Leitsatz (amtlich)
Vermittelt ein Verkaufsagent den Verkauf von Tankanlagen, deren Montage von ihm übernommen wird, so führt die Mitwirkung des Werkunternehmers an der Materialbeschaffung dann nicht zur Annahme einer einheitlichen Leistung, wenn der wirtschaftliche Gehalt des Sachverhalts seiner bürgerlich-rechtlichen Gestaltung entspricht. Die Feststellung einer solchen Mitwirkung ist jedoch Veranlassung, den Sachverhalt besonders sorgfältig auf seinen wirtschaftlichen Gehalt zu untersuchen.
Normenkette
UStG 1951 § 3
Tatbestand
Berichtigung: Im Urteil II R 132/66 vom 24. Juni 1969 ist auf Seite 24, linke Spalte, in der 39. Zeile von oben das Wort "Kläger" durch das Wort "Verkäufer" zu ersetzen.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) stellt Tankanlagen auf und unterhält ein sicherheitstechnisches Büro, das die aufgestellten Tankanlagen überwacht. Im Jahre 1957 hat die Steuerpflichtige für drei Firmen den Verkauf von Tankanlagen vermittelt und die Tankanlagen selbst aufgestellt. Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Steuerpflichtigen und den drei Firmen waren im wesentlichen gleich und hatten folgenden Inhalt:
Die Firmen übertrugen dem früheren Alleininhaber der Steuerpflichtigen als Vertreterfirma und als Handlungsagent gegen eine Provision den Verkauf der jeweils zum Programm "..." gehörenden Artikel nebst Ersatzteilen für ein bestimmtes Gebiet (§§ 1 und 3 des Vertrages). Die von der Steuerpflichtigen vermittelten Abschlüsse galten erst dann als zustandegekommen, wenn der bestellenden Firma eine schriftliche Auftragsbestätigung der Lieferfirma zugegangen war. Hierauf hatte die Steuerpflichtige die Besteller bei den Verhandlungen hinzuweisen. Die Steuerpflichtige war nicht befugt zur Entgegennahme von Zahlungen, zur Bewilligung von Zahlungsfristen, zur Entgegennahme von Mängelanzeigen und ähnlichen Erklärungen (§ 5 des Vertrages). Soweit die Bestellung durch die Steuerpflichtige vorgenommen wurde, hatte diese den Besteller zu veranlassen, den Auftrag der Lieferfirma gegenüber zu bestätigen (§ 6 des Vertrages). Ware, Lieferschein und Rechnung gingen dem Besteller unmittelbar von der Lieferfirma zu. An diese hatte der Besteller auch die Zahlungen zu leisten.
Die Steuerpflichtige, die entsprechend diesen vertraglichen Vereinbarungen u. a. im Jahre 1957 tätig wurde, legte ihrer Umsatzbesteuerung nur die Entgelte für ihre Montageleistungen und die Provisionen der Lieferfirma zugrunde. Aufgrund einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (FA) unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BFH 58, 196, BStBl III 1953, 366, die Auffassung, in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Besteller eines Werkes das dazu benötigte Material durch den Auftragnehmer einkaufen lasse, handle es sich um einen einheitlichen Vorgang, und zwar eine Werklieferung, die nicht in eine Lieferung von Material und in die Durchführung der Montage aufgespalten werden könne. Die gesamte Leistung sei mit 4 v. H. zu versteuern.
Der Einspruch der Steuerpflichtigen, der in einem anderen Punkte Erfolg hatte, blieb, soweit er den vorliegenden Sachverhalt betraf, erfolglos.
Mit der Berufung (Klage) hatte die Steuerpflichtige dagegen in vollem Umfange Erfolg. Die Vorinstanz ist zwar der Auffassung, daß Geschäftsvorfälle der vorliegenden Art nach der von ihr zitierten Rechtsprechung des BFH regelmäßig als einheitliche wirtschaftliche Vorgänge anzusehen wären, mit der Folge, daß der Unternehmer das gesamte Entgelt für die betriebsfertige Anlage (hier Tankanlage und Montage) zu versteuern hätte. Sie (die Vorinstanz) könne sich indessen dieser Rechtsprechung nicht anschließen, weil die bürgerlich-rechtliche Ausgestaltung dieser Geschäftsvorfälle, soweit es sich nicht um Umgehungstatbestände handele, nicht unbeachtet bleiben könne.
Die Vorinstanz ist ferner der Auffassung, im vorliegenden Falle lägen auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht eine einheitliche Leistung (Werklieferung einer fertigen Tankanlage), sondern zwei voneinander zu trennende Tätigkeiten der Steuerpflichtigen (Vermittlung von Tankanlagen und deren Montage) vor. Wenn der Besteller im Endergebnis auch eine betriebsfertige Tankanlage zu erhalten wünsche, so werde er doch von seiner ersten Fühlungnahme an mit der Steuerpflichtigen von dieser und später auch von der Lieferfirma nicht darüber im unklaren gelassen, daß die Steuerpflichtige selbst keine Tankanlagen liefern, sondern nur vermitteln könne. Die vom FA vertretene Auffassung würde auch zu einem ungerechten steuerlichen Ergebnis führen, weil die der Steuerpflichtigen bei der Vermittlung von Tankanlagen zustehende Provision nur etwa 3,5 v. H. des Rechnungsbetrages für die Tankanlage betrage, während die hiervon zu entrichtende Umsatzsteuer 4 v. H. dieses Betrages ausmache.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (jetzt Revision) des FA, in der ausgeführt wird, nach den Feststellungen des FG müsse davon ausgegangen werden, daß die Besteller in den streitigen Fällen von der Steuerpflichtigen eine betriebsfertige Tankanlage geliefert und erstellt und nicht etwa nur die zu einer Tankanlage benötigten Einzelteile vermittelt haben wollten. In diesem Falle hätten sich die Besteller spätestens im Zeitpunkt der Anlieferung der Teile an eine andere Montagefirma wenden müssen, um die Anlage betriebsfertig montieren zu lassen. Das FA bezieht sich insoweit auf das Urteil des Senats V 29/63 U vom 15. Juni 1965, BFH 82, 698, BStBl III 1965, 498. Das FA ist ferner unter Hinweis auf das Urteil des Senats V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, a. a. O., der Auffassung, daß die bei seiner Beurteilung eintretende höhere Steuerbelastung kein Anlaß zu einer anderen Beurteilung sein könne.
Nach Ansicht der Steuerpflichtigen liegen in den streitigen Fällen formal und wirtschaftlich jeweils drei Rechtsbeziehungen vor:
1. Ein Agenturverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen und den Lieferfirmen;
2. Ein Kaufvertrag zwischen den Bestellern und den Lieferfirmen;
3. Ein Montageauftrag der Besteller an die Steuerpflichtige.
Eine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Geschäfts sei nicht gegeben. Die Lieferfirmen hätten aus wirtschaftlichen Gründen ein besonderes Interesse daran, die Besteller direkt und nicht durch fremde Firmen zu beliefern, um mit den Abnehmern ihrer Erzeugnisse in ständigem Kontakt zu bleiben. Die Steuerpflichtige verweist schließlich auf das Urteil des BFH V 5/58 U vom 17. Oktober 1958, BFH 67, 529, BStBl III 1958, 475, wonach bei Personenverschiedenheit zwischen dem Lieferer und dem Ausführenden der Arbeit von einem wirtschaftlich einheitlichen Gesamtvorgang nicht die Rede sein könne und in einem solchen Falle Lieferung und sonstige Leistung rechtlich und wirtschaftlich und damit auch steuerlich getrennt zu betrachten seien. Die Steuerpflichtige ist ferner der Auffassung, im vorliegenden Falle könne ebenso wie im Falle des Urteils des BFH V 19/64 vom 27. Oktober 1966, BFH 87, 159, BStBl III 1967, 132, die bürgerlich-rechtliche Gestaltung nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden, da sie dem wirtschaftlichen Sachverhalt entspreche und einen vernünftigen wirtschaftlichen Sinn habe; aus dem Urteil ergebe sich ferner, daß die beiden Tätigkeiten der Steuerpflichtigen, nämlich ihre Vermittlertätigkeit und die Montage nur dann als eine einheitliche Werklieferung der fertigen Anlage angesehen werden könnten, wenn ausreichende Beweisanzeichen für das Vorliegen einer (einheitlichen) Lieferung vorliegen würden; dies sei aber nicht der Fall.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Im Ergebnis zutreffend hat die Vorinstanz das Vorliegen einer einheitlichen Werklieferung (§ 3 Abs. 3 UStG 1951) verneint und angenommen, daß im vorliegenden Falle die Steuerpflichtige jeweils zwei verschiedene, voneinander zu trennende Umsätze, nämlich die Vermittlung des Verkaufs von Tankanlagen sowie deren Montage, ausgeführt hat und daß daher die für das Material (die Tankanlagen) an die Lieferfirmen gezahlten Entgelte bei der Umsatzbesteuerung der Steuerpflichtigen auszuscheiden haben (vgl. in neuerer Zeit die BFH-Urteile V 223/64 vom 27. Juni 1968, BFH 93, 497, BStBl II 1968, 836, und V 224/64 vom 24. April 1969, BStBl II 1969, 453). Die Vorinstanz glaubt indessen, daß sie im vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abgewichen sei, wenn sie der bürgerlich-rechtlichen Regelung folgend jeweils zwei Leistungen der Steuerpflichtigen, nämlich eine Vermittlungsleistung und eine Montageleistung angenommen hat. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Vorinstanz hat übersehen, daß der Grundsatz über die Folgen einer Mitwirkung des Werkunternehmers an der Materialbeschaffung vom Senat nie starr und formal angewendet wurde, sondern eine festgestellte Mitwirkung für den Senat letztlich der Anlaß gewesen ist, den wirtschaftlichen Gehalt der Verhältnisse zwischen Werkunternehmer, Werkbesteller und Materiallieferant besonders genau zu überprüfen. So enthält z. B. das BFH-Urteil V 224/64 vom 24. April 1969 die ausdrückliche Feststellung, daß nach dem Inhalt der zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Bauherrn geschlossenen Verträge der Steuerpflichtige nicht nur Parkettholz zu verlegen, sondern einen fertigen, von Sachmängeln freien Parkettfußboden zu liefern habe. Ähnliche Hinweise auf den wirtschaftlichen Gehalt des jeweils zu entscheidenden Sachverhalts finden sich auch in den von der Vorinstanz angezogenen Urteilen, soweit nicht - wie in den BFH-Urteilen V 160/60 S vom 30. Mai 1963, BFH 77, 82, BStBl III 1963, 346, und V 19/64 vom 27. Oktober 1964 (a. a. O.) - der Senat trotz Mitwirkung des Werkunternehmers an der Materialbeschaffung bereits bisher nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts das Vorliegen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges verneint hat.
Eine Prüfung des wirtschaftlichen Gehalts des vorliegenden Sachverhalts ergibt, daß keine Anhaltspunkte vorhanden sind, die Steuerpflichtige habe an die Besteller betriebsfertige Tankanlagen liefern wollen. Daß die Besteller letztlich das wirtschaftliche Ziel hatten, Eigentümer einer funktionsfähigen Tankanlage zu sein, ist nicht entscheidend, weil dieses Ziel, wie bereits in dem Urteil V 19/64 ausgeführt ist, auch dadurch erreicht werden kann, daß der Besteller von der Lieferfirma eine Tankanlage kauft und diese durch die Steuerpflichtige montieren läßt. Wie die Vorinstanz ausdrücklich festgestellt hat, wird der Besteller bereits bei der ersten Fühlungnahme mit der Steuerpflichtigen darauf hingewiesen, daß sie selbst keine Tankanlagen liefern, sondern nur deren Lieferung vermitteln kann. Dies wird ihm auch von der Lieferfirma bestätigt. Der Kunde ist daher von Anfang an eindeutig darüber unterrichtet, daß er von der Steuerpflichtigen eine funktionsfähige Tankanlage gar nicht erwerben kann. Die Steuerpflichtige muß die Besteller bei den Verhandlungen darauf hinweisen, daß Abschlüsse erst dann als zustande gekommen gelten, wenn die Lieferfirma den Auftrag schriftlich bestätigt. Anderseits muß auch die Steuerpflichtige den Besteller veranlassen, daß dieser der Lieferfirma einen über die Steuerpflichtige gegebenen Auftrag bestätigt. Alle Zahlungen dürfen nur an die Lieferfirma geleistet werden. Nur diese kann Zahlungsfristen bewilligen und Mängelanzeigen entgegennehmen.
Solchenfalls sind keine Umstände erkennbar, die dazu zwingen, entgegen der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung dem vorliegenden Sachverhalt einen anderen wirtschaftlichen Inhalt zu geben.
Etwas anderes kann auch aus dem Urteil des BFH V 29/63 U vom 15. Juni 1965 (a. a. O.) nicht entnommen werden, auf das sich das FA beruft. Im Falle dieses Urteils hat der Senat die Lieferung einer fertigen Anlage angenommen, weil festgestellt worden war, daß eine solche bestellt war; Anhaltspunkte für eine Vermittlungsleistung waren nicht vorhanden. Im vorliegenden Fall ist dagegen nach den Feststellungen der Vorinstanz - wie oben ausgeführt - davon auszugehen, daß die Kunden die Tankanlagen bei den Lieferfirmen durch Vermittlung der Steuerpflichtigen bestellt haben und durch diese lediglich die Montage vornehmen ließen. Die Sachverhalte sind daher nicht vergleichbar.
Fundstellen
Haufe-Index 68809 |
BStBl II 1970, 24 |
BFHE 1970, 97 |