonnen und diese vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossen hat. Von der Begünstigung ausgeschlossen sind Investitionen in Betriebsstätten des Handels (§ 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996).
Entsprechend begünstigt sind nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 InvZulG 1999 Investitionen in Wirtschaftsgüter, die mindestens fünf Jahre in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes verbleiben und die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und vor dem 1. Januar 2005 abschließt (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999). Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 ist eine Investition jedoch nur begünstigt, soweit die Förderbarkeit in den sensiblen Sektoren, die in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 aufgeführt sind, nicht ausgeschlossen ist; Baumärkte und Sägewerke gehören jedoch nicht dazu.
2. Hat ein Betrieb --wie im Streitfall die Klägerin-- Betriebsstätten innerhalb und außerhalb des Fördergebietes, so gilt nach § 3 Satz 2 InvZulG 1996 bei Investitionen i.S. des § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 für die Einordnung des Betriebes in das verarbeitende Gewerbe die Gesamtheit aller Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb. Für Investitionen ab 1999 wird dies durch § 2 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999 angeordnet. Maßgeblich für die Förderung ist deshalb im Streitfall nur die Branchenzugehörigkeit der Betriebsstätte im Fördergebiet, d.h. des Baumarktes.
3. Der Ausschlusstatbestand in § 3 Satz 3 InvZulG 1996 ist --wie durch den Wortlaut belegt wird-- betriebsstättenbezogen auszulegen. Auch wenn ein Mischbetrieb insgesamt einem begünstigten Wirtschaftszweig zuzuordnen ist, können daher Investitionen in Betriebsstätten, die für sich genommen zu einem nicht begünstigten Wirtschaftszweig gehören, von der Investitionszulage ausgeschlossen sein (Senatsurteil vom 14. November 2002 III R 42/01, BFHE 200, 178, BStBl II 2003, 362). Auf die Einstufung des gesamten Betriebes durch das Statistische Landesamt kommt es daher nicht an.
Nach dem InvZulG 1999 ist die Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes maßgeblich, dazu ist ebenfalls auf die Betriebsstätten im Fördergebiet abzustellen.
4. Die Zuordnung eines Mischbetriebes zum Handel oder zum verarbeitenden Gewerbe hängt davon ab, welche Tätigkeit überwiegt; dies ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Wertschöpfungsanteile zu beurteilen (Senatsurteile in BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545, und vom 19. Oktober 2006 III R 28/04, BFH/NV 2007, 1185, m.w.N. auch zu anderen Kriterien). Maßgeblich ist daher, ob beim Baumarkt die Wertschöpfungsanteile aus dem verarbeitenden Gewerbe überwogen.
a) Die "normalen" Baumarktumsätze der Klägerin sind als Handel einzustufen.
b) Der Vertrieb selbst hergestellter oder bearbeiteter Waren ist dagegen, wovon Beteiligte und FG übereinstimmend ausgehen, kein von der Förderung ausgeschlossener Handel, sondern dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen (Senatsurteil vom 19. Oktober 2006 III R 51/04, BFHE 215, 433, BStBl II 2007, 329, betr. Verkaufsmobil eines fischverarbeitenden Betriebes). Ohne Bedeutung ist, ob die Waren innerhalb oder außerhalb des Fördergebiets selbst hergestellt wurden (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Oktober 1993, BStBl I 1993, 904 Rz 4 f., und vom 30. Dezember 1994, BStBl I 1995, 18 Rz 7).
aa) Die Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters, der in der "Vertriebsbetriebsstätte" ein Büro hat, ist für die zulagenrechtliche Wertschöpfungsberechnung dieser zuzuordnen.
Verfügt ein Betrieb über mehrere Betriebsstätten, so sind dessen Arbeitnehmer --und damit die von ihnen erbrachte Wertschöpfung-- derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, in der sie ihre Tätigkeit ganz oder wesentlich ausüben. Auswärtig beschäftigte Arbeitnehmer sind der Betriebsstätte zuzuordnen, mit der sie überwiegend betrieblich verbunden sind; dies ist i.d.R. diejenige Betriebsstätte, von der aus die auswärtigen Tätigkeiten begonnen und geleitet werden (vgl. Blümich/ Hofmeister, § 29 GewStG Rz 7, m.w.N.; vgl. auch --ohne nähere Rechtsausführungen-- FG Münster, Urteil vom 26. März 2002 15 K 8454/98 Zerl, Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 735). Im Streitfall bestand danach die engste Bindung des Außendienstmitarbeiters zu dem Baumarkt, wo er sein Büro hatte.
bb) Die von der Verwaltung des Baumarktes bzw. dem dort beschäftigten Außendienstmitarbeiter akquirierten Umsätze des "Vertriebsweges 1" können nicht deshalb --wie das FG meint-- ausschließlich dem Sägewerk zugerechnet werden, weil sie buchhalterisch nicht für den Baumarkt erfasst wurden. Maßgeblich ist, in welcher Betriebsstätte welche Leistungen erbracht wurden, und nicht, wie diese im Rechnungswesen behandelt wurden.
cc) Die Zurechnung eines Wertschöpfungsanteils unter dem Gesichtspunkt des Vertriebes setzt nicht --wie das FG angenommen hat-- mehr als die bloße Akquise voraus; es bedarf nicht weiterer Tätigkeiten wie der Auslieferung über die "Vertriebsbetriebsstätte" oder einer Nachbearbeitung der Waren.
Die von einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes ausgeübte Tätigkeit unterfällt regelmäßig in zahlreiche einzelne Schritte oder Arbeitsgänge --von der Errichtung oder Anmietung-- der erforderlichen Anlagen über Einkauf, Produktion und Vertrieb bis zum Rechnungswesen, der allgemeinen Verwaltung und der anschließenden Kundenbetreuung und Gewährleistung. Jede einzelne dieser Tätigkeit verursacht Kosten und schafft Wert. Einen Wertschöpfungsbeitrag nur einer Gruppe von mehreren Tätigkeiten, nicht aber einer einzelnen zuzuerkennen, stünde dazu im Widerspruch, würde zu nicht lösbaren Abgrenzungsproblemen führen und nicht berücksichtigen, dass fast jede einzelne Tätigkeit gegen Entgelt ausgelagert werden kann, z.B. die Buchhaltung an den Steuerberater, der Vertrieb an den Handelsvertreter, die Entwicklung an ein Ingenieurunternehmen und die Produktion an Fertigungsunternehmen (Senatsurteil in BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545).
dd) Der Senat kann nicht beurteilen, wo der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Baumarktes lag, ob der Handel oder der dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnende Vertrieb überwog. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Dazu weist der Senat auf Folgendes hin: Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ist in erster Linie danach zu bestimmen, auf welche der einzelnen Tätigkeiten der größte Wertschöpfungsanteil entfällt. Hilfsweise können daneben auch andere Kriterien herangezogen werden (Senatsurteile vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208, m.w.N.; in BFH/NV 2007, 1185; Vorbemerkungen zur Klassifikation 1993, Abschn. 3.3, S. 23).
Falls auf die Wertschöpfungsanteile abzustellen wäre, müssten diese sowohl für den Handel als auch den Vertrieb festgestellt werden. Hinsichtlich des Vertriebes müsste zunächst ermittelt werden, wie hoch die vom Baumarkt vermittelten Sägewerksumsätze waren. Die durch sie insgesamt --vom Baumarkt und vom Sägewerk-- erzeugte Wertschöpfung müsste sodann zwischen Produktion und Verwaltung einerseits (Landkreis A) und dem Vertrieb (Fördergebiet) andererseits aufgeteilt werden. Sofern die Vertriebsleistungen für diese Aufteilung zu bewerten wären, könnten dafür die an Handelsvertreter gezahlten Provisionen oder Verrechnungspreisgrundsätze herangezogen werden.
5. Infolge der Zurückverweisung der Sache an das FG erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Verfahrensrüge der Klägerin.
Fundstellen
Haufe-Index 2023438 |
BFH/NV 2008, 1531 |