Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Steuersatz für Veräußerungsgewinn eines Gesellschafters, dessen Tod zur Auflösung einer OHG führt
Leitsatz (amtlich)
Löst sich beim Tode eines Gesellschafters einer OHG die Gesellschaft auf, kommt es für die Höhe des ermäßigten Steuersatzes nach § 16 EStG i.V. mit § 34 EStG für den bei dem Gesellschafter sich ergebenden Veräußerungsgewinn regelmäßig nicht auf die persönlichen Verhältnisse der Erben des Gesellschafters an.
Normenkette
EStG 1956 §§ 16, 34; EStR 1956/1957 Abschn. 198 Abs. 2
Gründe
Der im Jahre 1950 verstorbene Ehemann der Erblasserin war Gesellschafter einer OHG. In der nach seinem Tode in eine KG umgewandelten Gesellschaft erhielt die Erblasserin auf Grund eines erst nach längeren Verhandlungen am 20. Dezember 1952 zustande gekommenen Gesellschaftsvertrages die Stellung einer Kommanditistin. Nach dem 1956 erfolgten Tode der Erblasserin wurde die Gesellschaft entsprechend den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages aufgelöst und das Geschäft ohne Liquidation von dem persönlich haftenden Gesellschafter übernommen. Der Berechnung des Ausscheidungsguthabens der Erblasserin wurde eine auf den Todestag erstellte Abschichtungsbilanz zugrunde gelegt. Diese war, wie im Gesellschaftsvertrag bestimmt, nach den Grundsätzen des BewG aufzustellen, wobei die Grundstücke mit dem Mittelwert zwischen einem Schätzwert und dem Einheitswert anzusetzen waren. Hiernach ergab sich für die Erblasserin ein Veräußerungsgewinn in der unbestrittenen Höhe von … DM; ihr Anteil am laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 1956 betrug … DM.
Das FA hat bei der Einkommensteuerveranlagung der Erblasserin für 1956 den Veräußerungsgewinn gemäß § 34 Abs. 1 EStG entsprechend der Anordnung in den EStR mit der Hälfte des sich errechnenden durchschnittlichen Steuersatzes von 47,45 v. H., das ist mit 23,72 v. H., angesetzt. In der Einspruchsentscheidung hat es den Steuersatz auf 23 v. H. herabgesetzt.
In dem von den 13 Erben der Stpfl. geführten Rechtsmittelverfahren wird die Anwendung des in § 34 Abs. 1 EStG vorgesehenen niedersten Steuersatzes von 10 v. H. auf den Veräußerungsgewinn beantragt. Das Begehren wird im wesentlichen mit der ungünstigen gesellschaftsrechtlichen Stellung der Erblasserin infolge des Vertrages vom 20. Dezember 1952 begründet. Die Gesellschaft habe in der Zeit nach 1950 sehr gute Geschäfte gemacht, aber sehr geringe Gewinne ausgewiesen, weil sie in großem Umfange investiert habe. Bei der Auseinandersetzung nach dem Tode der Erblasserin seien dem Betrieb infolge der harten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages erhebliche stille Reserven verblieben, die somit der Kommanditistin bzw. deren Erben nicht zugute gekommen seien. Sie seien auch der Steuervergünstigung des § 16 Abs. 5 EStG verlustig gegangen, weil die Dreijahresfrist, wenn auch nur um ein Jahr, überschritten worden sei, Ferner müßten die persönlichen Verhältnisse der Erben berücksichtigt werden, bei denen es sich um lauter „kleine Leute und kleine Steuerzahler” handle. Schließlich sei den Vertretern der Erben bei einer Besprechung beim FA zugesagt worden, einen Steuersatz von 10 v. H. oder höchstens einen um wenige v. H. darüber liegenden Satz zu bewilligen.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, daß eine Abweichung von der verwaltungsmäßigen Regelung über die Höhe des nach § 34 Abs. 1 EStG anzuwendenden Steuersatzes nur dann notwendig werden könne, wenn im Einzelfall in der Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte mit der Hälfte des Durchschnittssatzes eine besondere Benachteiligung des Stpfl. erblickt werden könnte. Der Umstand, daß die vereinbarten Gesellschaftsbestimmungen im Hinblick auf die Steuerpflicht sehr nachteilig seien, rechtfertige keine besondere Vergünstigung. Erst durch die Gestaltung dieser Vertragsbestimmungen seien außerordentliche Einkünfte zustande gekommen. Außerdem seien die behaupteten Vermögenseinbußen bereits durch den Abschluß des Vertrages eingetreten und berührten das Jahr 1956 nicht. Die Nichtanwendbarkeit der Vergünstigung des § 16 Abs. 5 EStG sei kein Grund für eine erhöhte Vergünstigung nach § 34 EStG, weil sie ausschließlich auf der gesetzlichen Beschränkung dieser Sondervergünstigung beruhe. Im übrigen sei der Ehemann der Erblasserin annähernd sechs Jahre vor deren Tod verstorben. Der Umstand, daß die Erben „sog. kleine Leute und kleine Steuerzahler” seien, könne auf die Anwendung des § 34 EStG keinen Einfluß haben, da es sich um die Besteuerung der Erblasserin und nicht deren Erben handle. Durch die Besteuerung des auf die Erblasserin entfallenden Gewinnes werde lediglich der Erbanfall etwas gemindert. Die Behauptung, daß die Anwendung eines Steuersatzes von 13 bis 15 v. H. bei einer Besprechung in Aussicht gestellt worden sei, werde durch den Aktenvermerk über diese Besprechung vom 27. Januar 1959 mit der Unterschrift der beteiligten Beamten widerlegt. Es sei keinerlei Zusage gemacht, sondern nur von der Möglichkeit der Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes gesprochen und der Eingang eines weiteren Schriftsatzes sowie einer Stellungnahme der OFD vorbehalten worden.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.), mit der im wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt wird, ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen haben der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes die Regelung des Abschn. 198 Abs. 2 EStR 1956/57 zugrunde gelegt, wonach auf die begünstigten Einkünfte die Hälfte des Steuersatzes anzuwenden ist, der sich ohne Inanspruchnahme der Begünstigung für das gesamte Einkommen einschließlich der außerordentlichen Einkünfte nach der Einkommensteuertabelle ergeben würde. Sie sind zutreffend davon ausgegangen, daß diese Verwaltungsanweisung in der Regel eine der Billigkeit entsprechende und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienende Berechnungsmethode darstellt und ihre Anwendung deshalb – von Sonderfällen abgesehen – keinen Ermessensmißbrauch bildet (vgl. die Urteile des BFH VI 87/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 104, Slg. Bd. 64 S. 271; IV 330/57 U vom 21. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 409, Slg. Bd. 71 S. 429; IV 143/58 U vom 16. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 101, Slg. Bd. 72 S. 268, und IV 321/60 U vom 6. Dezember 1962, BStBl 1963 III S. 133). Das FG hat auch zutreffend in dem Vorbringen der Bf. keine besonderen Umstände erblickt, die Anlaß bieten könnten, von der in der genannten Verwaltungsanweisung getroffenen Regelung abzuweichen Insbesondere kann der Umstand, daß die Erblasserin bei der Auseinandersetzung in erheblichem Umfang von den stillen Reserven des Betriebs ausgeschlossen worden ist, nicht zur Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes führen. Die dadurch bedingte Minderung des Veräußerungsgewinns hat sich bereits in der Errechnung eines geringeren Steuersatzes ausgewirkt. Auch hat das FG mit Recht nicht auf die persönlichen Verhältnisse der Erben abgestellt, weil es sich nicht um deren Veranlagung, sondern um die letzte Einkommensbesteuerung der Erblasserin handelt, mag sie auch auf die Höhe des den Erben zukommenden Nachlasses von Einfluß sein. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls dann geboten sein, wenn infolge der höheren Besteuerung des Veräußerungsgewinns kein nennenswerter Nachlaß verbleiben würde. Das trifft aber hier nicht zu.
Wenn das FG schließlich das Vorliegen einer verbindlichen Zusage des FA über die Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes verneint hat, so konnte es sich dabei auf den Inhalt des unmittelbar nach der Besprechung vom 27. Januar 1950 vom zuständigen Sachbearbeiter gefertigten und von diesem und vom Vorsteher des FA gezeichneten Aktenvermerkes stützen. Danach sind die Vertreter der Bf. ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß von seiten des FA keine Zusage hinsichtlich des zur Anwendung kommenden Steuersatzes gemacht werden könne. Im übrigen handelt es sich insoweit um eine dem FG gemäß § 278 AO zustehende Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, an die der BFH bei der beschränkten Natur der Rb. (§§ 288, 296 AO) gebunden ist.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen