Leitsatz (amtlich)
Bei der Bewertung eines Mietwohngrundstücks nach dem Ertragswertverfahren bei der Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1964 kann ein Zuschlag nach § 82 Abs. 2 BewG 1965 wegen übergroßer Fläche nur dann gemacht werden, wenn die übergroße Fläche in der Höhe der Jahresrohmiete überhaupt nicht berücksichtigt ist.
Normenkette
BewG 1965 §§ 79-81, 82 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) war am 1. Januar 1964 Eigentümer eines Grundstücks mit einer Fläche von 1 217 qm, das seit 1951 mit einem Wohnhaus mit sechs Wohnungen bebaut ist. Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (FA) bewertete bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 durch Bescheid vom 17. März 1970 das Grundstück als Mietwohngrundstück nach dem Ertragswertverfahren. Das FA setzte bei den mit Wohnungsfürsorgemitteln des Landes geförderten Wohnungen als Jahresrohmiete die Kostenmiete mit einem Aufschlag von 5 v. H. für die von den Mietern zu tragenden Schönheitsreparaturen an. Es machte ferner für die das Fünffache der üblichen Fläche übersteigende Grundstücksfläche von 387 qm einen Zuschlag in Höhe von 30 DM/qm. Der Einheitswert wurde auf 62 600 DM festgestellt. Der Einspruch, den der Kläger nicht begründete, hatte keinen Erfolg. Mit der Klage beantragte der Kläger, unter Streichung des Zuschlags für die übergroße Fläche den Einheitswert auf 51 000 DM herabzusetzen. Die Klage hatte nur zum Teil Erfolg. Das FG stellte den Einheitswert auf 58 800 DM fest. Es führte aus, nach § 82 Abs. 2 des BewG 1965 sei der Grundstückswert zu erhöhen, wenn werterhöhende Umstände vorlägen, die in der Jahresrohmiete nicht berücksichtigt seien. Solche in der Jahresrohmiete gegebenenfalls nicht berücksichtigten Umstände seien bei Mietwohngrundstücken gegeben, wenn die gesamte Grundstücksfläche mehr als das Fünffache der bebauten Fläche betrage, weil die nach § 80 BewG vorgeschriebenen Vervielfältiger nur eine Durchschnittsfläche berücksichtigten. Entgegen der Auffassung des Klägers könne die Vorschrift des § 82 Abs. 2 BewG aber nicht so verstanden werden, daß es zur Vermeidung des Zuschlags ausreiche, wenn in der Kostenmiete überhaupt nur ein Ansatz für den Wert des Grund und Bodens enthalten sei, auch wenn dieser auf den Wertverhältnissen eines früheren Zeitpunktes, hier des Jahres 1950, beruhe. Dadurch werde dem Sinn der Vorschrift, die auf eine Berücksichtigung der Wertverhältnisse am Feststellungszeitpunkt vom 1. Januar 1964 abstelle, nicht genügend Rechnung getragen. Die Vorschrift müsse deshalb dahin gehend ausgelegt werden, daß der Mehrwert, der infolge der Flächengröße vorhanden sei, auch angemessen durch die Jahresrohmiete erfaßt sein müsse, wenn ein Zuschlag nicht in Betracht kommen solle. Das sei bei einem Ansatz von 3,80 DM/qm nicht der Fall. Für die Bemessung des Zuschlags seien in § 82 Abs. 2 BewG keine näheren Hinweise gegeben. Nach Abschn. 32 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) solle der Preis unbebauter Grundstücke angesetzt werden. Der BFH habe in dem Urteil vom 10. März 1972 III R 88/71 (BFHE 105, 397, BStBl II 1972, 522) die Ansicht vertreten, die übergroße Fläche sei mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Dieser brauche aber nicht unbedingt mit dem Wert unbebauter Grundstücke übereinzustimmen. Im vorliegenden Fall sei dies nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall. Nach der im Schrifttum vertretenen Auffassung sei der Zuschlag nach dem Mehrwert zu bemessen, der von einem Käufer wegen der größeren Grundstücksfläche gezahlt werden würde. Gehe man davon aus, dann würde nach Auffassung des Gerichts ein Erwerber für die äußere Grundstücksfläche nur dann einen Preis für Bauland bezahlen, wenn noch ein selbständiges Baugrundstück ohne Schwierigkeiten abgetrennt werden könnte. Das sei aber hier nicht der Fall. Der Mehrwert könne deshalb nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Das Gericht halte einen Ansatz von 80 v. H. des Richtwerts eines unbebauten Grundstücks für angemessen. Dabei lasse sich das Gericht davon leiten, daß im Sachwertverfahren nach § 90 BewG in Verbindung mit § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 BewG vom 2. September 1966 (BGBl I 1966 S. 553) bei Mietwohngrundstücken, die nach 1945 bebaut wurden, der Grund und Boden und auch das im Sachwertverfahren bewertete Wohnhaus nur mit 80 v. H. des üblichen Einheitswerts zum Ansatz gelangen.
Gegen das FG-Urteil haben das FA Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, und der Kläger Anschlußrevision eingelegt.
Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils den Einheitswert auf 61 100 DM festzustellen. Es rügt Verletzung des § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG. Das FA ist der Auffassung, daß der gemeine Wert der Überfläche nicht in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 90 BewG geschätzt werden könne. Es gelte vielmehr § 9 BewG unmittelbar. Danach sei der Bodenpreis mit dem Preis für Bauland anzusetzen. Er sei allerdings um den in der Kostenmiete enthaltenen Betrag von 3,80 DM/qm zu ermäßigen.
Der Kläger beantragt mit der Anschlußrevision, unter Aufhebung des FG-Urteils den Einheitswert auf 51 050 DM festzustellen. Er rügt Verletzung des § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG. Er ist der Auffassung, daß aus dem Wortlaut dieser Vorschrift nur zu entnehmen sei, daß ein Zuschlag zu machen sei, wenn der werterhöhende Umstand überhaupt nicht erfaßt sei. Eine unterwertige Berücksichtigung sei nicht erwähnt. Sie würde auch dem § 79 BewG widersprechen, der die nach dem Ertragswertverfahren möglichen Korrekturen umreiße. Bei Festsetzung der Kostenmiete sei die gesamte Grundstücksfläche einbezogen. Das sei auch in einem Erlaß des Ministeriums für Finanzen und Wiederaufbau des Landes Rheinland-Pfalz - S 3204 A - IV 2 - vom 18. Dezember 1970 (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst -, 1971 S. 20) anerkannt, in dem ausdrücklich angeordnet sei, daß ein Zuschlag nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG in solchen Fällen nicht zu machen sei.
Das FA beantragt, die Anschlußrevision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Anschlußrevision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß ein Zuschlag wegen übergroßer Fläche des Grundstücks nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG nur dann nicht in Betracht komme, wenn der infolge der Flächengröße vorhandene Mehrwert "angemessen" durch die Jahresrohmiete erfaßt sei. Der sich beim Ertragswertverfahren nach den §§ 79 bis 81 BewG ergebende Grundstückswert ist, wie sich aus dem Eingangssatz des § 82 Abs. 2 BewG ergibt, nur dann zu erhöhen, wenn werterhöhende Umstände vorliegen, die in der Höhe der Jahresrohmiete nicht "berücksichtigt" sind. Es ist dem Kläger darin zuzustimmen, daß sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift keine Einschränkung in der Richtung ergibt, daß der werterhöhende Umstand einen Zuschlag nur ausschließt, wenn er "angemessen" in der Jahresrohmiete berücksichtigt ist. Der Senat ist darüber hinaus der Auffassung, daß eine solche Einschränkung sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 82 Abs. 2 BewG ergibt. Der Grundstückswert erfaßt nach dem Ertragswertverfahren nach § 78 Satz 1 BewG außer dem Gebäude und dem Wert der Außenanlagen auch den Bodenwert. Er ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch die Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete. Bei vermieteten Grundstükken ist die Jahresrohmiete nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BewG das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarung nach dem Stand vom 1. Januar 1964 für ein Jahr zu entrichten haben. Im Streitfall war am 1. Januar 1964 die Kostenmiete vereinbart. Nach den Feststellungen des FG sind bei der Errechnung der Kostenmiete die Erwerbskosten der ganzen Fläche des Grundstücks zugrunde gelegt worden. Damit ist die übergroße Fläche bei der Jahresmiete "berücksichtigt". Denn von einer Nichtberücksichtigung im Sinn des § 82 Abs. 2 BewG könnte nach Auffassung des Senats nur dann gesprochen werden, wenn der Vermieter - aus welchen Gründen auch immer - eine unter der so errechneten Kostenmiete liegende Jahresrohmiete vereinbart hätte und damit die übergroße Fläche in der vereinbarten Jahresrohmiete überhaupt nicht enthalten wäre. Der Umstand, daß bei der Berechnung der Kostenmiete von dem Wertverhältnis eines lange vor dem 1. Januar 1964 liegenden Stichtags ausgegangen worden ist, kann entgegen der Auffassung des FG nicht durch einen Zuschlag nach § 82 Abs. 2 BewG ausgeglichen werden. Denn dieser Ausgleich soll bei dem Ertragswertverfahren durch die Anwendung der Vervielfältiger erreicht werden, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 hinreichend berücksichtigen. Wenn die Überfläche in der Kostenmiete, wenn auch mit Werten nach den Wertverhältnissen eines früheren Stichtags, enthalten ist, wird also auch diese Überfläche durch die Anwendung eines Vervielfältigers an die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 herangeführt. Eine weitere Korrektur wäre nach Auffassung des Senats nur durch Erhöhung der als vereinbarten Jahresrohmiete geltenden Kostenmiete unter den Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Nr. 2 BewG möglich, das heißt, wenn die hier nach § 79 Abs. 1 BewG angesetzte Kostenmiete um mehr als 20 v. H. von der üblichen Miete abweichen würde. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, daß diese Voraussetzung hier gegeben ist. Das FG-Urteil war, weil es von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Da nach den Ausführungen zu 1. ein Zuschlag nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG im Streitfall überhaupt nicht zulässig ist, war die Revision des FA, die von der Zulässigkeit eines Zuschlags ausgeht und sich nur gegen die Höhe des vom FG gemachten Zuschlags wendet, als unbegründet zurückzuweisen. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA vom 13. Dezember 1971 war der angefochtene Einheitswertbescheid vom 17. März 1970 dahin zu ändern, daß der Einheitswert des Mietwohngrundstücks bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 auf 51 000 DM festgestellt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 70924 |
BStBl II 1974, 506 |
BFHE 1974, 407 |